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EU-Impfkampagne ist schlechter organisiert als der Brexit

Rasmus Bech Hansen, Gründer und CEO des Datendienstleisters Airfinity, hat Überblick über die Impfstoffentwicklung in der Coronakrise wie kaum ein anderer. Der Däne beschreibt, was in der EU schlecht gelaufen ist.

Rasmus Bech Hansen lebt von Zahlen. Der von ihm gegründete Datendienstleister Airfinity beliefert Regierungen, wissenschaftliche Einrichtungen, Banken und Pharmahersteller mit Daten aus dem Bereich Gesundheit. Seit dem Ausbruch der Pandemie hat sich das Londoner Unternehmen auf Covid-19 spezialisiert. Wie viele Bestellungen für Impfstoff bei Herstellern eingegangen sind, wann die Produktion hochgefahren wird, ob die EU ihr Impfversprechen einhalten wird – das sind die Fragen, mit denen sich Bech Hansen und seine Kollegen beschäftigten. Aus den Daten ergibt sich ein ungewohnt klares Bild, was die EU bei der Impfstoffbeschaffung bisher falsch gemacht hat:

„Die EU hat versucht, ein Angebotsproblem mit Nachfrage zu lösen“
In Deutschland konzentrierte sich die Kritik an der EU-Kommission lange auf die Frage, ob Brüssel den Impfstoff zu spät bestellt hat. Für Bech Hansen liegt das zentrale Problem an anderer Stelle: „Die EU hat sich auf den Einkauf von Impfstoff beschränkt und das Hochfahren der Produktion zu wenig berücksichtigt.“ Weder der EU-Kommission noch den Mitgliedsstaaten ist aufgefallen, dass ein Verhandlungsmandat, das lediglich die Beschaffung von Impfstoff enthält, zu eng gesteckt war.

Die USA, aber auch Großbritannien, haben frühzeitig in die klinischen Versuche und Produktionskapazitäten investiert. „Die EU kam erst nach der dritten Phase der klinischen Versuche ins Spiel und sicherte sich dann Vorräte – auf Kosten anderer“, so Bech Hansen. Die frühe finanzielle Unterstützung der britischen Regierung für Astrazeneca ist wohl auch einer der Gründe, warum das Unternehmen seine Lieferversprechen für Großbritannien einhält, während die Lieferungen an die EU gekürzt wurden.

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„Wenn die EU die Verhandlungsstruktur des Brexits kopiert hätte, stünde sie jetzt besser da“
Bis heute ist nicht bekannt, wer genau für die EU die Lieferverträge ausgehandelt hat und wer von Seiten der Mitgliedsstaaten über die Verhandlungen gewacht hat. An der Spitze der Unterhändler stand Sandra Gallina – eine EU-Beamtin, die bisher lediglich Handelsabkommen abgeschlossen hatte. „Beim Brexit gab es klare Zuständigkeiten mit einer bekannten Person an der Spitze“, betont Bech Hansen. Noch sei es nicht zu spät, die Leitung der Impfbeschaffung an eine profilierte Persönlichkeit abzugeben.

Andere Länder haben das mit Erfolg gemacht. Die USA hatten sich mit Moncef Slaoui einen Pharmamanager mit langjähriger Erfahrung im Impfgeschäft für ihre „Operation Warp Speed“ geholt. Die Briten übergaben die Organisation der Impfkampagne der Risikokapitalmanagerin Kate Bingham, die sich auf die Branche spezialisiert hatte.

„Eine Pandemie ist ein Notfall wie ein Krieg“
Die Biosicherheit, also auch der Schutz vor Pandemien, ist eine klassische Aufgabe des Militärs. „Streitkräfte spielen in vielen Ländern eine wichtige Rolle bei den Impfkampagnen“, beobachtet Bech Hansen. In Großbritannien etwa kündigte Premier Boris Johnson an, die Armee werde „Techniken wie zur Vorbereitung eines Kampfeinsatzes“ benützen, um das Impftempo hochzuhalten.

Einzelne EU-Länder haben das Militär im Kampf gegen die Pandemie eingesetzt. Eine ernsthafte Verzahnung findet in Brüssel nicht statt – weil Verteidigung, genauso wie Gesundheit, in die nationale Kompetenz fällt. „Ohne den Einsatz der Armee ist es schwierig, umfassend auf die Pandemie zu reagieren“, sagt Bech Hansen. „Im Kampf gegen die Pandemie muss man mobil machen wie in einem Krieg – dann entsteht eine ganz andere Dringlichkeit.“

Und wie geht es weiter?
Bech Hansen warnt davor, dass sich Politiker zu stark auf das Impfen fokussieren. „Therapeutika, Abstandhalten und Tests einschließlich Sequenzierung werden noch lange eine wichtige Rolle spielen.“ Eine gute Nachricht hat der Däne doch noch: Das Ziel, bis zum Sommer 70 Prozent der Europäer zu impfen, sei erreichbar. Im September könnten 75 Prozent geimpft sein, haben seine Analysten errechnet.

Mehr zum Thema: Für alle, die nicht lange auf eine Coronaimpfung warten wollen, werden zunehmend Reisen inklusive Immunisierung angeboten. Die Urlaube sind nicht nur extrem teuer, es gibt auch keine Garantien, dass sie stattfinden.