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Der kalte Handelskrieg – Die EU bereitet sich auf US-Strafzölle vor

Die EU traut der derzeitigen Ruhe im Handelsstreit mit den USA nicht. Trump könnte jederzeit weitere Strafzölle erlassen, wenn es ihm nutzt. In Brüssel laufen Vorkehrungen.

07.11.2019, Sachsen, Leipzig: Der Schatten von Mike Pompeo, Außenminister der USA, ist bei einer Pressekonferenz auf einer EU-Flagge zu sehen. Foto: Sebastian Willnow/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: dpa
07.11.2019, Sachsen, Leipzig: Der Schatten von Mike Pompeo, Außenminister der USA, ist bei einer Pressekonferenz auf einer EU-Flagge zu sehen. Foto: Sebastian Willnow/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: dpa

In der Theorie der internationalen Beziehungen gibt es den Begriff des „frozen conflicts“: Er bezeichnet eine Auseinandersetzung, die sich in einem Schwebezustand zwischen Krieg und Frieden befindet.

In einer Waffenruhe, die kein Vertrauen zwischen den Konfliktparteien schafft, sondern jederzeit gebrochen werden könnte. Der Handelsstreit zwischen den USA und der EU ist nun ein solcher „frozen conflict“.

In Brüssel rufen EU-Diplomaten nervös den Twitter-Account des Präsidenten und die Website des US-Handelsbeauftragten auf. Die EU-Kommission hat sich für alle Varianten gewappnet, die Pressemitteilungen sind formuliert und auch die Liste der Vergeltungsmaßnahmen liegt bereits in der Schublade, sollte Trump doch ernstmachen. Dass Donald Trump am Donnerstag die Frist zur Verhängung von Strafzöllen gegen die Autoindustrie verstreichen ließ, brachte nur einen Moment lang Entspannung.

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Zu den Vorbereitungen der EU gehört ein Sprechzettel, ein sogenannter „Hymn sheet“, den die Kommission als Leitfaden für Gespräche mit den Amerikanern angefertigt hat und der dem Handelsblatt vorliegt. Darin: Argumente, die die US-Regierung zur Vernunft bringen sollen.

Etwa: „Die transatlantischen Beziehungen sind die Hauptschlagader der Weltwirtschaft, für den Wohlstand in der EU und den USA von zentraler Bedeutung und sichern 15 Millionen Arbeitsplätze in der EU und den USA.“

Zugleich enthält das Dokument auch eine scharfe Warnung: „Neue US-Zölle auf EU-Exporte werden proportionale Gegenmaßnahmen der EU auslösen und wären das Ende einer positiven bilateralen Agenda.“

Der amerikanische Ökonomie-Nobelpreisträger Robert Shiller glaubt nicht daran, dass ein transatlantischer Handelsdeal möglich ist. Im Gegenteil, Schiller ist sich sicher: „Wir befinden uns längst in einem Handelskrieg.“

Der US-Präsident betreibe Politik aus dem Bauch heraus. „Er spürt, dass er mit seinem aggressiven Protektionismus anderen Staaten mehr Schaden zufügen kann als der eigenen Volkswirtschaft“, sagte Shiller dem Handelsblatt. Und er warnt: „Allein die Angst vor einer weiteren Eskalation zerstört ganze Businesspläne – das kann schnell in einer Rezession münden.“

Konzerne mischen sich ein

Vor allem die deutschen Autokonzerne tun alles, um den Präsidenten milde zu stimmen. Längst geplante Investitionen in den USA verkauften sie als Reaktion auf die Forderungen Trumps. Volkswagen startete in Chattanooga im Bundesstaat Tennessee ein Investitionsprogramm in Höhe von 800 Millionen Dollar.

1000 neue Arbeitsplätze sollen geschaffen werden, um dort ab 2022 Elektroautos zu produzieren. Daimler wiederum investiert Milliarden in das Mercedes-Werk in Tuscaloosa im Bundesstaat Alabama, ebenfalls für den Bau von Elektrofahrzeugen. BMW hat das Werk in Spartanburg zum größten des Konzerns ausgebaut.

„Die angekündigten Investitionen von BMW, Mercedes und Volkswagen in den USA sind eine gesichtswahrende Lösung für Trump“, sagt Gerald Ullrich, Wirtschaftspolitiker der FDP. Der bisherige Schaden seines Handelskriegs für die Weltkonjunktur verteile sich auf alle amerikanischen Bürger.

Dass dieser Schaden aber auf Trumps Politik zurückzuführen ist, sei nur für Wirtschaftswissenschaftler klar erkennbar. „Im Gegensatz dazu sind die Investitionen deutscher Autohersteller konzentriert, medienwirksam und deswegen für die breite amerikanische Bevölkerung sichtbar“, betont Ullrich.

