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„Vergessen Sie Social Distancing im Flugverkehr“ – Airports sorgen sich um die Zukunft

Ideen, wie Flughäfen virensicher gestaltet werden könnten, gibt es bereits. Doch sie können sich nicht bewähren, solange niemand fliegt.

Der Zugang zur Aussichtsplattform ist abgesperrt. Zu sehen gibt es sowieso nichts. Foto: dpa
Der Zugang zur Aussichtsplattform ist abgesperrt. Zu sehen gibt es sowieso nichts. Foto: dpa

Der Flughafen Wien bietet Reisenden seit dieser Woche an, einen Corona-Schnelltest quasi am Gate vorzunehmen. 190 Euro kostet dieser Test, das Ergebnis soll innerhalb von zwei bis drei Stunden vorliegen. Bei einem negativen Befund ist bei der Einreise keine 14-tägige Quarantäne mehr notwendig, wie dies bisher in Österreich geregelt war.

Das Angebot in Wien ist eine von vielen neuen Ideen, wie die Prozesse an den Flughäfen auf die Zeit nach dem Lockdown angepasst werden könnten. Und es gibt noch vieles mehr zu tun: lange Schlangen beim Einchecken und Einsteigen, dicht gedrängt vor der Sicherheitskontrolle, wo sich Beamte und Passagiere in der Regel sehr nahe kommen. Auch die Wartezonen vor den Flugsteigen passen nicht zu den neuen Vorgaben.

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Schon in den ersten Wochen der Krise musste deshalb nachgerüstet werden. So wurden an den kritischen Stellen etwa vor dem Check-in oder den Sicherheitskontrollen die obligatorischen Bodenmarkierungen angebracht, um die Fluggäste an die Abstandsvorgaben zu erinnern.

Außerdem gibt es regelmäßige Lautsprecherdurchsagen, mit denen die Passagiere zusätzlich sensibilisiert werden. Gleiches gilt für Anzeigen auf den Informationsbildschirmen.

Doch die wirkliche Bewährungsprobe steht noch aus. Aktuell fliegt kaum jemand. Deshalb können die wenigen Jets derzeit direkt an den sogenannten „Fingern“, den Fluggastbrücken, andocken, was das Aus- und Einsteigen im Sinne der Abstandsregeln deutlich erleichtert. Wie aber sollen Fluggäste etwa mit dem Bus zu den Jets gefahren werden, wenn die Flugzeuge auf dem Vorfeld warten müssen, weil die Kapazität dieser Fluggastbrücken erschöpft ist?

„Vergessen Sie Social Distancing, das funktioniert im Flugverkehr genauso wenig wie in irgendeiner anderen Form des öffentlichen Transports“, sagt John Holland-Kaye, der Chef von Europas größtem Airport, London Heathrow.

Maßnahmen wie etwa das Abstandhalten seien auf den eng verplanten Flächen schwer umzusetzen: „Die Schlange der Passagiere beim Einsteigen für nur einen einzigen Jumbojet wäre einen Kilometer lang.“

Hinzu kommt die betriebswirtschaftlich angespannte Situation vieler Flughäfen. Schon in den vergangenen Jahren haben die Airports mit der Abfertigung der Flugzeuge kaum noch Geld verdient. Das fließt vor allem mit den Besuchen der Passagiere in den Läden und den gastronomischen Betrieben in die Kassen der Flughäfen. Zurzeit sind diese Geschäfte aber alle geschlossen.

So verlieren auch die Flughäfen in der aktuellen Krise Tag für Tag viel Geld. Die Passagierzahlen, die Fraport für den größten deutschen Flughafen meldet, sind furchteinflößend: minus 80 Prozent, minus 90 Prozent, minus 95 Prozent, minus 97 Prozent – von Woche zu Woche wird das Defizit größer. „Die Luftfahrt wird nach Corona eine andere sein“, glaubt auch Fraport-Chef Stefan Schulte.

Derzeit müssen die meisten Flughäfen offen bleiben, damit Notfallflüge oder Chartermaschinen landen können. Die Betriebskosten laufen entsprechend weiter.

Wie schwer es der Politik fällt, die „Verkehrsplätze“, die in der Regel den Kommunen, den Ländern und manchmal teilweise auch dem Bund gehören, zu schließen, zeigt das Beispiel Berlin. Obwohl die Hauptstadt mit Tegel und Schönefeld über zwei Flughäfen verfügt, stritten die Gesellschafter über Wochen, ob Tegel zur Kostenentlastung vorübergehend geschlossen werden kann.

Erst vor wenigen Tagen gab es eine Einigung, dass Tegel nun tatsächlich vorübergehend geschlossen wird. Ob der Flughafen überhaupt jemals noch mal wieder öffnet, ist mehr als fraglich. Im Herbst soll der neue Flughafen BER in Betrieb gehen.

Erst verspätete sich das Bauvorhaben um neun Jahre, und jetzt, wo der Flughafen endlich fast fertig ist, da braucht ihn zumindest derzeit kaum jemand. Auch das gehört zur neuen Wirklichkeit.

Der Flughafenverband ADV fordert nun vonseiten des Staats die Übernahme der sogenannten Vorhaltekosten, also jenes Aufwands, der für die Betriebsbereitschaft anfällt. Auf 170 Millionen Euro pro Monat schätzt der Verband die dafür notwendige Summe.

„Wenn Flughäfen in schwierigen Zeiten ihre Funktion der Daseinsvorsorge im Interesse Deutschlands erfüllen, erwarten wir von Bundesregierung und Landesregierungen, dass den Flughäfen geholfen wird“, sagt Ralph Beisel, der Hauptgeschäftsführer des ADV.

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Daneben böte die Krise die Gelegenheit, die Flughafeninfrastruktur in Deutschland grundsätzlich zu überdenken. Es gibt zu viele Airports, vor allem kleine Flughäfen schrieben schon vor der Krise rote Zahlen.

Der Hintergrund: Für viele Regionalpolitiker ist ein lokaler Flughafen immer noch ein wichtiges Symbol für globale Freiheit und Vitalität. Ob sich diese Symbole angesichts einer schrumpfenden Nachfrage weiter finanzieren lassen, darf bezweifelt werden, dauerhafte Stilllegungen sind nicht ausgeschlossen, sondern sehr wahrscheinlich.

Die Flughäfen haben auch selbst bereits reagiert und halten das Geld wo immer möglich zusammen. Projekte werden entsprechend gestoppt, in München etwa der Bau eines neuen Parkhauses oder der neuen Konzernzentrale und in Stuttgart der Ausbau des Terminals.

Zu all diesen Problemen der Flughafenbetreiber gesellen sich weitere im direkten Umfeld der Airports: Die Krise hat auch die sogenannten Bodenverkehrsdienste in Bedrängnis gebracht, die die Jets be- und entladen und das Gepäck auf die Bänder wuchten. Auch wenn sie in den zurückliegenden Wochen kaum etwas zu tun hatten, die Mieten etwa für Standflächen auf dem Vorfeld oder in den Hallen mussten weiter bezahlt werden.

„Wenn die Airlines und Airports überleben, kann es sein, dass der Flugverkehr nach der Krise trotzdem nicht direkt wieder auf die Beine kommt, weil es der eine oder andere Groundhandler nicht geschafft hat“, warnt bereits Eric Born, Chef von Swissport, dem weltweit größten Bodenverkehrsdienstleister.
Mitarbeit: Silke Kersting, Kerstin Leitel