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Die EU sollte weiter Medizinprodukte in Asien kaufen

Internationale Lieferketten leiden unter der Coronapandemie: Toilettenpapier und medizinische Masken wurden letztes Jahr knapp. Eine lokale Produktion wäre trotzdem nicht richtig.

Dr. Jan Cernicky ist bei der Konrad-Adenauer-Stiftung zuständig für internationalen Handel und Wirtschaft. Er leitet zuvor die Auslandsbüros der Stiftung Kenia und Demokratische Republik Kongo.

Wer dieser Tage die Zeitungen aufschlägt, kommt nicht an dem Eindruck vorbei, die Coronapandemie habe langjährige Gewissheiten in Bezug auf den Freihandel umgekehrt: So verkündete Gesundheitsminister Jens Spahn Ende November, dass dezentrale Lager mit Gesundheitsgütern „made in Germany“ aufgebaut würden. Auf europäischer Ebene wird der schwammige Begriff der „strategischen Autonomie“ in verschiedensten Kontexten gebraucht. Binnenmarktkommissar Breton forderte Anfang Februar, dass Europa bis 2022 alle seine Impfstoffe selbst herstellen müsse.

Stimmt es, dass die starke internationale Vernetzung die europäische und insbesondere die deutsche Wirtschaft verletzlicher gemacht hat? Und ist es tatsächlich eine Lösung, wichtige medizinische Güter nur noch in Europa herzustellen?

Die wissenschaftliche Antwort auf die erste Frage ist: ein wenig. So zeigt das Ifo-Institut in einer aktuellen Studie, dass der Einbruch der Wirtschaft infolge der Coronapandemie in einer Welt ohne internationalen Handel tatsächlich etwas schwächer gewesen wäre. Um 7,5 Prozent wäre das BIP eingebrochen anstatt um 9,1 Prozent – ein marginaler Unterschied. Zum Vergleich: Ohne internationalen Handel wäre das Niveau der Wirtschaftsleistung 20 Prozent geringer – und das wäre ganz und gar nicht marginal!

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Nun mag man aber einwenden, dass in der wirklichen Welt durchaus das Toilettenpapier knapp wurde und im März medizinische Masken nicht ausreichend verfügbar waren. Aber eine lokale Produktion ist nicht die richtige Antwort! Denn zum einen war bisher kaum zu beobachten, dass Lieferketten gerissen wären. Ein Bericht des Instituts der Deutschen Wirtschaft aus dem Juli zeigt, dass sich nur rund zehn Prozent der deutschen Betriebe Sorgen um ihre internationalen Lieferketten machen. Zum anderen liegt das Problem woanders: Der Mangel entstand, weil die Nachfrage stieg – und zwar unvorhersehbar stark. In den letzten Jahrzehnten war die Nachfrage nach Toilettenpapier oder medizinischer Ausrüstung sehr gleichmäßig. Entsprechend ist Produktion und Distribution organisiert. Durch die Pandemie beziehungsweise durch irrationale Hamsterkäufe entstand eine völlig unübliche Nachfrage, die vorübergehend nicht bedient werden konnte.

Würde Deutschland seine medizinischen Masken nur lokal beziehen, hätte das nicht geholfen, denn auch die lokalen Produzenten wären von der hohen Nachfrage überrascht worden. Die internationale Vernetzung hat sich im Gegenteil sogar als hilfreich erwiesen. Denn als Mitte Januar kurzfristig über die Pflicht von FFP2-Masken beim Einkaufen und im öffentlichen Nahverkehr entschieden wurde, waren diese tatsächlich erhältlich. Dies ist auch der internationalen Verflechtung zu verdanken! Ein Blick in die eigene FFP2-Maske zeigt: meist ist sie „made in China“.

Ein weiterer Grund, der gegen eine lokale Produktion spricht, ist: Produkte würden mehr kosten. Sie werden ja gerade aus dem Ausland bezogen, weil sie dort günstiger zu produzieren sind. Würde man beschließen, medizinische Masken in Deutschland herstellen zu lassen, wären diese deutlich teurer. Würden medizinische Masken hier hergestellt, profitierten zwar die hiesigen Unternehmen und deren Mitarbeiter. Die Mehrkosten würde die Allgemeinheit tragen: durch teurere Masken für jeden Einzelnen oder durch steuerliche Zuschüsse, um die Preise niedrig zu halten. Das wäre vor allem unsozial, da Geringverdiener am meisten unter den hohen Kosten leiden würden. Die Antwort auf die zweite Frage ist also: Es ist keine Lösung, unprofitable lokale Produktionen aufzubauen und diffus mit „buy european“ zu argumentieren, um sich in Bezug auf strategisch wichtige Güter sicherer zu fühlen.

Lieferengpässe kann man natürlich trotzdem nie sicher ausschließen. Wir können diese aber auffangen, wenn wir Lieferketten diversifizieren und verschiedene Zulieferer aus verschiedenen Regionen haben. Denn meistens sind nicht alle Regionen der Welt gleichzeitig betroffen und so bleiben dann Lieferanten übrig. Aktuell ist die von der Pandemie am wenigsten betroffene Region übrigens Ostasien. Doch auch dies gibt keine hundertprozentige Sicherheit vor Lieferschwierigkeiten und schon gar nicht vor Nachfrageschocks. Um dem vorzubeugen, sollten Staat und Unternehmen wichtige Güter zu guten Konditionen en masse einkaufen und einlagern. Dies hilft dann auch, wenn eine plötzlich veränderte Nachfrage auftritt. Woher die Güter kommen, das sollte der Preis und die Qualität entscheiden.

Mehr zum Thema: Eklat wegen des Lieferkettengesetzes: Peter Altmaiers Ressort erhebt schwere Vorwürfe und zieht seine Zustimmung zum mühsam erreichten Konsens wieder zurück.