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Europas Rückversicherer hoffen auf Ende des Abwärtstrends

Die Rückversicherer hoffen, dass sich die Preise für ihre Policen stabilisieren. Anzeichen dafür gibt es bereits. Doch der Markt bleibt angespannt.

Der zweitgrößte Rückversicherer der Welt hob am vergangenen Freitag seine Jahresprognose an. Foto: dpa
Der zweitgrößte Rückversicherer der Welt hob am vergangenen Freitag seine Jahresprognose an. Foto: dpa

Die Kulisse ist gediegen, die Preise sind gesalzen. Mehr als 400 Euro ruft das Baden-Badener Vier-Sterne Badhotel zum Hirsch in diesen Tagen für ein Superior-Doppelzimmer auf.

Auch die übrigen Luxushotels in der Innenstadt lassen sich eine Unterkunft für das seit Montag laufende Branchentreffen der europäischen Rückversicherer in der Kurstadt üppig bezahlen.

Zum 49. Mal in Folge treffen sich in der edlen Kulisse große und kleine Rückversicherer aus Europa mit Industrievertretern, Maklern und natürlich den Erstversicherern.

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Es geht um Kontaktpflege, aber vor allem um die Preise für die Policen für das kommende Jahr. Doch von Preisaufschlägen, wie sie die großen Hotels zu diesem Zeitpunkt durchsetzen, können die Rückversicherer vorerst weiter nur träumen.

Der Markt bleibt angesichts großer Überkapazitäten in Europa unter Druck. Doch nach schwierigen Jahren wächst in der Branche die Hoffnung, dass die Talsohle durchschritten ist.

Auf schwierigem Terrain

Jahrelang kannten die Preise für die Policen der Rückversicherer nur eine Richtung: abwärts. Die schwere Hurrikan-Serie im Jahr 2017 in den USA und der Karibik haben die seit Jahren bröckelnden Preise jedoch wieder etwas nach oben getrieben.

Schon bei der Erneuerungsrunde im Januar dieses Jahres, bei der viele Policen neu ausgehandelt werden, zogen die Preise moderat an. Im April und im Juli ging es noch deutlicher nach oben. So darf sich die Rückversicherungsbranche nach Einschätzung der Ratingagentur Standard & Poor's (S & P) wieder auf bessere Geschäfte einstellen.

„Es gibt eine spürbare Erholung nach den zuletzt nicht einfachen Jahren“, analysiert am Montag Jan-Oliver Thofern, Deutschlandchef des Rückversicherungsmaklers Aon Benfield, in Baden-Baden. Doch für Jubel in der Branche ist es zu früh.

Denn die Verbesserungen konzentrieren sich vor allem auf Japan und die USA, wo es wegen hoher Schäden zuletzt substanzielle Preiserhöhungen gab. Für viele andere Märkte gilt das nicht.

„Das Preisumfeld in Europa ist für die Branche schwieriger als anderswo. Während sich die Preise in Regionen wie den USA und Asien stabilisiert haben, steht der Markt in Europa weiter massiv unter Druck“, sagt Frank Reichelt, Deutschland- und Nordeuropa-Chef des weltweit größten Rückversicherers Swiss Re. „Wir müssen feststellen, dass die Preise nur in den Regionen reagiert haben, wo wir große Schäden hatten wie den USA und Asien.“

Dennoch geben sich die Manager auch für Heimatregion vorsichtig optimistisch. „Wir sehen keinen Spielraum für weiter sinkende Preise“, betont Doris Höpke, Vorstandsfrau des zweitgrößten Rückversicherers der Welt, des Dax-30-Konzerns Munich Re, in Baden-Baden. „Aber wir sehen gute Gründe, warum die Preise wieder steigen sollten.“

So machten die sinkenden Leitzinsen in Europa das Geschäft für die Rückversicherer deutlich teurer und auch der Klimawandel sorge dafür, dass die Höhe der Schäden tendenziell steige. Die Münchener hoffen mit digitalen Lösungen wie Datenanalyse und Künstlicher Intelligenz künftig besser Treiber für Schäden zu identifizieren und rechtzeitig die Tarife anpassen zu können, wie Höpke sagte.

Milliardenschäden durch Stürme

Die Branche weiß, dass das schwierige dritte Quartal noch Überraschungen bergen kann. Die schweren tropischen Stürme treten wetterbedingt meist erst in der zweiten Jahreshälfte auf. So dient das erste Halbjahr in der Branche generell dazu, sich ein finanzielles Polster anzulegen, ehe dann im Herbst Wirbelstürme und Großfeuer häufig das Ergebnis belasten.

„Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Rückversicherungsbranche angesichts der Tropenstürme Dorian, Faxai und Hagibis auf das dritte schwere Schadensjahr in Folge zu steuert“, mahnt Reichelt.

