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Die erste Revolution des Jahres

Das Silicon Valley hat seinen ersten Streit des Jahres mit Washington. Und ausgetragen wird er in Las Vegas. Die Netzneutralität in den USA ist tot, und der Terminator traut sich nicht mehr vor die Tür. Ajit Pai, im Auftrag von Präsident Donald Trump der neue Herr über die US-Telekommunikationsbehörde FCC, hat seine Teilnahme an der CES, der Leitmesse der Digitalindustrie, kurzfristig abgesagt. Angeblich, weil er laut Medienberichten Todesdrohungen erhalten haben soll. Vielleicht scheut er aber auch nur die öffentliche Diskussion. Die Behörde äußert sich nicht zu den Gründen der Absage.

Das Valley hat guten Grund nervös und verärgert zu sein. Jahre der Regulierungsarbeit unter Präsident Barack Obama hat Pai mit einem Federstrich eliminiert. Die Bestimmungen, wer in der Branche wen übernehmen darf, werden beträchtlich gelockert. Und Internet-Zugangsprovider dürfen jetzt nach Lust und Laune entscheiden, wem sie was zu welchem Preis zugänglich machen, wenn überhaupt. Wie Blutsauger können sie von jedem erfolgreichen Unternehmen immer höhere Zugangsgebühren einfordern, damit ihr Dienst „störungsfrei“ beim Kunden funktioniert. Netflix kann ein Lied davon singen.

Bislang war es wie bei einem Stromunternehmen. Der Strom an der Steckdose durfte zum gleichen Preis genutzt werden, egal ob ein Kühlschrank, ein Fernseher oder eine Herz-Lungen-Maschine dranhängt. Was nun im Internet kommt, ist als ob der Stromlieferant für Medizingeräte einfach das Doppelte verlangen könnte. Woher der das wissen soll? Kein Problem im digitalen Zeitalter, wo alle Geräte individuell identifizierbar sind. Auf der CES nennt man das das Internet der Dinge.

Bundesstaaten wie Kalifornien oder Washington, Heimatstaaten des Silicon Valley, Amazon und Microsoft, haben zwar angekündigt, eigene Gesetze schreiben, die den Kabel- und Telekom-Giganten wie Comcast, T-Mobile US, Charter Communications oder AT & T verbieten sollen, willkürlich Angebote zu beschneiden, Inhalte zu unterdrücken, Geschwindigkeiten zu drosseln, eigene Dienste zu bevorzugen oder Premiumzuschläge für Selbstverständlichkeiten zu verlangen.

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Aber die Regierung in Washington D.C. hat schon klargestellt, dass sie das in keiner Weise dulden werde. Da bleiben nur noch die Gerichte. Die Internet Association, die unter anderem Google und Facebook vertritt, hat bereits Klagen angekündigt. Pai hatte im Gegenzug früher bereits auf einer Veranstaltung zum Beispiel Twitter als „Teil des Problems“ des freien Internets gebrandmarkt, weil „konservative Meinungen“ unterdrückt würden.

2018 wird damit eine Wasserscheide für die Start-ups im Silicon Valley und weltweit. Die Einmischung der Politik wird in vielen Ländern neue Dimensionen erreichen. Twitter, Google oder Facebook könnten bevorzugte Ziele von Regulierung oder Zerschlagung werden. Facebooks Mark Zuckerberg hat bereits öffentlichkeitswirksam angekündigt, er werde das Jahr damit verbringen, Facebook zu „reparieren“. Ansonsten könnte die Implosion drohen.


Wird das Internet in Profit-Häppchen zerlegt?

