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Ex-Manager kommen mit Bewährungsstrafen davon

Die Pleite des Billigstromanbieters Teldafax ist einer der größten Firmenzusammenbrüche in Deutschland. Der Strafprozess endet mit Bewährungsstrafen für die verantwortlichen Manager. Eine Mitschuld tragen die Behörden.

Das größte Insolvenzstrafverfahren in der deutschen Wirtschaftsgeschichte endet mit einer heftigen Kritik an den Aufsichtsbehörden. Mehr als zwei Jahre lang hat das Landgericht Bonn den Fall Teldafax verhandelt. 1.300 Urkunden zu dem Billigstromanbieter wurden gesichtet, in 109 Verhandlungstagen insgesamt 60 Zeugen angehört. Dass am Ende für die Beschuldigten Vorstände Klaus Bath und Gernot Koch nur zwei Bewährungsstrafen herauskamen, lag laut Gericht auch an der laschen Aufsicht.

„Man kommt nicht um die Feststellung herum, dass die Behörden es den Beklagten sehr leicht gemacht haben“, sagte der Vorsitzende Richter Marc Eumann am Mittwoch in Bonn. Schon Mitte 2009 hätte zum Beispiel das Hauptzollamt Köln „jeden Grund gehabt, den Stecker zu ziehen“, wie Eumann formulierte. Teldafax war mit 18,8 Millionen Euro Stromsteuern im Rückstand und konnte nicht zahlen. Die Beamten vor Ort hätten auch für eine Vollstreckung plädiert. Rechtliche Gründe, die dagegen sprachen, gab es nicht. Doch die Politik machte sich Sorgen um das Image der gerade erst in Fahrt gekommenen Liberalisierung des deutschen Strommarktes und aus dem Bundesfinanzministerium sei schließlich die Ansage gekommen: nicht vollstrecken.

So schleppte sich Teldafax noch zwei Jahre weiter und lockte hunderttausend zusätzliche Kunden in den Billigstrudel, in dem das Unternehmen schließlich 2011 unterging. So entstand ein Insolvenzverfahren mit 750 Millionen Euro Schaden und mehr als 300.000 Gläubigern. Das größte seiner Art.

Nun das Urteil. Der ehemalige Teldafax-Vorstand Klaus Bath erhielt wegen Insolvenzverschleppung und Verletzung der Buchhaltungspflichten eine Strafe von einem Jahr und vier Monaten Strafe. Er muss 300 Stunden Sozialarbeit leisten. Sein Kollege Gernot Koch kam mit elf Monaten zur Bewährung davon – und 180 Stunden Arbeit für eine gemeinnützige Einrichtung leisten. Bei beiden Managern setzte das Gericht zwei Monate als bereits vollstreckt fest. Durch einen Fehler der Kammer hatte sich das Verfahren um ein Jahr verzögert – eine Belastung für die Beklagten, die sich strafmildernd auswirkt.

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Die wollen allerdings keine Strafmilderung, sondern einen Freispruch. „Wir werden in Revision gehen“, kündigte Baths Anwalt Norbert Gatzweiler an, kaum dass er den Verhandlungssaal verlassen hatte. „Das Gericht hat einem massiven medialem Druck nachgegeben. Die Öffentlichkeit verlangte eine Verurteilung, also musste es eine geben.“

Mit dieser Einstellung waren die Anwälte der Teldafax-Verantwortlichen allein. Zu groß war für das Gericht die Beweislast, zu eindeutig das Verschulden. Schon im Juni 2009 stellten die Vorstände eine Zahlungsunfähigkeit fest. „Sie hätten sich auch die Frage stellen müssen, ob sie einen Insolvenzantrag hätten stellen müssen“, sagte Eumann. „Sie taten es nicht.“ Erst drei Monate später, weit jenseits einer Antragspflicht, wurden Insolvenzanwälte zu Rate gezogen. Als diese sahen, in welchem Zustand das Unternehmen war, legten sie ihr Mandat nieder.

Höchst ungewöhnlich sei das, sagte Eumann. Die nächste Kanzlei allerdings tat das gleiche. Zwar habe man keine „Smoking Gun“ gefunden, sagte Eumann. Ein Brief etwa, in dem die Kanzlei geschrieben hätte: „Lieber Vorstand , Sie sind pleite“. Stattdessen gab ein Anwalt im Zeugenstand an: „Wir haben nichts gesehen, was dagegen gesprochen hätte, dass das Unternehmen nicht insolvent war.“ Eumann: „So sind Anwälte.“

Dass die Beschuldigten trotz des gewaltigen Schadens nur mit Bewährungsstrafen belegt wurden, haben die Teldafax-Manager nicht nur dem Gericht, sondern auch der Staatsanwaltschaft zu verdanken. Die ließ nach einem Wink des Gerichts mitten im Verfahren den größten Teil des Tatvorwurfs fallen. Verhandelt wurde nur eine mögliche Insolvenzverschleppung 2009. Was mit der Zeit von Januar 2010 bis Juni 2011 war, interessierte am Landgericht Bonn nicht mehr. „Da hätte man ein kompliziertes Gutachten gebraucht“, sagte Eumann.


Handelsblatt deckt chaotische Zustände bei Teldafax auf

Dabei gab es schon ein Gutachten. Verfasser war Biner Bähr, der Insolvenzverwalter von Teldafax. Sowohl in seinem Gutachten für die Gläubiger als auch in seiner Aussage als Zeuge kam Bähr zu einem eindeutigen Schluss: Teldafax war durchgehend von Sommer 2009 bis zum Insolvenzantrag im Juni 2011 insolvenzreif.

