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Ein Türsteher für Europa: Vestager forciert Subventionskontrolle

Die EU-Kommission will Unternehmen aus Drittstaaten künftig strikter auf verbotene Staatshilfen überprüfen – vor allem, aber eben nicht nur aus China.

Die Vizepräsidentin der EU-Kommission möchte nicht mehr jeden einfach so in den „Club Europa“ lassen. Foto: dpa
Die Vizepräsidentin der EU-Kommission möchte nicht mehr jeden einfach so in den „Club Europa“ lassen. Foto: dpa

Margrethe Vestager hat wohl kräftig gebaute Türsteher vor Augen, als sie die Parallele zieht: Wer einen Club betreibe und Ärger vermeiden wolle, der kontrolliere besser am Eingang, wer hineinwolle, sagte die für Wettbewerb zuständige Vizepräsidentin der EU-Kommission. Und stelle sicher, dass Besucher die Hausregeln beachteten.

Der Club, den Vestager im Sinn hat, ist der europäische Binnenmarkt, und die Gäste sind Unternehmen aus anderen Erdteilen, die dort Geschäfte machen wollen. Geht es nach der Kommissarin, sollen diese Besucher deutlich gründlicher kontrolliert werden als bislang. Und zwar darauf, ob sie nach den Hausregeln verbotene Staatshilfen mit sich führen.

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„Wir haben Transparenz und Kontrolle über Beihilfen in der EU“, sagte Vestager, als sie am Mittwoch das Weißbuch der Kommission zur Subventionskontrolle vorstellte. „Über ausländische Subventionen haben wir keinerlei Kontrolle und keine Transparenz.“ Diesen Zustand gelte es zu ändern, und zwar durch neue Instrumente für europäische und nationale Aufsichtsbehörden. Dies sei nötig, um fairen Wettbewerb zu gewährleisten.

Die EU-Staats- und -Regierungschefs hatten die Kommission im vergangenen Jahr beauftragt, neue Werkzeuge zu entwickeln. Dahinter steht die Sorge, dass vor allem chinesische Unternehmen die vielfältigen Hilfen Pekings nutzten, um in Europa Hightech-Firmen wie den Roboterbauer Kuka aufzukaufen, Marktanteile zu erobern oder sich öffentliche Bauaufträge zu sichern. Auch die Industrie hatte schärfere Instrumente gegen eine Wettbewerbsverzerrung aus China gefordert.

Handlungsbedarf besteht

Das Weißbuch der Behörde enthält konkrete Vorschläge, zu denen Regierungen, Industrie und andere Interessierte nun bis Mitte September Stellung beziehen können. Einen detaillierten Regulierungsvorschlag will die Kommission im kommenden Jahr vorlegen. Die Unterstützung ist groß: „Die Mitgliedsstaaten sind sich einig darin, dass es Handlungsbedarf gibt“, sagte ein EU-Diplomat.

Analog zur Zugangskontrolle schlägt Vestager eine Meldepflicht für Unternehmen vor, die sich mithilfe ausländischer Regierungen an Unternehmen in der EU einkaufen wollen. Die Investoren müssten demnach an bestimmten Schwellenwerten gegenüber der Kommission erklären, welche Subventionen sie erhalten haben. Als mögliche Schwelle nennt die Kommission einen Jahresumsatz des Übernahmeobjekts von 100 Millionen Euro, auch Faktoren wie das Wachstumspotenzial könnten eine Rolle spielen. Damit will die Behörde auch hoffnungsvolle Start-ups erfassen können.

Finden Kommission oder nationale Aufsichtsbehörden Hinweise auf eine wettbewerbsverzerrende Wirkung der Subventionen, könnten sie demnach eine vertiefte Untersuchung einleiten – analog zur etablierten Fusionskontrolle. Räumen beteiligte Firmen die Sorgen nicht durch Zugeständnisse wie den Verkauf von Geschäftsteilen aus, könnte die Kommission den Deal verbieten.