Geschäftsmodelle, die auf freiem Zugang, unbegrenzter Bandbreite beim Kunden für Anzeigen oder Inhalte basieren, werden neu überdacht werden müssen. Konsumenten spüren erste Ausläufer bereits. Alle großen Internet-Provider haben teilweise erhebliche Preisanhebungen angekündigt. In vielen Landstrichen ist das völlig risikolos, weil es keine Konkurrenten gibt. Die Anbieter durften sich die USA freundlich untereinander aufteilen. Freche Störenfriede wie Google mit seinem eigenen Kabelinternet-Dienst sind mittlerweile praktisch wieder vom Markt verschwunden. Ob die mit dem Verschwinden der Netzneutralität einen neuen Schub bekommen werden, ist fraglich.

Bekommen die Internetanbieter jetzt ihren Willen, so wie es das Valley und Bürgerrechtler befürchten, wird das gesamte Internet in einzelne Profit-Häppchen zerlegt, so wie es die Pay-TV-Industrie vorgemacht hat.

Statt eines einheitlichen Datentarifs wird es in Zukunft dann vielleicht einen Social-Media-Tarif für 9,90 Dollar im Monat geben, der Zugang zu Facebook oder WhatsApp gewährt. Der Video-Tarif für 9,90 Dollar fügt dann noch Youtube und Netflix hinzu, mit einem bequemen Klick kann dann noch die Musik-Tranche samt Spotify für 9,90 Dollar angebaut werden. Amazon und der Pizzadienst sind im Service-Paket gebündelt, zum Sonderpreis von 9,90 Dollar, versteht sich. Wikipedia ist im preisgünstigen Education-Paket angesiedelt, da gehört es auch hin. Das Ganze dann in verschiedenen Geschwindigkeitsstufen, strikten Datenobergrenzen und einer Grundgebühr von, sagen wir mal, 29,99 Dollar. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Wer das für Unfug hält, der muss sich nur die existierenden Preislisten für Pay-TV in den USA anschauen. Unter 100 Dollar im Monat inklusive Basis-Internet geht da kaum noch was. Monatspreise von 150 bis 200 Dollar sind schnell erreicht. Das Billig-Modem kostet 10 Dollar im Monat. Das ist immer noch so wie damals bei der Deutschen Post, als man sein Bakelit-Wählscheibentelefon über die Jahrzehnte hundertfach abgezahlt hat.

Viele Kunden kündigen deshalb den TV-Teil ihrer Verträge und bleiben nur beim Internet. Aber das sollte kein Problem für die Firmen sein. Analyst Jonathan Chaplin von New Street Research sieht mittelfristig eine Verdopplung der Preise für Breitband-Internet in den USA. Der Hauptgrund: Was sollen die Kunden denn dagegen machen? Wer will denn schon offline gehen? Ob das mobile Internet per Smartphone da einen Ausgleich schaffen kann, ist mehr als fraglich.

Das würde Start-ups nicht mehr kalt lassen. Wer heute seinen Lebensunterhalt mit dem Internet verdient, zum Beispiel als Heimarbeiter, Freelancer oder als kleiner E-Commerce-Shop, steht vielleicht bald vor höheren Kosten oder im schlimmsten Falle dem Aus. Dann zum Beispiel, wenn das Geld nicht mehr reicht, um höhere Internet-Preise für ausreichend schnellen Zugang zu bezahlen und die Kunden, vom ewigen Seitenaufbau genervt, dann doch lieber wieder zu Amazon gehen, oder zu Google, Ebay oder Facebook. Oder anders ausgedrückt: Jedes Digitalprodukt der Zukunft, zum Beispiel auch das Auto, verliert seine Unabhängigkeit und wird zum Bittsteller bei unregulierten Internet-Zugangswächtern.

Das etablierte Profit-Valley kann mit dem neuen Internet sicherlich noch irgendwie leben. Ob es das Silicon Valley der Innovationen auch kann, wird sich erst noch zeigen müssen. Es hätte jedenfalls viel Gründe gegeben, das mit Ajit Pai zu diskutieren. Der Gelegenheit ist er aus dem Weg gegangen.

Immer dienstags schreiben Britta Weddeling und Axel Postinett, Korrespondenten des Handelsblatts im Silicon Valley, über neue Trends und den digitalen Zeitgeist im Tal der Nerds.