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Urheberrechtsschutz vs. freies Netz – EU-Parlament muss heute entscheiden

Am Mittwoch stimmt das Europäische Parlament über die Reform des Urheberrechts ab. Eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung ist nicht in Sicht.

In der Debatte um die europäische Urheberrechtsreform ist Axel Voss der Buhmann. Seit Wochen erläutert er seine Position wieder und wieder. Er klickt sich durch die Hassmails in seinem Posteingang. Und allein am vergangenen Wochenende prüfte er 166 Änderungsanträge. Voss, Europaabgeordneter für die CDU und die Europäische Volkspartei EVP, ist die zentrale Figur einer Diskussion, die sich seit zwei Jahren im Kreis dreht.

Die Reform soll Verlegern mehr Rechte bringen – und hat nicht nur den Unmut der Netzgemeinde auf sich gezogen, auch viele Abgeordnete sind aufgebracht. Die Meinungsverschiedenheiten ziehen sich durch alle Fraktionen und Länder. Dabei sollte das Thema schon längst vom Tisch sein.

Mit knapper Mehrheit hatte das Parlament die Reformvorschläge im Juli abgelehnt – eine Klatsche für Voss, der als Berichterstatter im Rechtsausschuss das Thema verantwortet. Viele werfen ihm eine zu große Verlegernähe vor, andere zu wenig digitale Kompetenz. Nun geht es an diesem Mittwoch nach einer langwierigen Debatte im Parlament in eine erneute Abstimmungsrunde, bei der niemand voraussehen kann, wie das Ergebnis aussehen wird.

Artikel 11 wird von der Gegenseite als „Link-Steuer“ verschrien und besagt, dass Unternehmen zahlen müssen, wenn sie veröffentlichte Online-Artikel vollständig oder Ausschnitte davon nutzen wollen. Es ist der Versuch, dem in Deutschland und in Spanien gescheiterten Leistungsschutzrecht eine europäische Dimension zu verleihen: 2013 trat das Leistungsschutzrecht in Deutschland in Kraft; doch schon ein Jahr später erlaubten etliche Verlage Google, ihre Inhalte trotzdem umsonst zu verwenden.

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Ihre Artikelvorschauen wären andernfalls nicht mehr dargestellt worden. In Spanien bedeutete das Leistungsschutzrecht das Ende von Google News: Da der US-Konzern nicht zahlen wollte, schaltete er den Dienst ab. Der Wunsch nach einer europäischen Lösung wurde stärker. „Das Gesetz soll ein Zeichen setzen, dass man journalistische Inhalte im Netz nicht einfach verwenden kann“, sagte etwa Matthias Döpfner, Vorstandsvorsitzender von Axel Springer, vergangene Woche auf einer Konferenz in Brüssel.

Voss‘ Verbesserungsvorschlag sieht nun vor, dass Links beim Teilen im Internet künftig ausschließlich mit „individuellen Worten“ kombiniert werden dürfen. Für mehr – also zum Beispiel für Überschrift, Teaser und Textausschnitte – müssen Lizenzen erworben werden.

Kritiker fürchten Katastrophe für Wikipedia

Privatpersonen sind von dem Vorschlag zwar ausgenommen, dennoch sorgt der Vorschlag für viel Kritik. „Für Webseiten wie Wikipedia ist das eine Katastrophe“, sagt die Europaabgeordnete Julia Reda von der Piratenpartei, die in der Debatte als Voss‘ Antagonistin auftritt. „Sogar ein bloßes Zitat könnte eine Urheberrechtsverletzung sein.“

Auch besteht die Gefahr, dass in den sozialen Netzwerken zukünftig nur noch Artikel von bestimmten Webseiten geteilt werden können – nämlich von denen, die den Netzwerken einen Lizenzkauf wert waren. Das werden in der Regel reichweitenstarke Medien sein, die die breite Masse ansprechen.

Die Medienvielfalt werde dementsprechend beschnitten – mit dem unangenehmen Nebeneffekt, dass es US-amerikanische Konzerne sind, die nach rein wirtschaftlichen Aspekten wählen, was verbreitet werden kann. So die Befürchtung. „Das Leistungsschutzrecht ist für kleine Verlage eher eine Katastrophe“, ist sich Reda sicher. Noch umstrittener ist allerdings Artikel 13.

Eigentlich soll Artikel 13 das Urheberrecht auf Plattformen stärker schützen. Er besagt, dass Youtube, Instagram oder Facebook dafür haftbar sind, wenn auf ihnen Inhalte verbreitet werden, an denen sie keine Rechte haben. Das Problem: „Das Wesen einer offenen Plattform liegt darin, dass der Plattformbetreiber die Inhalte nicht selbst auswählt und daher auch nicht kontrollieren kann, welche Rechte genutzt werden“, sagt Albrecht Conrad, Partner und Urheberrechtler bei der Kanzlei Hengeler Mueller. Zwar würden die Plattformen Rechte einholen. „Aber sie können sich nie sicher sein, dass sie alle Rechte erworben haben.“

Um zu verhindern, dass Urheberrechtsverstöße auf ihren Plattformen passieren, müssten die Portale also eine Software installieren, die schon vor dem Hochladen prüft, ob ein Verstoß vorliegt – und den Upload dementsprechend zurückweisen. Dies brachte Voss einen Shitstorm ein.

Kleine Plattformen fürchten hohe Kosten

Einen automatisierten Upload-Filter zu programmieren kostet etwa 50 Millionen Euro – eine Summe, die Google bezahlen kann, kleinere Plattformen oder Start-ups hingegen nicht. Mit der Konsequenz, dass kleine Firmen Uploads nur noch von solchen Personen zulassen würden, bei denen sie sicher sein können, dass sie nicht gegen das Recht verstoßen. Darunter könnten auch viele rechtschaffene Nutzer leiden.

„Wenn diese Folgen eintreten werden, dann haben wir die offenen Plattformen abgeschafft“, ist sich Urheberrechtler Conrad sicher. „Wenn die Haftung der Plattformbetreiber dazu führt, dass diese den Upload beschränken, würde dies die Konzentration in der Inhalte- und Kulturbranche vorantreiben.“

Dabei gilt es als unstrittig, dass Europa eigene große Plattformen bräuchte, damit das Digitalgeschäft der Zukunft nicht allein den Amerikanern gehört, deren Macht man mit der Gesetzesvorlage eigentlich beschränken wollte.