Einschreiten können sollen die Behörden auch bei Geschäften von Unternehmen, die schon länger auf dem europäischen Markt tätig sind. Haben sie Hinweise etwa von Konkurrenten, dass die Firmen dank versteckter Staatshilfen etwa zu Billigstpreisen anbieten, können sie Auskunft verlangen. Kooperieren die Firmen nicht, sollen Strafen drohen. Die Schwelle für zu meldenden Hilfen läge hier wie bei den EU-Beihilferegeln bereits bei 200.000 Euro über drei Jahre. Stuften die Behörden die Hilfen als wettbewerbsverzerrend ein, könnten sie Ausgleichszahlungen in den nationalen oder EU-Haushalt anordnen, sagte Vestager. Wenn die positiven Effekte einer Investition allerdings auf Arbeitsplätze die negativen überwögen, solle diese erlaubt werden.

Auch Südkorea ein Thema

Binnenmarktkommissar Thierry Breton betonte, es gehe nicht darum, ausländische Investoren abzuschrecken. „Jeder ist willkommen, bei uns Geschäfte zu machen und zu investieren“, sagte er. „Aber er muss auch unsere Regeln respektieren.“ Das gelte nicht nur für China. In der Mikroelektronik etwa seien Subventionen Südkoreas für die heimischen Hersteller ein Riesenthema, sagt der Beihilferechtsexperte der Kanzlei Gleiss Lutz, Ulrich Soltész.

Bundesregierung und Industrie begrüßten die Kommissionspläne. Ein Sprecher von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) verwies darauf, der Minister habe bereits im Juli 2019 mit seinen französischen und polnischen Amtskollegen die Kommission gebeten, die Besonderheiten staatlich kontrollierter und subventionierter Unternehmen aus Drittstaaten besser zu berücksichtigen. „Mit dem Weißbuch wird diese Forderung nun aufgegriffen“, sagte ein Sprecher. Man werde die Vorschläge jetzt genau prüfen und die Debatte während der deutschen Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr vorantreiben.

BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang sagte, es sei gut, dass die Kommission jetzt Vorschläge vorlege. „Bei Übernahmen vorab mehr Transparenz bei der Finanzierung einzufordern ist ein guter Ansatz.“ Es dürfe aber nun nicht zu einer nachträglichen Fusionskontrolle und Eingriffen in Unternehmensstrukturen kommen.

Experte Soltész erwartet, dass die neuen Regeln erheblichen Mehraufwand für die betroffenen Firmen bedeuten. „Unternehmen müssen bei einem Zusammenschluss ein zweites vollwertiges Anmeldeverfahren durchlaufen, wie bei der Fusionskontrolle“, sagte er. Die Eingriffsmöglichkeiten bei bereits in Europa tätigen Firmen könnten prinzipiell sehr viele Unternehmen betreffen, da die Kommission den Schwellenwert sehr niedrig angesetzt habe. „Die Aufsichtsbehörden werden aber kaum alle Fälle aufgreifen, zumal es sehr schwierig sein dürfte, die Subventionssumme exakt zu beziffern“, so Soltész. Der Kommission gehe es hier auch um die Drohkulisse.

Vertreter der chinesischen Regierung hatten die EU und ihre Mitgliedsländer stets vor strikteren Regeln für Unternehmensinvestments gewarnt. Die Vorschläge könnten nun den für den 22. Juni geplanten EU-China-Gipfel belasten. Dort wollen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel mit Premier Li Keqiang auch über das geplante Investitionsabkommen verhandeln. Vestager zeigte sich gelassen: „Wir drängen auf fairen Wettbewerb und Reziprozität. Ich kann nicht erkennen, warum das Verhandlungen erschweren sollte“, sagte sie.

Die Auslandsinvestitionen von Chinas Firmen waren in den vergangenen Jahren bereits deutlich zurückgegangen. Laut einer Analyse des Berliner China-Thinktanks Merics lagen die chinesischen Direktinvestitionen in der Europäischen Union im Jahr 2019 noch bei zwölf Milliarden Euro – im Vergleich zu 2018 ein Rückgang um 33 Prozent.

Die Rückgänge können vor allem auf eine allgemeine Zurückhaltung von chinesischen Firmen bei Zukäufen zurückgeführt werden. Erloschen ist das Interesse aber nicht: Im Rahmen der „Made in China 2025“-Strategie hat es sich die Regierung in Peking zum Ziel gesetzt, in Schlüsselbereichen zum Weltmarktführer zu werden – auch mittels Übernahmen.