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EU-Kommission will der Medienbranche helfen

Eine Studie warnt vor zunehmender wirtschaftlicher Unsicherheit und sinkender Medienvielfalt in der Union. Brüssel will mit finanziellen Hilfen gegensteuern.

Weniger Anzeigen, weniger Erlöse: Die Coronakrise bedroht auch die europäische Medienbranche. „Die Nutzerzahler haben Rekordhöhe erreicht, aber auch die Umsatzverluste“, sagt EU-Vizepräsidentin Věra Jourová. Schon vor der Krise befanden sich viele Medienunternehmen in einer schwierigen Situation. Auch deshalb, weil Google und Facebook die Hälfte des Werbemarktes abschöpfen, wie Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton vorrechnet. „Alles ändert sich.“

Doch durch die Pandemie hat sich die Lage noch verschärft. Die beiden EU-Kommissare schlugen am Donnerstag in Brüssel Alarm – und verwiesen dabei auf eine Studie des European University Institute, einer Forschungseinrichtung des Europäischen Hochschulinstituts in Florenz. Die Forscher warnen vor der Bedrohung der Kommunikationsbranche durch die zunehmende wirtschaftliche Unsicherheit. Die Folge seien eine abnehmende Vielfalt und ein geringerer Meinungspluralismus im europäischen Mediensektor.

Brüssel will mit ungewöhnlichen Mitteln gegensteuern: Die Kommission will die Medien finanziell unterstützen. Ein heikles Manöver, schließlich gilt die Unterstützung durch offizielle Stellen schnell als unlautere Einflussname.

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Immerhin 61 Millionen Euro aus einem insgesamt 1,85 Milliarden Euro schweren Programm namens „Kreatives Europa“ sollen Medienpluralismus und Journalismus fördern. Das Programm wurde auf dem am Montag zu Ende gegangenen EU-Gipfel nicht gekürzt – im Gegensatz zu anderen Haushaltsposten.

Zugleich motivierten beide Kommissare die Mitgliedstaaten, ihre unabhängigen Medien stärker zu fördern. In der Kommission gelten Dänemark und Schweden mit ihrer großzügigen Förderung von Zeitungen und lokalen Medien als Musterbeispiele.

Weitere Mittel können aus der 37 Milliarden Euro schweren „Corona Response“-Investitionsinitiative umgeleitet werden. Mit den Mitteln könne man von der Pandemie besonders betroffene Branchen wie den Mediensektor unterstützen, heißt es in Brüssel. Außerdem hat die Kommission ein Darlehensprogramm von insgesamt 100 Milliarden Euro zur Finanzierung der Unterstützung bei kurzfristiger Arbeitslosigkeit eingeleitet. Den Mitgliedstaaten steht es dabei offen, Arbeitsplätze in der Medienbranche vor Entlassungen und Einkommensverlusten zu schützen.

Auch Berlin spendiert großzügig Fördergelder

Die Große Koalition in Berlin hat bereits auf die Herausforderungen für die Medienbranche reagiert. Anfang Juli hatte der Bundestag beschlossen, Zeitungen und Zeitschriften in der Coronakrise mit 220 Millionen Euro zu unterstützen. Die Summe übertraf sogar die Erwartungen der Zeitungsverleger. Das Geld soll insbesondere für die digitale Transformation im deutschen Verlagswesen zur Förderung des Absatzes und der Verbreitung von Zeitungen eingesetzt werden, um die Medienvielfalt in Deutschland zu erhalten. So hat sich auch die deutsche EU-Ratspräsidentschaft auf die Fahnen geschrieben, die Vielfalt und Freiheit der Medien zu stärken.

Medienförderung durch den Staat kann sich aber bei Missbrauch als zweischneidiges Schwert erweisen. Die Kommission beobachtet mit wachsender Sorge, dass Regierungen mit staatlichen oder semistaatlichen Anzeigen regierungsloyale Medien finanziell fördern.

Das ist nicht nur in Osteuropa der Fall. Auch in Österreich gibt es seit Jahren einen politischen Streit um staatsnahe Anzeigen für die regierungsnahe Boulevardpresse und ihren Einfluss auf die Berichterstattung. Die EU-Kommission fordert vor dem Hintergrund möglicher Einflussnahmen durch Regierungen von den Mitgliedsländern, klar die Herkunft und Vergabe von Werbeausgaben an Medien auszuweisen. „Wir wollen die Transparenz der politischen Werbung erhöhen“, sagte EU-Kommissarin Jourová. Sie verlange auch volle Transparenz bei den undurchsichtigen Eigentümerstrukturen bei Medien insbesondere in Osteuropa. Die Transparenzkommissarin wird im September einen Bericht zur Stärkung der Demokratie in Europa vorlegen.

Ungarn als Negativbeispiel

Vor allem in Osteuropa sei die Situation besorgniserregend, erklärt Pier Luigi Parcu, Direktor des Zentrums für Medienpluralismus und Medienfreiheit des Florentiner Hochschulinstituts. Es drohe die „Normalisierung von Drohungen gegen Journalisten durch Politiker“.

Die EU-Kommission teilt die Sorge des Kommunikationswissenschaftlers. „Für freie Wahlen braucht es freie Medien“, sagt Kommissarin Jourová beispielsweise zur Situation in Ungarn, wo Premier Viktor Orbán mit seiner rechtspopulistischen Partei Fidesz im Alleingang regiert. Ungarn gilt neben Polen als Musterbeispiel für die negative Entwicklung bei der Medienvielfalt.

Auch die Situation der Medien in Slowenien hat sich nach der Regierungsübernahme durch den nationalkonservativen Premier Janez Jansa, der im März sein Amt angetreten hat, verschlechtert. „Ich warne jedes Land davor, die Medienfreiheit einzuschränken oder die Medienvielfalt zu behindern“, sagt die tschechische Kommissarin.

Binnenmarkt-Kommissar Breton warnt vor einer wachsenden Medienkonzentration im digitalen Bereich. Laut der am Donnerstag vorgestellten Studie schöpfen Google und Facebook in den meisten EU-Mitgliedstaaten bereits zwei Drittel des digitalen Werbemarkts ab. „Das Risiko sind die wachsende Medienkonzentration und die Bedeutung großer Digitalplattformen“, sagt Breton, der nach eigener Aussage im permanenten Gespräch mit den digitalen Giganten steht. „Sie kennen unsere Kritik sehr genau.“