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Evian oder Bonaqa: Was ist unsinniger?

Mineralwasser oder Tafelwasser - man könnte ja sagen: Geschmackssache. Wenn das in Flaschen gefüllte Nass mitunter nicht so unverschämt teuer wäre. Preise für vergleichbares Wasser variieren um 16.500 Prozent und mehr.

Manchmal tut man Dinge im Leben, die ergeben keinen Sinn. Kategorie 1. Und manchmal tut man sie obendrein ohne Verstand. Ohne Verstand ist es dann, wenn man die Dinge tut, obwohl man weiß, dass das keinen Sinn ergibt. Kategorie 2.

Kategorie 1 lässt sich kaum umschiffen. Beispiel: In den Achtzigerjahren hieß es: Höchstens ein bis zwei Frühstückseier pro Woche. Denn im Eigelb stecke zu viel Cholesterin. Mein Vater hat sich strickt dran gehalten. Statt Ei lieber mehr Leberwurst, das stand irgendwie nicht auf der roten Liste.

Heute weiß man: Wenig Ei war sinnlos. Denn das ganze Zeug im Ei hat das Huhn vorab in seinem Hintern exakt so zusammengemixt, dass das Cholesterin von anderen Bestandteilen in Eigelb und Eiweiß sozusagen in seiner Wirkung neutralisiert wird.
Wusste man früher nicht - kann man meinem Vater keinen Vorwurf machen.

Etwas seltsam wäre es gewesen, mein Vater hätte weiter keine Eier gegessen mit der Begründung: „Ach, ich weiß auch nicht.“ Denn das wäre die Kategorie 2 gewesen. Und immer, wenn wir uns eingestehen müssen: „Ich befürchte, ich stecke in diesem Punkt in der Kategorie 2“, müssen wir dringend was ändern. Damit wir beim Zähneputzen in den Spiegel gucken können.

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Noch ein Beispiel: die Sache mit dem Mineralwasser. Ich weiß, ich wiederhole mich, wenn ich sage: Wer stilles Mineralwasser kauft, statt aus der Leitung zu trinken, der schmeißt letztendlich Geld zum Fenster raus. Genauso gut könnte man eben den Kühlschrank die ganzen Abende über offen stehen lassen, weil die Lampe darin so gemütlich schimmert. Es ginge eben billiger.

Denn:

1. Wer seinen Bedarf an Mineralien allein mit Mineralwasser decken will, muss im Schnitt jeden Tag 100 Liter trinken. Insofern ist unser Mineralienhaushalt nicht auf Mineralwasser allein angewiesen.

2. Der kleine Teil an Mineralien, den wir über Wasser aufnehmen, lässt sich wunderbar übers Leitungswasser trinken. Denn Leitungswasser hat auch ordentlich Mineralien.

3. Keime haben im Leitungswasser schlechte Chancen. Das Wasser wird kalt und mit hohem Druck durch die Rohre transportiert. Stilles Mineralwasser wird in Flaschen mitunter durch halb Europa gekarrt. Steht es da mal zwischendurch in der Sonne (spätestens auf dem eigenen Balkon zu Hause), schmeckt das Wasser danach schnell so, wie die Flasche riecht. Nach Plastik. Und die strengen mikrobiologischen Grenzwerte beim Mineralwasser gelten nur für den Abfüllort, nicht für das Wasser, das am Ende bei uns ankommt.

Es gibt also keinen dringenden vernünftigen Grund, stilles Mineralwasser zu kaufen, wenn es einem um die Gesundheit geht. Weil wir das jetzt wissen, sitzen wir alle nun in Kategorie 2. Deshalb müssen aus Marketing-Sicht unbedingt Emotionen her. Damit wir uns in Kategorie 2 wohl fühlen.

Evian schreibt auf seiner Website: „Jeder Tropfen Evian beginnt seine Reise als Regen oder Schnee hoch oben in den unberührten Gipfeln der französischen Alpen und fließt durch eine riesige Mineralwasserschicht tief im Herzen der Berge, bevor er schließlich an der Quelle in Evian-Les-Bains zu Tage tritt. Diese fantastische Reise ist das Geheimnis hinter der Reinheit von Evian und dauert über 15 Jahre.“

Jetzt ist das Geheimnis also raus: 15 Jahre. Und am Ende von anderthalb Dekaden unterscheidet sich das Wasser an Reinheit nicht wesentlich im Vergleich zu unserem Leitungswasser, das nach seiner fantastischen Reise durch unser riesigen Rohrleitungsnetz ins Herz unserer gemütlichen Wohnungen sprudelt.

Tja, alle Mühe umsonst. Da kann man sich dann eigentlich auch die Lkw-Fahrt über die Autobahn sparen, um die Evian-Plastikflaschen in die deutschen Supermärkte zu chauffieren. Dann verrußen auch weniger die leider gar nicht mehr so unberührten Alpen.


