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EU-Kommission gibt Fusion von Bombardier und Alstom frei

Die EU-Kommission erlaubt die Übernahme der Zugsparte von Bombardier durch den TGV-Hersteller Alstom. Damit entsteht ein europäischer Champion.

Am Freitagnachmittag kam die erlösende Nachricht für Alstom aus Brüssel. Die EU-Kommission genehmigt dem französischen Konzern die Fusion mit der Zugsparte von Bombardier. Damit machen die Brüssel Wettbewerbshüter den Weg zum zweitgrößten Zughersteller der Welt frei. Bis zum Abschluss des Deals, so heißt es in Unternehmenskreisen, werde es jetzt etwa ein halben Jahr dauern.

Das Handelsblatt hatte bereits zuvor berichtet, dass die EU-Kommission dem Zusammenschluss unter Auflagen zustimmen wird. So muss der TGV-Hersteller Alstom nun sein Werk im französischen Reichshoffen im Elsass verkaufen. Bombardier Transportation soll seinen Projektanteil bei dem mit Hitachi entwickelte Höchstgeschwindigkeitszug V300 Zefiro veräußern und die Produktion des Nachverkehrszuges Talent 3, der im deutschen Werl Hennigsdorf bei Berlin gebaut wird, abgeben. Alstom muss alle Auflagen uneingeschränkt erfüllen. Insgesamt dürften davon etwa 1000 Arbeitsplätze betroffen sein.

„Dank der umfassenden Abhilfemaßnahmen zur Lösung der Wettbewerbsbedenken in den Bereichen Hochgeschwindigkeitszüge, Fernverkehrszüge und Hauptverkehrssignale konnte die Kommission diese Transaktion rasch überprüfen und genehmigen“, sagte Kommissions-Vizepräsidentin Margrethe Vestager am Freitag. „In Zukunft wird eine stärkere kombinierte Einheit aus Alstom und Bombardier entstehen.“

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Zwar hatte die Kommission auch dieses Mal wieder wettbewerbsrechtliche Bedenken geltend gemacht – ebenso bei dem am Ende untersagten Zusammenschluss der Zugsparten von Siemens und Alstom. Anders als damals seien die Unternehmen dieses Mal aber auf die Bedenken der Kommission eingegangen. Der ausschlaggebende Faktor bei der Genehmigung der Fusion sei gewesen, dass Alstom und Bombardier zu substanziellen Verkäufen bereit seien.

Durch die Übernahme rückt Alstom an die zweite Stelle der weltgrößten Schienenfahrzeughersteller vor. Mit 8,2 Milliarden Euro (Alstom) und 7,4 Milliarden Euro (Bombardier) Gesamtumsatz lagen die beiden Unternehmen bislang ohnehin schon auf den Plätzen zwei und drei. Durch die von der EU-Kommission erzwungene Abgabe von Werken und Triebfahrzeugreihen dürfte der Gesamtumsatz der fusionierten Konzerne bei knapp 15 Milliarden Euro liegen. Deutlich größer ist nur der chinesische Zugkonzern CRRC.

Die Kommission hatte in drei Bereichen Vorbehalte gegen die Fusion geäußert: bei Hochgeschwindigkeitszügen, bei Regional- und Langstreckenzügen in Deutschland und Frankreich und bei bestimmten Teilen der Signaltechnik für konventionelle Züge.

Alstom-Chef Henri Poupart-Lafarge hatte rasch darauf reagiert und angeboten, das Alstom-Werk im elsässischen Reichshoffen an einen Wettbewerber zu verkaufen. Dort stellen rund 800 Mitarbeiter die Regionalzüge Coradia-Polyvalent her.
Poupart-Lafarge geht es nach eigener Aussage bei der Fusion nicht so sehr um Größe an sich, sondern vor allem um die Präsenz auf neuen regionalen Märkten, die Bombardier traditionell bediene und auf denen Alstom nicht oder weniger präsent sei.

Die Fusion von Siemens und Alstom hatte die EU-Kommission vor anderthalb Jahren noch verhindert, weil sie zu einer marktbeherrschenden Stellung bei den Superschnellzügen und bei der Signaltechnik geführt hätte. Die Brüsseler Wettbewerbshüter stellten Bedingungen unter anderen zur Abgabe in den Geschäftsbereichen Signaltechnik und Hochgeschwindigkeitszüge, die die Unternehmen nicht bereit waren, zu akzeptieren.

Siemens ist auch ohne Alstom gewachsen

Aber Siemens schlägt sich offenbar auch ohne Alstom gut. Das Unternehmen habe „seine Position trotz der untersagten Fusion mit Alstom gehalten, konnte seine Umsätze und Profitabilität in den letzten Jahren sogar spürbar steigern“, heißt es in einer Marktanalyse des Beratungsunternehmens SCI Verkehr. Alstom und Bombardier haben hingegen Zusagen gemacht, die den Markteintritt von Wettbewerbern ermöglichen.

