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Warum die EU es nicht schafft, ein Machtwort gegen die Türkei zu sprechen

An diesem Montag beraten die EU-Außenminister wieder über Sanktionen gegen die Türkei. Sonderlich beunruhigen wird dies Ankara vermutlich jedoch nicht.

Es war ein Tag, wie er in Brüssel häufiger vorkommt: Hubschrauber kreisten über dem EU-Viertel, die Polizei stoppte den Verkehr, um unter Blaulicht und Sirenengeheul eine schwarze Wagenkolonne durch die Straßen zu lotsen. Das Besondere an jenem Tag: Bei einem der vorbeirasenden schwarzen Autos flatterten zwei türkische Fähnchen an der Motorhaube: Recep Tayyip Erdogan war in der Stadt.

Ein halbes Jahr liegt dieser Tag mittlerweile zurück. Der Anlass für Erdogans Besuch war ein weiterer Tiefpunkt der EU-Türkei-Beziehungen. Damals öffnete Erdogan für Migranten die türkische Grenze zu Griechenland – um im Flüchtlingsstreit mit der EU Druck auszuüben.

Nun sind die Beziehungen erneut an einem Tiefpunkt. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell spricht gar von einem „historischen Wendepunkt“, dessen Ausgang vom Verhalten der türkischen Führung in den nächsten Tagen abhänge.

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Die Türkei beansprucht Teile neuer Gasvorkommen im Mittelmeer, die Griechenland und Zypern zu ihrem Hoheitsgebiet zählen. Schon vor über einem Jahr verhängte die EU in der Acta Zypern die ersten Strafmaßnahmen – gekümmert haben sie Ankara wenig. Im Gegenteil: Das Verhalten wurde immer aggressiver und damit die Gefahr einer militärischen Eskalation immer größer.

Deswegen könnte die EU diese Woche weitere Sanktionen verhängen, die – insbesondere nach dem Willen Zyperns – diesmal die Türkei wirklich treffen sollen: zum Beispiel im wirtschaftlichen Bereich.

Doch ob es wirklich so kommt, ist anzuzweifeln. Borrell hat in der Sache keine Entscheidungsbefugnis: Über Sanktionen entscheiden die Mitgliedstaaten – und zwar alle einstimmig.

Das große Dilemma des Staatenverbundes: Die Türkei ist ein Partnerland, ein potenzielles EU-Mitglied, ein militärischer Verbündeter von 21 EU-Ländern, außerdem von großem strategischem Interesse – geopolitisch, sicherheitspolitisch und auch innenpolitisch.

Dennoch ist das Verhältnis zur Türkei innerhalb der EU gespalten: Während zum Beispiel Frankreich und Österreich der Türkei sehr kritisch gegenüberstehen und insbesondere aus Wien immer wieder die Forderung kommt, man solle die de facto eingefrorenen EU-Beitrittsgespräche mit Ankara endlich auch offiziell abbrechen, wollen sich andere die Loyalität des Landes nicht verspielen.

Ein Beispiel dafür ist Deutschland. Berlin, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat und damit dafür zuständig ist, innerhalb der Mitgliedsländer Kompromisse zu finden, will sich nicht zu Sanktionen gegen die Türkei drängen lassen.

Und erst recht nicht dazu, die Beitrittsgespräche offiziell abzubrechen, wie es einige christdemokratische Europaabgeordnete jüngst wieder forderten. Diplomaten befürchten, dass Erdogan dieses Vorgehen innenpolitisch ausschlachten könnte, um seine osmanische Politik fortzusetzen oder gar auszubauen.

Osteuropäische Länder stellen sich nicht gern gegen Erdogan

Berlin will dagegen lieber die westlich orientierte Opposition gegen Erdogan stärken. Zum anderen will die deutsche Diplomatie nicht Teile der vier Millionen in Deutschland lebenden Türken provozieren und damit innenpolitische Probleme erschaffen.

Auch die osteuropäischen Länder stellen sich nicht gern gegen Erdogan. Das ist mit ihrer Angst vor Russland zu begründen. So sind Erdgas- und Erdölpipelines, die aus dem zentralasiatischen Raum durch die Türkei nach Europa führen und somit russisches Herrschaftsgebiet umgehen, ein willkommenes Mittel, um die Macht des Riesenreichs einzudämmen.

Allerdings: Die osteuropäische Angst vor Russland will nun wiederum Zypern für seine Sanktionsinteressen gegen die Türkei ausnutzen. So blockiert der Inselstaat derzeit Sanktionen gegen Unterstützer des weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko, auf die vor allem die Osteuropäer drängen. Nikosias gewollter Kuhhandel: Ja zu Weißrusslandsanktionen im Gegenzug zu einem Ja zu härteren Türkeisanktionen.

Vielleicht kommt Nikosia damit durch. Wahrscheinlicher ist aber, dass es bei der Gemengelage nationaler Interessen keine harten Sanktionen geben wird – weder gegen die Türkei noch gegen Weißrussland. Und so werden wieder zwei autokratische Herrscher glimpflich davonkommen.