Evian ist 36.500 Prozent teurer als unser Leitungswasser

Dieser fürchterliche Aufwand für die Gewinnung eines solchen stillen Wassers ist natürlich fürchterlich teuer. Und für Evian offenbar besonders teuer. Da muss man schon gucken, wo man als Abfüller bleibt. Evian hält den aktuellen Titel der Mogelpackung des Jahres, verliehen von der Verbraucherzentrale Hamburg. Die kritisierte neue Flasche ist kleiner (0,25 Liter weniger), kostet aber dafür mehr. Die Verbraucherzentrale sagt: „Versteckte Preiserhöhung bis zu 47 Prozent.“ Für ein Produkt, das ganz ähnlich fast kostenlos aus der Leitung schießt.

Evian kostet pro Liter bei REWE zurzeit 87 Cent, bei Amazon fresh 73 Cent, bei Edeka online 93 Cent. Ein Liter Leitungswasser kostet rund 0,2 Cent. Wer jeden Tag zwei Liter Wasser trinkt, bezahlt im Jahr mit Evian mindestens 533 Euro. Mit Leitungswasser 1 Euro 46. Macht eine Ersparnis von 99,7 Prozent, oder gerundet 100 Prozent. Anders herum: Evian ist 36.500 Prozent teurer als unser Leitungswasser. Ich sach´s nur.

Wer jetzt kontert: „Nimm halt billigeres stilles Wasser zum Vergleich, stilles Bonaqa kostet zum Beispiel nur 33 Cent pro Liter“, der suche sich jetzt bitte festen Halt. Bonaqa aus dem Hause Coca-Cola ist nichts anderes als in Flaschen gefülltes Leitungs-wasser. Leitungswasser, das immerhin noch 16.500 Prozent teurer ist als das aus der Leitung ohne Umweg über die Flasche. Solch ein Leitungswasser aus der Flasche nennt sich Tafelwasser.

Der Abfüller darf hier - anders als beim Mineralwasser - am Gehalt der Mineralien herum manipulieren (beim Mineralwasser dürfen im Wesentlichen nur gesundheitsschädliche Bestandteile entfernt werden). So kann etwa Coca-Cola Leitungswasser in allen Ecken der Republik entmineralisieren und nach eigenem Geschmack (im Rahmen der Gesetze) Mineralien zusetzen, bis das Tafelwasser trotz unterschiedlicher Leitungswasserquellen immer gleich schmeckt. Danach setzt man dem Ganzen dann Zucker, Aromen und Farbstoffe zu und erhält einheitlich schmeckende Fanta oder Sprite oder Coke. Oder man füllt das glattgebügelte Wasser direkt in die Flasche. Mit oder ohne Kohlensäure.

Auf den ersten Blick wirkt Tafel-Wasser aus Kundensicht wirtschaftlich betrachtet deshalb als der besondere Irrsinn. Wie Kategorie 2 extrem.

Der Witz ist aber: Weil Leitungswasser ein spitzenmäßig kontrolliertes Lebensmittel ist, enthält das Tafelwasser eben auch spitzenmäßiges Wasser. Weil es an jeder beliebigen Trinkwasserleitung gewonnen werden kann, ist es billiger abzuzapfen als Mineralwasser. Und weil nicht alles aus einer zentralen Quelle in Frankreich sternförmig in die ganze Welt verfrachtet werden muss, sondern dezentral abgefüllt werden kann, ist Tafelwasser per se umweltfreundlicher als Mineralwasser aus Quellen im Ausland.

Ergo: Weil sich stilles Mineralwasser aus dem Herzen der Alpen von Leitungswasser nicht wesentlich unterscheidet, unterscheidet sich auch Mineralwasser nicht wesentlich von Tafelwasser. Tafelwasser ist aber gut die Hälfte billiger. Wer deshalb Tafelwasser bevorzugt, kann aber erst recht Leitungswasser trinken. Wie man es also dreht und wendet: Leitungswasser ohne Plastikflasche direkt aus dem Hahn ist einfach unschlagbar im Preis-Leistungs-Verhältnis. Das bestätigen immer wieder etliche Tests.

Wenn wir jetzt Alpen-Mode-Wasser trinken, sitzen wir natürlich in der Kategorie 2.

Evian plakatiert deshalb gerade wieder für mehr Emotionen. Am Berliner Alexanderplatz gucken uns zurzeit lauter verdatterte Kleinkinder in übergroßen Erwachsenen-Klamotten von den Postern an, während den Kleinen die Evian-Flasche vor Schreck aus der Hand fällt. Goldig. Botschaft: Wer Evian trinkt, wird jünger. Claim: „Live young“. Evian als eine Art Jungbrunnen. Wer aber dann mal rechnet, bekommt graue Haare: Wer im Alter von 35 erste Fältchen an sich entdeckt und inmitten von Kategorie 2 gefangen anfängt, seinen Durst bis zu seinem Lebensende mit hoffentlich 90 Jahren mit auch nur einem einzigen Liter Evian täglich zu löschen, zahlt dafür (ohne Preissteigerungen und neue Mogelpackungen einzurechnen) 14.655 Euro. Mit Bonaqa bei gleicher Menge weniger als die Hälfte, mit Leitungswasser 40 Euro.

Jetzt können wir uns nur noch mit einem Argument aus der Kategorie 2 hieven: Geschmacksache.