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Die EU hat Trump höhere US-Flüssiggasimporte zugesagt – doch der Deal ist in Gefahr

Die Gefahr droht aus zwei entgegengesetzten Richtungen, und dazu noch von zwei Staaten, die früher einmal Erzfeinde waren: Russland und Saudi-Arabien. Die EU hat den USA zugesagt, bis 2023 die Importe von US-Flüssiggas bis 2023 auf acht Milliarden Kubikmeter pro Jahr zu verdoppeln. Doch Moskau und Riad wollen auf diesem Markt auch mitmischen.

So war der russische Gaskonzern Novatek im Februar erstmals der größte Importeur von verflüssigtem Erdgas (LNG) in Europa. Und der Oligarchen-Konzern hat noch größere Projekte in der Pipeline.

Russland ist bereits größter Gaslieferant Europas – aber bisher ausschließlich über Pipelines. Und der vom Kreml kontrollierte Gasriese Gazprom baut derzeit mit europäischen Partnern die umstrittene Ostseepipeline Nord Stream 2.

Doch nun starten russische Konzerne ihren Angriff an bisher für sie ungewohnter Front: Novatek und Gazprom bauen ihre LNG-Kapazitäten massiv aus – und haben dabei offenbar einen gewaltigen Vorteil gegenüber den USA.

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Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet, dass die Förderkosten für eine in den USA übliche Maßeinheit des Flüssiggases, British Thermal Unit genannt, 2,60 Dollar beträgt, während der russische Gaskonzern dafür nur Herstellungskosten in Höhe von 0,10 Dollar hat. Der Grund: LNG muss auf unter minus 160 Grad Celsius heruntergekühlt werden. Am Polarkreis sind die die Energiekosten dafür deutlich niedriger als beispielsweise in den USA.ku

EU-Energiekommissar Miguel Arias Canete hatte seinem US-Kollegen Rick Perry vor Kurzem bei einem Treffen in Brüssel die Verdopplung der europäischen Flüssiggasimporte aus den USA zugesagt, „wenn es preislich wettbewerbsfähig ist“. Dann könne US-amerikanisches LNG seine „strategische Rolle bei Europas Gasversorgung stärken“, hieß es.

Diese Zusage kann als eine Art Kompromiss bewertet werden: Denn durch eine Erhöhung der Gasimporte aus den USA würde die EU US-Präsident Donald Trump entgegenkommen, der mit Auto-Strafzöllen droht, sollte das US-Handelsdefizit mit Europa nicht deutlich sinken. Bislang haben nur Polen und die baltischen Staaten aus politischen Gründen bereits US-LNG fest geordert.

Russland hat seinen Angriff auf Europas LNG-Markt gerade erst gestartet. Novatek hat mit Jamal LNG die ersten drei Flüssiggas-Produktionslinien nördlich des Polarkreises mit einer Jahreskapazität von 17,5 Millionen Tonnen in Betrieb genommen.

Der Konzern gehört den Oligarchen Leonid Michelson und Gennadi Timtschenko. Letzterer gilt als enger Freund von Kremlchef Wladimir Putin. Der französische Energie-Konzern Total und Chinas CNPC halten je 20 Prozent der Anteile an den Produktionslinien, Chinas Staatsfond Silk Road Fund weitere 9,9 Prozent.

Flüssiggas vom Polarkreis

Novatek baut mit Jamal LNG-2 einen weiteren Flüssiggasproduzenten, ein dritter ist in Planung und brächte Novateks LNG-Kapazität 2030 auf 70 Millionen Tonnen. Katar, der weltgrößte Flüssiggasexporteur, kommt derzeit auf gut 82 Millionen Tonnen LNG-Exporte pro Jahr und steigert seine Produktion bis 2024 auf 110 Millionen Tonnen jährlich. Novateks Haupteigner, laut „Forbes“ mit 24 Milliarden Dollar geschätztem Vermögen der reichste Russe, will die Produktion seines Konzerns auf 140 Millionen Tonnen pro Jahr steigern.

Novatek berichtete für das erste Quartal einen Umsatzanstieg um 666 Prozent auf 5,8 Milliarden Dollar gegenüber den ersten drei Monaten 2018 und eine drastische Gewinnerhöhung um 725 Prozent. Grund dafür sind zum einen die stark angestiegenen Exporte und zum anderen die Anteilsveräußerung an französische und chinesische Konzerne.

Neben dem Newcomer Novatek setzt auch Gazprom verstärkt auf LNG-Ausfuhren. Mit dem niederländisch-britischen Shell-Konzern hat das Kreml-Unternehmen bereits im Fernen Osten das LNG-Projekt Sachalin-2 mit zehn Millionen Tonnen Flüssiggasproduktion. An der Ostsee entsteht gerade das LNC-Baltic-Projekt im Hafen Ust-Luga bei Putins Heimatstadt St.Petersburg. Zwar ist Shell wegen angedrohter US-Sanktionen aus dem Flüssiggasprojekt an der Ostsee ausgestiegen, doch Gazprom scheint entschlossen, das Werk allein fertigzustellen.