Zahlreiche Gerichte in Zivilverfahren sind Bährs Argumentation gefolgt. Im Zuge der Insolvenzanfechtung hat der Anwalt der Kanzlei White & Case bereits mehr als 350 Millionen Euro für die Gläubiger von Teldafax eingetrieben. Dazu müsste er nicht nur nachweisen, dass Teldafax durchgehend insolvenzreif war, sondern auch aufzeigen, dass Geschäftspartner, die in dieser Zeit noch Geld von Teldafax erhielten, von dieser Zahlungsunfähigkeit wussten. Bähr zeigte, die Geschäftspartner zahlten.

Warum dies im Strafprozess nicht gezeigt werden sollte, blieb am Mittwoch unklar. Stattdessen erklärte Richter Eumann, dass es letztlich das Handelsblatt gewesen sei, das Teldafax in Richtung Insolvenz schickte. Das Handelsblatt beschrieb im Oktober 2010 erstmals die Hintergründe des Unternehmens. Die fehlenden Bilanzen, die Dumpingstrategie, die ewigen Zahlungsrückstände, die kriminelle Vergangenheit des Teldafax-Gründers Michael Josten. Als die Geschäftsbanken die Wahrheit über Teldafax erfuhren, kappten sie aus Sorge um eine Mitschuld das Lastschriftverfahren für den Stromanbieter.

Die Mär, dass der Bote der schlechten Nachricht der eigentlich Schuldige für das Ende von Teldafax war, hält sich unter den Beschuldigten seit Jahren. Beide, Koch und Bath, sind wirtschaftlich ruiniert. Das liegt vor allem an den zahlreichen Zivilverfahren, die Kunden gegen Sie führen. Allein der Insolvenzverwalter will 1,5 Millionen Euro. Und jetzt, nach der Verurteilung, wird es auch mit der Versicherung für die Anwaltskosten schwierig. Seit Jahren zahlt eine Versicherung die fünf Anwälte von Koch und Bath. Sie wurde allerdings Monate nach dem Beginn der Insolvenzverschleppung abgeschlossen, für die die beiden Teldafax-Manager nun verurteilt wurden. Richter Eumann: „Ich kenne keine Versicherung, die bei Vorsatz zahlt.“

KONTEXT

Teldafax - Die Chronik des Untergangs

Februar 2007

Teldafax beginnt mit dem Vertrieb von Strom.

16. März 2007

Das Landgericht Mannheim verurteilt den Teldafax-Vorstandsvorsitzenden Michael Josten für seine Aktivitäten rund um die Secur Finanz AG aus Lörrach wegen 176-fachen Betrugs zu zweieinhalb Jahren Gefängnis. Die Richter vermerken eine "erhebliche kriminelle Energie" und eine "besonders habgierige Gesinnung des Angeklagten Josten".

4. März 2009

Die deutschen Behörden stellen einen internationalen Haftbefehl gegen Josten aus. Er war nach seiner Verurteilung im März 2007 in die Schweiz geflohen.

10. Juni 2009

In der Teldafax-Zentrale in Troisdorf findet eine außerordentliche Vorstandssitzung statt. Es nehmen auch zwei Wirtschaftsprüfer der Beratungsgesellschaft BDO teil. Sie berichten unter anderem von einer Deckungslücke bei Teldafax in Höhe von 24 Millionen Euro, resultierend insbesondere aus Stromsteuern. Binnen drei Wochen habe eine Geschäftsleitung eine Insolvenzantragspflicht. Stand heute sei Teldafax illiquide.

22. Oktober 2009

Finanzvorstand Alireza Assadi teilt Aufsichtsrat Michael Josten mit, dass er am 27. Oktober einen Insolvenzantrag stellen werde. Doch er kommt nicht mehr dazu. Am 26. Oktober 2009 wird Assadi vom Aufsichtsrat entlassen.

29. Oktober 2010

Die Rechtsanwaltskanzlei Flick Glocke Schaumburg weist den Teldafax-Vorstand schriftlich auf die bestehende Zahlungsunfähigkeit hin und mahnt an, dass eine Verpflichtung zur Stellung eines Insolvenzantrags bestehe.

12. April 2011

Das Hauptzollamt Köln entzieht Teldafax die Erlaubnis zur Leistung als Stromversorger.

25. Mai 2011

Teldafax erhält schon wieder einen neuen Chef. Der Sanierer Hans-Gerd Höptner, erst seit elf Wochen im Amt, gibt den Posten an seinen Vorstandskollegen Gernot Koch ab. Dieser sagt: "Die erste Hürde für den Neuanfang ist genommen. Jetzt müssen wir zeigen, dass wir in der Lage sind, die Wende zu schaffen. In den kommenden Wochen werden wir vor allem durch Taten überzeugen und so wieder zu einem normalen Geschäftsalltag zurückkehren."

14. Juni 2011

Teldafax stellt einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht Bonn.

15. Februar 2013

Die Staatsanwaltschaft Bonn erhebt Anklage gegen Michael Josten, Klaus Bath und Gernot Koch. Die Anklage gegen alle drei lautet auf "gewerbsmäßigen Betrug und Bankrotthandlungen".

26. Januar 2015

Der Teldafax-Prozess beginnt. Die ehemaligen Vorstände Klaus Bath, Michael Josten und Gernot Koch erneut vor dem Landgericht Bonn verantworten. Die Anklage lautet auf Insolvenzverschleppung, gewerbsmäßigen Betrug und Bankrott.