Bei Europa-Politikern kommt die Genehmigung durch die EU-Wettbewerbshüter gut an. „Dass die Kommission den Merger durchwinkt, ist überraschend. Dennoch ist es begrüßenswert, dass die Bündelung der Kräfte im Zugbereich möglich wird“, sagte Andreas Schwab (CDU), Binnenmarkt-Sprecher der Christdemokraten im Europa-Parlament, dem Handelsblatt.

Auch der sozialdemokratische Europa-Abgeordnete Ismail Ertug (SPD) sieht das grüne Licht der EU-Kommission positiv. „Es ist richtig, dass wir insbesondere europäische Champion schaffen, um uns der globalen Konkurrenz – insbesondere aus China im Bereich Bahn – stellen zu können“, sagte der Verkehrsexperte. Er sorgt sich allerdings um die Arbeitsplätze. „Es kann aus meiner Sicht gerne mehr europäische Champions geben. Doch das darf sich nicht zwangsläufig negativ auf die Beschäftigung auswirken.“

Die Entscheidung ist von großer industriepolitischer Bedeutung in Europa. Deutschland und Frankreich drängen darauf, europäische Champions in umkämpften Branchen zu schaffen. Im Bahnbereich hat sich in den vergangenen Jahren eine starke Konkurrenz durch chinesische Zughersteller für die europäische Produzenten entwickelt.

Kritische finanzielle Lage bei Bombardier

Bei der Übernahme des Zugherstellers Bombardier Transportation durch Alstom drängt unterdessen die Zeit. Bombardier steckt in finanziellen Schwierigkeiten. Lieferanten, so heißt es in der Branche, verlangten seit Längerem Vorkasse. Mit den Gewerkschaften wird gerade ein erneuter Sanierungsplan für Deutschland erarbeitet. Bombardier verlangt Gehaltsverzicht und will erneut Stellen streichen. Die IG Metall befürchtete Anfang Juni um den Fortbestand von 1000 Jobs, inzwischen ist in Unternehmenskreisen die Rede von „einigen Hundert Stellen“. Allerdings will Bombardier 120 Millionen Euro Personalkosten einsparen. Schon in den vergangenen Jahren waren mehrere Tausend Stellen bei Bombardier abgebaut worden.

Hintergrund sind hausgemachte Probleme. Bombardier lieferte häufig zu spät und mit technischen Fehlern. So wurden über die Jahre Millionen Euro unter anderem hohe Strafzahlungen an Auftraggeber fällig.

Dazu kommt die existenzbedrohliche Lage des kanadischen Mutterkonzerns, der neben Eisenbahnfahrzeugen auch Flugzeuge baut. Ein neu entwickeltes Mittelstreckenmodell (C-Class) erwies sich jedoch als finanzielles Desaster, das den Konzern an den Rand des Ruins trieb. Inzwischen fliegt die Modellreihe unter Airbus-Regie als A220. Die Geschäftsbereiche waren einmal etwa gleich groß mit jeweils neun Milliarden Dollar Umsatz.

Trotzdem muss Bombardier weiter ums Überleben kämpfen. Vor wenigen Tagen gab das Unternehmen bekannt, mit Hilfe eines Milliardenkredits durch die Coronakrise kommen zu wollen. Die Kanadier haben sich einen drei Jahre laufenden, besicherten Kredit über bis zu eine Milliarde Dollar der Investmentfirma HPS Investment Partners gesichert.

Im zweiten Quartal hat der Konzern eigenen Angaben zufolge rund eine Milliarde Dollar verbrannt. Einschließlich des zugesagten neuen Kredits verfüge der Konzern nun über rund 3,4 Milliarden Dollar, heißt es. Der Verkauf der Zugsparte an Alstom soll weitere Liquidität bringen. Allerdings zahlt Alstom den Kaufpreis, der zwischen 5,8 und 6,2 Milliarden Euro liegen soll, zum Teil mit einem Aktientausch.

Die Bahntochter Bombardier Transportation hat ihren Sitz in Berlin und beansprucht wohl auch Hilfe vom deutschen Staat. Nach einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ hat Bombardier staatliche Bürgschaften über 750 Millionen Euro beantragt. Die Hälfte davon sollen jeweils der Bund und die Länder, in denen Bombardier Werke hat, übernehmen.

Fusion beschleunigt Konsolidierung

Der Zusammenschluss von Alstom mit Bombardier wird die ohnehin laufende Konsolidierung der Bahntechnikbranche weiter beschleunigen. Laut SCI kontrollieren die Top Ten der Branche jetzt schon 77 Prozent des Gesamtmarktes bei neuen Schienenfahrzeugen. Im Jahr 2017 waren es nur 73 Prozent.

Martin Schmitz, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen und damit Vertreter der Kunden, bedauert deshalb die Übernahme von Bombardier. Der Wegfall eines Wettbewerbers sei „nur dann für alle von Vorteil, wenn tatsächlich Finanz- und Innovationskraft, Verlässlichkeit und Produktqualität gestärkt werden. Dazu gehört auch, dass die deutschen Standorte von Alstom/Bombardier gesichert werden – eine Bedingung für den Erhalt der Arbeitsplätze, um auch künftig den Anforderungen des deutschen Marktes gerecht zu werden“, fordert Schmitz.