Neben Gazprom und Novatek will aber auch ein saudi-arabisches Unternehmen auf dem LNG-Markt mitmischen: Saudi Aramco. Als Novatek im Dezember 2017 den ersten LNG-Tanker, benannt nach dem bei einem Flugzeugunglück in Moskau gestorbenen früheren Total-Chef Christophe de Margerie, füllte, war nicht nur Russlands Präsident Wladimir Putin zugegen, sondern auch Saudi-Arabiens Ölminister Khalid Al-Falih.

Der weltgrößte Ölproduzent setzt nun auch auf Gas

Denn auch Saudi-Arabien, der weltgrößte Ölexporteur, setzt inzwischen massiv auf Gasproduktion und LNG-Ausfuhren. 150 Milliarden Dollar will der CEO von Saudi Aramco, Amin Nasser, binnen zehn Jahren in den Gassektor stecken und die Produktion damit verfünfzehnfachen.

Dabei setzt der mit zuletzt 111,1 Milliarden Dollar Jahresgewinn profitabelste Konzern der Welt vor allem – wie auch die USA – auf Frackinggas, also auf die Erdgasförderung durch Injektion von Chemikalien und riesigen Wassermengen.

Saudi Aramco hat bereits begonnen, LNG zu verkaufen, allerdings zunächst eine fremde Tankerladung Flüssiggas. Später erst wolle Saudi-Arabien selbst Gas exportieren: über Pipelines und als LNG. Aramco wolle „ein Hauptspieler“ auf dem Gasmarkt werden, heißt es. Auch Beteiligungen an LNG-Projekten im Ausland sollen dabei helfen. Aramco prüft laut Insidern eine Beteiligung an Novateks Jamal LNG 2-Terminal.

Durch die Pläne der russischen und saudischen Konzerne gerät Europa in die Bredouille: Die beiden Energiesupermächte können das Gas deutlich günstiger anbieten – und damit die Pläne der EU durchkreuzen, die Flüssiggaslieferungen aus den USA zu verdoppeln.

Russland sei „gut positioniert, um mit nordamerikanischen Projekten mitzuhalten“, sagte Shell-Manager Stuart Bradfort. Ob in der Arktis und mit eisgängigen Tankern, an der Ostsee oder auf Sachalin – Russland könne auf europäischen und asiatischen Märkten US-LNG-Firmen Paroli bieten.

Russland ist schon jetzt der weltgrößte Gasexporteur und die globale Nummer zwei bei Rohölausfuhren. Im LNG-Markt hat das Land global aber bisher erst acht Prozent Anteil, während Qatar Petroleum über gut 24 Prozent verfügt. Aber: „Wir bekommen den Platz, den wir verdienen“, hat Putin bereits angekündigt. Russland könne auf dem globalen LNG-Markt sogar zur Nummer drei aufsteigen, ist Karen Kostanian von der Bank of America in Moskau überzeugt.

Die USA haben starke Verbündete – und einen Trumpf

Die USA haben für ihre LNG-Exporte starke Partner. Aramco versucht neben seinem Engagement bei Novatek nun auch zusammen mit Norwegens Energiekonzern Equinor, in LNG-Projekte in den USA zu investieren. Und mit Qatar Petroleum hat der US-Konzern Exxon-Mobil das zehn Milliarden Dollar teure LNG-Megaprojekt Golden Pass an der Küste von Texas in Angriff genommen. Die Katarer, die dort 70 Prozent halten, haben wie kein anderer Erfahrung im hochkomplexen LNG-Geschäft.

Und im Wettbewerb mit Russland haben die USA noch einen weiteren Trumpf: Wegen Sanktionsdrohungen ist Shell bereits bei Gazproms Baltiv-LNG-Projekt ausgestiegen. Deutsche und andere europäische Firmen sorgen sich wegen Sanktionsdrohungen gegen Beteiligte an der Nord-Stream-2-Pipeline wie die BASF-Tochter Wintershall und Uniper. Ein Gesetz, das Strafen gegen an dem Projekt beteiligte Unternehmen vorsehe, werde „in nicht zu ferner Zukunft“ vorliegen, sagte US-Energieminister Rick Perry am Dienstag während eines Besuchs in Kiew.

Novatek haben die USA bereits auf ihre Sanktionsliste gesetzt, was es Konzernen wie Total schwer macht, sich dort weiter zu engagieren und auch die Saudis zögern lässt. Bleiben nur die Chinesen – die ohnehin offene Rechnungen mit Washington haben.

Nach Angaben des russischen Energieministeriums förderte Russland im vergangenen Jahr 725,17 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Das Land wurde nur von den USA übertroffen, die laut der US-Energy Information Administration (EIA) 861,5 Milliarden Kubikmeter produzierten.

Mehr: Die EU-Staaten haben seit Juli 2018 deutlich mehr Flüssiggas aus den USA importiert. Die EU-Kommission will die Menge künftig weiter erhöhen.