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ETF-Indexfonds gefährden die Finanzmärkte

Passive, automatisierte ETF-Fonds erobern die Märkte in Sturm. Doch es wird schnell gefährlich, wenn alle nur noch der Herde folgen.

Exchange Traded Funds (ETFs) schwimmen seit Jahren auf einer weltweiten Erfolgswelle. Ihr Marktanteil wächst und wächst. In Europa ist der Anteil dieser passiven Investmentform von rund 10 Prozent im Jahr 2007 auf über 25 Prozent im Jahr 2016 angestiegen. In den USA und in Asien liegen die Marktanteile inzwischen sogar bereits bei über 40 Prozent. Doch diese Entwicklung ist nicht ungefährlich. Ein zu hoher Marktanteil der ETFs kann die Finanzmarktstabilität bedrohen.

Was genau ist ein Exchange Traded Funds (ETF) eigentlich? Im Gegensatz zu einem aktiv gemanagten, klassischen Fonds sind ETFs passiv gemanagt. Das heißt, der Fond selbst nimmt keinerlei Einfluss auf seine Zusammensetzung. Die Gelder, werden einfach 1:1 entlang ausgewählter Börsenindizes investiert. Die wichtigsten Argumente, die für ein Investment in ETFs sprechen, sind die relativ geringen Kosten, die Diversifikationsmöglichkeiten schon bei relativ kleinem Anlagevolumen und die hohe Transparenz.

Da sich viele ETFs an Indizes orientieren, sind sowohl die strategische Ausrichtung der Fonds als auch Abweichungen der Performance sehr einfach erkenn- und messbar. Auch auf der Kostenseite besteht eine hohe Transparenz, da die Kosten meist direkt ersichtlich sind und die Vergleichbarkeit mit Konkurrenzprodukten somit sehr hoch ist.

Mit zunehmendem Erfolg der ETFs wird auch die Kritik an diesen passiven Produkten lauter. Bereits 2011 äußerte sich das Financial Stability Board (FSB) zu möglichen Risiken für die Finanzmarktstabilität. Auch die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, der IWF, die Bank of England und die Europäische Zentralbank haben sich diesem Thema inzwischen gewidmet. Sie alle argumentieren, dass die verstärkte Hinwendung von der aktiven zur passiven Vermögensverwaltung längerfristig größere negative Auswirkungen auf die Effizienz der Kapitalmärkte sowie auf die Finanzmarktstabilität mit sich bringen kann.

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Warum? In der Finanzmarkttheorie wird davon ausgegangen, dass der Kurs einer Aktie alle öffentlich zur Verfügung stehenden Informationen widerspiegelt. Das Risiko von passiven Produkten liegt darin, dass Transaktionen ohne Berücksichtigung von Informationen oder einer Analyse des Unternehmens, der Ertragsaussichten und der Bewertung getätigt werden. Wenn nun Aktien unabhängig von neuen Informationen und Analysen gekauft werden, erscheint es fraglich, wie diese eingepreist werden und der Markt langfristig seine Effizienz wahren soll.

So können Risiken aus der trendfolgenden Eigenschaft von passiven Produkten erwachsen. Indexfonds folgen Markttrends, ohne eigene selektive Anlageentscheidungen zu treffen. Sie müssen bei Mittelzuflüssen Aktien kaufen, die bereits sehr stark gestiegen sind und im Index dadurch ein noch höheres Gewicht erhalten. Auf diese Weise verstärkt das Handeln der ETFs tendenziell die Trends, sowohl in Bullen- als auch in Bärenmärkten.

Der IWF konstatierte bereits im Jahr 2009 „einen deutlichen Anstieg des Herdenverhaltens.“ Anleger, die schon bei kleineren Kursrückgängen ihr Geld abziehen, können den Abwärtstrend ebenso verstärken wie Fondsmanager, die nicht aus der Reihe tanzen wollen oder können. Dies gilt natürlich auch für viele aktive Produkte, besonders wenn diese nahe der Benchmark gemanagt werden. Allerdings kann der aktive Manager auch gegen den Trend handeln, der passive hingegen muss dem Trend folgen. Dadurch besteht das Risiko, dass passive Produkte sowohl Blasen als auch Krisen verstärken.


Gefahren für das weltweite Finanzsystem

ETFs werden auch immer wieder in den Zusammenhang mit sogenannten „Flash-Crashs“ gerückt. Beispielsweise fielen am 24. August 2015 in den Vereinigten Staaten nach einem schwachen Börsenstart plötzlich die Kurse einiger ETF sehr stark – weit stärker als die Indizes, die sie abbilden sollen. Ein Grund dafür war, dass verkaufswillige ETF-Anleger keine Käufer fanden. Das Problem wurde auf Besonderheiten in den Regeln der New Yorker Börse zurückgeführt. Die Deutsche Börse versicherte, dass auf ihren Systemen vergleichbare Abstürze nicht möglich seien.

