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„Regelverstöße müssen Konsequenzen haben“

Mit deutlichen Worten hat der Chef der Bundesbank, Jens Weidmann, kritisiert, dass Spanien und Portugal trotz hoher Etatdefizite keine Strafen erhalten. Damit attackiert er indirekt Bundesfinanzminister . „Regelverstöße müssen irgendwann Konsequenzen haben. Nach meiner Auffassung sind die Kommission und der Europäische Rat nicht konsequent genug“, erläuterte Weidmann im Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“.

Die Finanzminister der Europäischen Union (EU) hatten Ende Juli entschieden, auf Strafzahlungen zu verzichten, die die entsprechenden Regeln eigentlich vorsehen. Dies geschah mit ausdrücklicher Billigung Schäubles, der sich dem Vernehmen nach um die Stabilität der Regierungen in beiden Ländern sorgte.

Weidmann sagt, durch ein solches Vorgehen würden „die Regeln zu einer Schönwetterveranstaltung und entfalten keine Bindungswirkung“. Zudem leide die Akzeptanz der EU bei den Bürgern, wenn Regeln, „die wir uns gemeinsam gegeben haben, nicht eingehalten werden.“

Gelassen hingegen reagierte der Notenbankchef auf die möglichen Folgen des Brexit-Votums. Die Entscheidung der Briten für einen Austritt aus der EU wirft aus seiner Sicht den Konjunkturaufschwung in der Euro-Zone nicht aus der Bahn. Der wirtschaftliche Ausblick für den Währungsraum ändere sich durch das Votum nicht grundlegend, sagte Weidmann im Interview.

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„Es dürfte zwar einen kleinen Dämpfer geben, aber insgesamt wird sich die Aufwärtsbewegung fortsetzen.“ Es sei allerdings noch zu früh, um eine verlässliche Aussage darüber zu treffen, was das für die Preisentwicklung bedeute. Darüber werde sicherlich auf den nächsten Sitzungen des EZB-Rats diskutiert.

Die Zinsen seien schon jetzt sehr niedrig, die Finanzierungsbedingungen kein wirkliches Investitionshemmnis, sagte Weidmann. „Und klar ist auch: Die Wirkung der ultralockeren Geldpolitik nimmt mit der Zeit ab, und die Risiken und Nebenwirkungen nehmen zu.“

Allerdings sei die Unsicherheit derzeit ausgeprägt, und es müssten die nächsten Konjunkturindikatoren abgewartet werden, um die Konsequenzen des Brexit-Votums besser abschätzen zu können. Die Europäische Zentralbank (EZB) entscheidet im September das nächste Mal über den Leitzins für die Euro-Zone.

In Großbritannien steuert die Wirtschaft nach dem Votum für ein Ausscheiden aus der Europäischen Union dagegen auf den stärksten Konjunktureinbruch seit sieben Jahren zu. Experten rechnen daher damit, dass die britische Notenbank diesen Donnerstag ihren Leitzins senkt, um das Wachstum zu stützen.


Anleihekaufprogramm vorsichtig modifizieren

In dem Interview plädiert Bundesbankchef Weidmann zudem dafür, bei möglichen Änderungen am großen Staatsanleihen-Kaufprogramm der EZB – im Fachjargon „QE“ genannt – das grundsätzliche Design der Käufe beizubehalten. Es gebe Anpassungsmöglichkeiten. „Wir müssen aus meiner Sicht aber sehr vorsichtig bei der Ausgestaltung sein“, sagte Weidmann, der das Programm generell kritisch sieht.

Die Länderquoten nach Kapitalanteilen an der EZB seien beispielsweise sinnvoll und zielten auf die Einheitlichkeit der Geldpolitik ab. „Verstärkt Anleihen von Ländern mit besonders hoher Verschuldung oder schlechterer Bonität zu kaufen, würde uns vom Kern unseres Mandats weiter entfernen.“

Bislang orientiert sich die EZB bei den Anleihekäufen von 80 Milliarden Euro monatlich an ihrem Kapitalschlüssel. Das heißt, dass mehr Anleihen jener Länder aufgekauft werden, die der Notenbank mehr Eigenkapital zur Verfügung stellen. Dadurch entfällt ein großer Anteil der Käufe auf Bundesanleihen. Die EZB musste allerdings zuletzt immer mehr deutsche Schuldtitel für ihr Kaufprogramm wegen zu niedriger Zinsen ausschließen. Das Brexit-Votum hatte diesen Renditerückgang noch beschleunigt. Nach Einschätzung von Analysten drohen am Markt deshalb Bundesanleihen allmählich knapp zu werden.


Schützenhilfe für die Deutsche Bank

Den Vorwurf, von der Deutschen Bank gingen besonders hohe Risiken für die Finanzstabilität aus, wies der Bundesbankpräsident zurück. In diesem Sinne war eine Studie des Internationalen Währungsfonds interpretiert worden. Er äußere sich zwar aus Prinzip nicht zur Lage einzelner Institute, sagte Weidmann. Er glaube aber, dass die Studie des Währungsfonds fehlinterpretiert wurde. Sie habe „nicht die Solidität einzelner Banken untersucht, sondern deren Bedeutung für das internationale Finanzsystem“.

