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Die erste Milliarde ist geflossen

Die Dieselaffäre ist für den Volkswagen-Konzern in den ganz besonders schmerzlich. Dort kostet die Bewältigung des Abgasskandals extrem viel Geld. In den Vereinigten Staaten ist jetzt die erste Milliarde an Entschädigungszahlungen an betroffene -Kunden geflossen. Es wird nicht die letzte bleiben. Mehr als zehn Milliarden US-Dollar muss das Wolfsburger Unternehmen für den Schadensersatz bereitstellen.

„Der größte und komplexeste Produkt-Rückkauf in der Geschichte der USA, vielleicht sogar in der Welt, läuft jetzt seit drei Monaten“, sagte Volkswagen-Anwalt Robert Giuffra bei einer Gerichtsanhörung in San Francisco. Bis zum 17. Januar hätten fast 67.000 Kunden in den USA ihren Wagen zurückgegeben und dafür 1,2 Milliarden Dollar bekommen. Bis Ende Januar soll diese Zahl noch bis auf fast 100.000 ansteigen.

Diese Rückkäufe in den USA beziehen sich im Moment auf Fahrzeuge mit einem kleineren Zwei-Liter-Motor. Volkswagen hatte sich schon im vergangenen Jahr mit US-Umweltbehörden und den betroffenen Kunden auf einen Vergleich verständigt. Knapp 500.000 Autos der Marken Volkswagen und Audi waren bis Herbst 2015 mit manipuliertem Dieselmotor verkauft worden. Noch nicht endgültig geklärt sind die Entschädigungszahlen für Kunden, die einen Wagen mit größerem Drei-Liter-Diesel gekauft hatten. Etwa 80.000 Fahrzeuge der Marken Volkswagen, und Porsche gehören dazu. Eine Entscheidung über den Schadensersatz soll bis Ende Januar fallen.

Volkswagen-Kunden in den USA können damit rechnen, dass ihre Entschädigungsansprüche vergleichsweise schnell bearbeitet werden. VW-Anwalt Robert Giuffra sagte dazu, dass bereits mehr als 380.000 Anträge geprüft würden. In 160.000 Fällen rücke eine Entscheidung näher heran, für den Rückkauf dieser Autos müssten etwa 3,3 Milliarden US-Dollar bereitgestellt werden. Nach Angaben des Anwalts sind bei Volkswagen in den USA rund 700 Mitarbeiter nur mit der Prüfung der Kundenansprüche beschäftigt.

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Diese Angaben werden auch weitestgehend von der Gegenseite bestätigt. Die Anwälte der betroffenen VW-Kunden, die unter dem Dach einer Sammelklage zusammengefasst sind, sprechen von einem außergewöhnlichen Zuspruch. „95 Prozent der Sammelkläger haben sich bereits registrieren lassen“, sagte Elizabeth Cabraser, die Sprecherin der Klägeranwälte, vor dem Gericht in San Francisco. Das seien in der Summe mehr als 451.000 Kunden.

Der überwiegende Teil der amerikanischen Volkswagen-Kunden hat sich bislang für einen Rückkauf der betroffenen Autos durch den Konzern entschieden. Diese Variante ist für die Wolfsburger die deutliche teurere Lösung, der Entschädigungstopf von zehn Milliarden US-Dollar müsste dann wahrscheinlich vollständig in Anspruch genommen werden. Die Umrüstung der betroffenen Fahrzeuge, der Standard in Europa, wäre für Volkswagen auch in den USA deutlich günstiger.


Keine Umrüstung in den USA

Das Problem: In den haben die Umweltbehörden gerade einmal rund 70.000 Autos für die Umrüstung zugelassen. Möglich ist diese Umrüstung für die jüngeren Fahrzeuge des Modelljahres 2015. Viel schwieriger ist es bei älteren Autos. Für sie gibt es noch keinen von den Behörden genehmigten Plan zur Umrüstung. Von daher gibt es für die meisten US-Kunden keine Alternative zum Rückkauf durch den VW-Konzern – auch wenn sie ihr Auto vielleicht behalten wollen.

-Anwalt Robert Giuffra machte den Sammelklägern Hoffnung, dass noch weitere Fahrzeug-Jahrgänge einen weiteren, von den zuständigen Behörden genehmigten Umrüstplan bekommen könnten. Ende dieses Monats und im März stünden noch weitere Prüftermine an. „Es gibt viele Menschen, die daran arbeiten“, ergänzte Giuffra.

Etwas besser sieht es bei den Autos mit größerem Drei-Liter-Motor aus. Nur bei etwa einem Viertel der Fahrzeuge ist bislang der Rückkauf durch Volkswagen vorgesehen, für den größeren Rest arbeitet der Konzern an einem Umrüstplan. Eine Genehmigung der US-Behörden für diese Umrüstung liegt aber ebenfalls noch nicht vor. Mit ihr ist in den kommenden Wochen zu rechnen. Im Februar soll der Entschädigungsplan für die Käufer der 80.000 Autos vorgelegt werden. Möglicherweise gibt es dann auch Details zur Umrüstung der Fahrzeuge.

In Europa und in Deutschland sieht das Bild hingegen völlig anders aus. Nach anfänglichen Schwierigkeiten werden die betroffenen Fahrzeuge jetzt in großem Stil umgerüstet, allerdings ohne zusätzliche Entschädigungszahlung für die Volkswagen-Kunden wie in den USA. In Wolfsburg sagte ein VW-Sprecher am Freitag, dass in Deutschland jetzt eine Million Fahrzeuge umgerüstet sei.