Wie schnell Schäden in Milliardenhöhe angerichtet werden können, bewiesen erst unlängst der Wirbelsturm Dorian, der im September mit seinen zerstörerischen Winden und Sturmfluten über den Bahamas hinwegfegte, sowie der Taifun Hagibis, der Mitte Oktober Japan und die Hauptstadt Tokio mit voller Wucht traf. Allein bei Hagibis gehen die ersten Schätzungen zum versicherten Schaden von 5 bis 10 Milliarden Dollar aus.

Die 20 größten Rückversicherer, die S & P beobachtet, könnten angesichts ihrer hohen Kapitalpolster allerdings Schäden bis zu 30 Milliarden Dollar nach Einschätzung der Ratingagentur gut stemmen.

Noch läuft es jedoch vor allem für Munich Re gut. Überraschend schob der zweitgrößte Rückversicherer der Welt am vergangenen Freitag seine Jahresprognose trotz hoher Großschäden wegen hoher Währungsgewinne und einem sehr guten Kapitalanlageergebnis auf über 2,5 Milliarden Euro an.

Für die Verhandlungsrunden in Baden-Baden könnte das für manchen Konkurrenten jedoch zur Belastung werden. Die Erhöhung der Prognose von Munich Re am Freitag „macht es für die Rückversicherer in Baden Baden nicht einfacher“, klagt ein Topmanager der Konkurrenz, der namentlich nicht genannt werden möchte. „Natürlich bekommen wir an der einen oder anderen Stelle zu hören, dass wir als Branche auf hohem Niveau jammern würden.“

Jan-Oliver Thofern kommt das durchaus gelegen. Der Vorsitzende Geschäftsführer des Rückversicherungsmaklers Aon in Deutschland hat durchaus ein Eigeninteresse daran, dass die Versicherungsraten niedrig bleiben. An einem schlichten Verhandlungstisch im Baden-Badener Kurhaus erwartet der Manager jede Stunde neue Gäste.

Anders als in Monte Carlo verhandelt er dabei in Baden-Baden erstmals über konkrete Preise. Und anders als im September können in die Kalkulationen auch Eindrücke der herbstlichen Sturmsaison einkalkuliert werden. „Der Taifun Hagibis, der über Japan hinwegfegte, verändert den Markt in Japan, aber er verursacht keine globalen Auswirkungen“, prognostiziert Thofern. Für den deutschen Rückversicherungsmarkt schließen die Aon-Experten sogar einen neuerlichen Preisrückgang von minus 2,5 Prozent nicht aus.

Optimismus in der Branche nimmt zu

Baden-Baden ist dabei die zweite Etappe in der jährlichen Vertragserneuerungsrunde. Anfang September wurde sie auf den traditionellen „Rendez-vous de Monte Carlo“ eingeleitet.

Schon dort hatten sich die deutschen Rückversicherer optimistisch gezeigt, was höhere Preise angeht. Denn der Anteil an sogenannten Alternativem Kapital, mit dem branchenfremde Investoren wie Pensionsfonds über Katastrophenanleihen und andere Vehikel im Rückversicherungsgeschäft mitmischen, ist im Rückversicherungsgeschäft nach Jahren mit stetigem Anstieg zuletzt leicht rückläufig gewesen. Doch die meisten blieben im Markt. Somit bleibt vielen Rückversicherern wenig Spielraum für höhere Preise.

Michael Pickel sieht das allerdings anders. Der Hannover-Rück-Vorstand geht im kommenden Jahr von einer positiven Prämienentwicklung im deutschen Markt aus. Vor allem Verbesserungen der Konditionen im Erstversicherungsgeschäft würden dafür sprechen, glaubt der Manager, der in Baden-Baden einen Einblick in das Geschäft von E + S Rück gibt, in dem die Deutschland-Aktivitäten der Hannoveraner gebündelt sind.

„In Anbetracht der ohnehin angespannten technischen Ertragslage und der weiter gesunkenen Zinsen sind in vielen Segmenten höhere Rückversicherungspreise unerlässlich“, sagte der Vorstandschef der E+S Rück.

Die weltweiten Aussichten für das kommende Jahr sind jedoch verhalten. Flächendeckende Preissteigerungen werde es nicht geben, erwartet die Ratingagentur Moody‘s. Die Rückversicherungspreise werden bei den Erneuerungen im kommenden Jahr voraussichtlich stabil bleiben oder nur leicht steigen. Für Preiserhöhungen auf breiter Front brauche es immer immens hohe Schäden, erklärte jüngst auch Analyst Robert DeRose von der auf Versicherungsbranche spezialisierten Ratingagentur A.M. Best.

Die Naturkatastrophen von 2017 und 2018 mit zusammen rund 248 Milliarden US-Dollar versicherten Schäden hätten dazu jedenfalls nicht ausgereicht. So fällt auch die Bewertung von Munich-Re-Finanzvorstand Christoph Jurecka im Handelsblatt-Interview zurückhaltend aus. „Noch immer ächzt der Markt unter massiven Überkapazitäten, die dafür sorgen, dass die Preise nicht wirklich zulegen“, lautet sein verhaltenes Fazit.