Kritisiert wird auch, dass die Liquidität, die es in normalen Zeiten gibt, sich bei einem unerwarteten Ereignis als Illusion erweisen könnte. Dabei wird vielfach damit geworben, dass ETFs die Liquidität in marktengen Assetklassen bei „normaler Börsenlage“ erhöhen können. Jedoch dürfte es gerade bei kleinen illiquiden Assetbereichen ein erhöhtes Risiko geben. So hat sich beispielsweise bereits im US-High-Yield-Energiebereich die geschaffene ETF-Liquidität in Krisenzeiten als “Scheinliquidität“ herausstellt.

In den letzten Jahren wurde wiederholt bemängelt, dass insbesondere von den Wertpapierleihe- und Swap-Geschäften der ETFs Gefahren für das weltweite Finanzsystem ausgehen. Denn es sei immer schwerer feststellbar, bei welchen Marktteilnehmern welche Risiken liegen. Hier zeigt sich die ETF-Branche jedoch flexibel. Nachdem die Kritik in früheren Jahren häufig auf die Strukturierung von synthetischen ETFs und deren mögliche Folgen für das Finanzsystem gerichtet war, haben sowohl die Aufsichtsbehörden als auch die Fondsanbieter darauf reagiert. Während 2011 das Verhältnis relativ ausgeglichen war, hat sich in Folge der Anteil physischer ETFs, die tatsächlich in die zugrunde liegenden Wertpapiere investieren, wieder auf rund 80 Prozent des Volumens erhöht.

Auch M&A-Transaktionen können durch das hohe Gewicht von ETFs erschwert werden. Denn ETFs können erst dann Aktien andienen, wenn sichergestellt ist, dass die Aktie durch die neue Aktiengattung im Index ersetzt oder herausgenommen wird. Übernahmen mit relativ hohen Annahmeschwellen haben dadurch geringere Chancen auf Erfolg. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die übernehmenden Unternehmen auf diese Problematik reagieren werden und mittelfristig eine Lösung erarbeitet wird.

Die Kritik an den Indexprodukten, die Aktien ohne eigene Bewertung und Analyse kaufen und damit die Markteffizienz aushebeln und zu Fehlbewertungen führen könnten, unterschätzt nach unserer Auffassung allerdings tendenziell die Rolle der aktiven Investoren. Sollte der Anteil von Indexprodukten weiter zunehmen und zu Anzeichen von Fehlbewertungen führen, würde dies die Chancen für aktive Fondsmanager wieder erhöhen, da die potenziellen Gewinne durch fundamentale Analyse wieder deutlich ansteigen würden. In diesem Umfeld sollten bereits wenige aktive Manager und Hedge-Funds, unterstützt durch eine Vielzahl von computergestützten Systemen, die Effizienz der Märkte bei der Preisfindung wiederherstellen können.

Insgesamt ist trotz aller Kritik sicherlich davon auszugehen, dass passive Produkte ihren Marktanteil weiter ausbauen werden. Denn passive Fonds haben viele Vorteile, besonders auf der Kostenseite. Die Wachstumsraten sollten sich, wie in zunehmend gesättigten Märkten üblich, jedoch allmählich reduzieren. Unter der einfachen Annahme, dass sich der Marktanteil passiver Produkte in den nächsten Jahren verdoppelt, wären 50 Prozent der Aktien passiv verwaltet. Dies impliziert nicht nur, dass der Marktanteil innerhalb des Fondssegments zunimmt, sondern dass zusätzlich sonstige Investoren verstärkt auf das ETF-Segment setzen werden.

Wie stark der ETF-Markt noch wachsen muss, um tatsächlich zu einer Gefahr für die Märkte zu werden, lässt sich schwer abschätzen. Jedoch können passive Produkte gerade bei spezifischen Strategien schnell an Grenzen stoßen. Sollten sich mit steigendem Anteil passiver Strategien Ineffizienzen am Markt zeigen, werden die Chancen für aktive Manager größer werden. Zwar können viele aktive Fonds den Index nicht schlagen, bei passiven Produkten bleiben aber alle hinter der Benchmark zurück. Wer Outperformance erzielen will, muss also aktiv investieren, statt „nur“ große Titel zu kaufen. Spezialisten droht auf der aktiven Seite von ETFs weniger Gefahr, da sie auf spezielle Kundenbedürfnisse eingehen. Zudem sollte der Trend aktive Manager ermutigen, sich mit Ideen weiter von der Benchmark zu entfernen, was die Chance für Outperformance erhöht. Denn aktive Fonds, die sich sehr nahe an der Benchmark bewegen, werden allein aufgrund der Kostennachteile weiter an Boden verlieren.