Todd Mariano, US-Direktor des Washingtoner Think-Tanks Eurasia, ist der Auffassung, dass der Präsident kein Interesse an einer Eskalation hat. „Der Sinn von Trumps Drohung besteht nur darin, Druck aufzubauen“, sagt er. Das Weiße Haus halte die Bedrohung aufrecht, „um sicherzustellen, dass die Verhandlungen mit der EU voranschreiten“.

Doch von Fortschritt kann keine Rede sein. Im Juli 2018 war es EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gelungen, Trump vorerst von seiner Konfrontationskampagne abzubringen. Offiziell verhandelt seitdem die EU mit den USA über den vollständigen Abbau aller Industriezölle.

Keine Einigung über Agrarexporte in Sicht

Doch die Gespräche kommen nicht voran, weil sich beide Seiten nicht über die Frage der Agrarexporte einigen können. „Das Verhandlungsmandat der EU beschränkt sich auf die Formulierungen des Juli-Statements, das keine Verhandlungen über Landwirtschaft einschließt“, stellt das interne EU-Dokument klar.

Auch andere Streitthemen bleiben: etwa die Iran-Sanktionen der USA und die Ostseepipeline Nord Stream 2. „US-Sanktionen sind ein weiteres Hemmnis unserer bilateralen Beziehungen“, schreibt die EU in ihrem Argumentationsleitfaden. Die Lage ist festgefahren. Es geht nicht voran, aber zugleich gibt es – siehe Autozölle – zumindest vorerst auch keinen Rückfall in die Eskalationslogik.

In den vergangenen Wochen zeichnete sich ab, dass die Umgarnungsstrategie der deutschen Autobauer positive Wirkung entfalten könnte: „Wir hatten sehr gute Gespräche mit unseren europäischen, koreanischen und japanischen Freunden und Vertretern der Autoindustrie“, sagte US-Wirtschaftsminister Wilbur Ross.

Autozölle würden den transatlantischen Handelskonflikt in eine neue Dimension bringen. Trump begründet seine Drohnung mit einem Gesetz aus dem Jahr 1962. Dieses erlaubt dem Präsidenten, Zölle zu verhängen, wenn er die innere Sicherheit Amerikas durch Einfuhren gefährdet sieht.

Das amerikanische Wirtschaftsministerium war dann in einer Untersuchung tatsächlich zum Ergebnis gekommen, dass die ausländische Autoindustrie ein Sicherheitsrisiko darstelle, und empfahl Trump die Verhängung von Zöllen oder Einfuhrquoten.

Jagdish Bhagwati, einer der führenden Handelstheoretiker der USA, hält diese Argumentation für abwegig: „Noch schlimmer als die Handelspolitik als solche ist Trumps Begründung dafür, nämlich dass die nationale Sicherheit gefährdet sei.“ Europa müsse sich zur Wehr setzen, sagte Bhagwati, der an der New Yorker Columbia-Universität lehrt.

Republikaner fürchten Strafzölle auf Autoimporte

Die wichtigsten Verbündeten der deutschen Autobauer sind republikanische Politiker aus jenen Staaten, in denen BMW, Mercedes und VW ihre Werke unterhalten – in Alabama, Tennessee und South Carolina. Sie fürchten Verluste von Arbeitsplätzen, sollten die Strafzölle auf Autoimporte kommen.

Für South Carolina und Alabama sitzen Lindsay Graham und Richard Shelby im Senat. Auf deren Unterstützung kann Trump bei seinem Kampf gegen eine Amtsenthebung kaum verzichten. Widerstand gegen Trumps angedrohte Strafzölle kommt auch aus der US-Autoindustrie selbst. Sie sieht ihre internationalen Lieferketten gefährdet.

Andererseits könnte der US-Präsident die heimische Öffentlichkeit mit einem Paukenschlag von dem Amtsenthebungsverfahren abzulenken versuchen, warnt ein EU-Diplomat: „Trump denkt extrem politisch, das unterschätzen wir in Europa.“ Auch die Aussicht auf eine erneute Verlängerung der Frist hellt die Stimmung kaum auf. Die Lage mit weiter drohenden Auto-Zöllen sei „extrem unangenehm“, sagt ein Brüsseler Handelsexperte.

Ähnlich ist es im Streit um Subventionen für die Flugzeugbauer Airbus und Boeing. Die US-Regierung betont zwar, verhandlungsbereit zu sein. Bislang sei Washington aber überhaupt nicht auf die konkreten Gesprächsangebote der Europäer eingegangen, heißt es in Brüssel. Die Amerikaner wollten offenkundig erst die am 18. Oktober verhängten Strafzölle auf Importe aus Europa wirken lassen, damit besonders betroffene EU-Staaten wie Italien intern auf weitere Zugeständnisse drängen.

Die Hoffnungen richten sich nun auf die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Sie müsse versuchen, einen neuen Gesprächsfaden zu Trump zu knüpfen, sagt ein EU-Diplomat. Ein guter Draht zum US-Präsidenten sei „extrem wichtig“.