Es sei immer klar gewesen, dass sich wegen der Größe der und dem hohen Grad der Vernetzung mit anderen Finanzunternehmen mögliche Probleme des Geldinstituts auf die Stabilität des Gesamtsystems auswirken würden. „Die Deutsche Bank ist in hohem Maße systemrelevant, das war die Aussage des Berichts“, sagt Weidmann.

Allerdings stünden die Banken in Deutschland „vor Herausforderungen“, sagte Weidmann. Sie litten unter einer „strukturellen Ertragsschwäche“, und das Niedrigzinsumfeld schmälert die Erträge weiter. „Dieser Effekt wird in Zukunft stärker zutage treten, weil die Banken im Moment noch viele, früher vergebene, höher verzinste Kredite in ihren Büchern stehen haben“, prognostizierte der Notenbankpräsident.

KONTEXT

Was der Brexit für die britische Wirtschaft bedeutet

Hintergrund

Die britische Wirtschaft muss sich nach dem Brexit-Votum auf schlechtere Geschäfte einstellen. Im schlimmsten Fall würde durch den EU-Abschied der Freihandel gestoppt, Regeln für den Binnenmarkt wegfallen und Zollschranken errichtet. Die folgenden Konsequenzen erwarten Experten für die britische Wirtschaft.

Wachstum

Finanzminister George Osbourne befürchtet eine "hausgemachte Rezession": Binnen zweier Jahre könnte die Wirtschaftsleistung um bis zu sechs Prozent niedriger ausfallen als bei einem Verbleib in der EU. Bis 2020 summieren sich die Wachstumsverluste demnach auf bis zu 9,5 Prozent. Die Bank of England befürchtet einen "merklichen Abschwung" bis hin zu einer Rezession. Auch internationale Organisationen wie die OECD und der IWF rechnen mit spürbaren Einbußen im Vergleich zu einem EU-Verbleib.

Jobs

Die Arbeitslosenquote liegt derzeit auf dem Zehn-Jahres-Tief von 5,0 Prozent. Die meisten Experten rechnen damit, dass sie nach dem EU-Abschied steigen dürfte. Anhänger des Brexit-Lagers argumentieren hingegen, dass durch den Wegfall von EU-Vorschriften neue Jobs entstehen könnten.

Löhne

Sie dürften bis 2030 real zwischen 2,2 und 7,0 Prozent niedriger ausfallen als bei einem EU-Verbleib, schätzen Experten des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der britischen Denkfabrik National Institute of Economic and Social Research.

Handel

Großbritannien riskiert nach den Worten des französischen Präsidenten Francois Hollande bei einem Brexit seinen Zugang zum EU-Binnenmarkt. US-Präsident Barack Obama betonte, dass sich Großbritannien nach einem Brexit in der Warteschlange für ein bilaterales Handelsabkommen mit den Vereinigten Staaten "hinten anstellen" muss. Darunter könnten die britischen Exporteure leiden.

Leistungsbilanz

Großbritannien konsumiert mehr als es produziert. Mit 5,2 Prozent der Wirtschaftsleistung erreichte das Defizit in der Leistungsbilanz schon im vergangenen Jahr einen Rekordwert. Um diese Lücke zu schließen, ist das Land auf ausländisches Geld angewiesen. Ob dieses nach dem Brexit noch so zahlreich auf die Insel fließt, halten viele Experten für fraglich. Notenbankchef Mark Carney sagte, ein Brexit könnte "die Freundlichkeit von Fremden" testen, die das Defizit bislang ausgleichen.

Währung

Das britische Pfund verzeichnete nach dem Referendum den heftigsten Kursverlust zum Dollar seit mindestens 40 Jahren. Der Kurs liegt derzeit bei etwa 1,38 Dollar, doch könnte er nach Prognose von Experten wie Starinvestor George Soros bis auf 1,15 Dollar fallen. Ein billiges Pfund macht britische Produkte anderswo billiger, verteuert aber Importe und kann so zu höherer Inflation und sinkender Kaufkraft führen.

Geldpolitik

Die britische Notenbank rechnet mit einer Zeit der Unsicherheit. Sie steht deshalb zum Eingreifen bereit. Zur Geldversorgung der Finanzwirtschaft könnten zusätzliche 250 Milliarden Pfund abgerufen werden. Wenn notwendig, will die Bank of England auch erhebliche Liquidität in Fremdwährungen bereitstellen. Experten rechnen auch mit Zinssenkungen.

Kreditwürdigkeit

Der Abschied Großbritanniens aus der EU kann der Ratingagentur Moody's zufolge die Kreditwürdigkeit drücken. "Das Ergebnis bedeutet eine längere Zeit der politischen Unsicherheit, die auf der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit des Vereinigten Königreichs lasten wird", erklärte Moody's. Das wiederum sei negativ für die Bonität. Moodys's bewertet die Kreditwürdigkeit Großbritanniens derzeit eine Note unter der Bestnote AAA. Wird das Rating herabgestuft, kann das höhere Kosten bei der Schuldenaufnahme zur Folge haben.