In der Bundesrepublik ist damit für Volkswagen noch nicht ganz Halbzeit: Insgesamt sind in Deutschland 2,6 Millionen Autos der Marken VW, Audi und mit manipulierter Software unterwegs. Bis zum Jahresende soll die Umrüstung aller Autos abgeschlossen sein. In Europa sind rund acht Millionen Fahrzeuge von den Manipulationen betroffen, weltweit sind es etwa elf Millionen.

KONTEXT

Die Kosten des Dieselskandals für Volkswagen

Teure Folgen

Für die jüngste Einigung mit den US-Behörden in Sachen Dieselskandal muss Volkswagen eine weitere milliardenschwere Last schultern. 4,3 Milliarden Dollar (etwa 4,1 Milliarden Euro) muss der Konzern für Strafen und Bußen in den USA hinblättern. Das übersteige die bisherigen Rückstellungen und könne die Ergebnisse 2016 belasten, warnte Volkswagen. 18,2 Milliarden Euro hat der Konzern insgesamt für den Skandal um weltweit millionenfach manipulierte Abgaswerte bei Dieselautos zurückgestellt. Doch abschließend sind die Kosten noch nicht zu beurteilen. Die größte Unsicherheit geht von den vielen Anlegern aus, die VW vorwerfen, sie zu spät über Dieselgate informiert zu haben, und deshalb Schadenersatz fordern.

Strafzahlung in den USA

Mit dem US-Justizministerium hat sich Volkswagen nach monatelangen Verhandlungen auf eine Strafzahlung von umgerechnet rund 4,1 Milliarden Euro geeinigt. Das ist deutlich mehr, als andere Autobauer für Verfehlungen in den USA hinlegen mussten und auch mehr als Analysten erwartet hatten. Sie hatten mit einer Summe zwischen einer und drei Milliarden Euro gerechnet.

Vergleich mit US-Kunden zu kleineren Motoren

Im Oktober einigte sich VW mit Hunderten Sammelklägern, Behörden und US-Bundesstaaten über die Höhe der Entschädigung für Käufer von Autos mit den kleineren 2,0-Liter-Dieselmotoren. Das kostet den Konzern bis zu 15,3 Milliarden Dollar (14,5 Milliarden Euro). Der größte Teil entfällt auf den Rückkauf der bis zu 475.000 Fahrzeuge, für den gut zehn Milliarden Dollar reserviert sind. Die tatsächlichen Kosten hängen aber davon ab, wie viele Dieselbesitzer ihre Wagen zurückgeben. Bis vor Weihnachten hatten 104.000 Besitzer in den Rückkauf eingewilligt. Eine Alternative ist die Reparatur der Fahrzeuge. Bisher hat VW die Genehmigung für die Umrüstung von rund 70.000 Autos mit 2,0-Liter-Motor.

Zahlreiche US-Bundesstaaten wollen zudem zivilrechtlich versuchen, einen höheren Schadensersatz durchzusetzen, weil sie mit dem Vergleich nicht zufrieden sind. Dabei geht es um Hunderte Millionen Dollar.

Vergleich mit US-Kunden zu größeren Motoren

Kurz vor Weihnachten klopfte VW mit den US-Umweltbehörden einen Kompromiss über die Schadenersatzansprüche für etwa 83.000 Diesel-Wagen mit 3,0-Liter-Motoren fest. Ein Viertel der Geländewagen von Audi, VW und Porsche soll zurückgekauft und weitere 63.000 umgerüstet werden, sobald die Behörden die Freigabe für die technische Lösung erteilen. Wieviel das den Konzern kostet, ist offiziell noch nicht bekannt. Die US-Umweltbehörde EPA schätzt die Kosten für VW auf insgesamt eine Milliarde Dollar. Der nächste Gerichtstermin zur vorläufigen Genehmigung ist für den 31. Januar angesetzt.

Entschädigung für US-Händler

Seinen rund 650 US-Händlern zahlt VW insgesamt 1,2 Milliarden Dollar Entschädigung, weil sie seit fast einem Jahr keine Dieselautos mehr verkaufen durften. Der Vereinbarung zufolge kauft VW unverkäufliche Diesel-Autos von den Händlern zurück, hält an Bonuszahlungen fest und verzichtet für zwei Jahre auf geforderte Umbauten. Bei einem Gerichtstermin am 18. Januar soll entschieden werden, ob die Einigung genehmigt wird.

Rückrufe in Europa

Ein großer Brocken ist auch die Umrüstung der rund 8,5 Millionen Dieselautos in Europa. Kostenschätzungen reichen von gut einer bis drei Milliarden Euro.

Entschädigung auch in Europa?

Bundesweit klagen Autobesitzer vor mehreren Gerichten wegen überhöhter Stickoxidwerte auf Rückabwicklung des Kaufs oder Schadensersatz. Allein vor dem Landgericht Braunschweig sind knapp 226 solcher Klagen anhängig. Die auf Verbraucherschutzverfahren spezialisierte Onlineplattform MyRight, die mit der US-Kanzlei Hausfeld zusammenarbeitet, reichte zu Jahresbeginn die erste Musterklage ein. Eine finanzielle Entschädigung der Kunden in Europa lehnt VW ab, obwohl sich Forderungen nach einem ähnlichen Vergleich wie in den USA mehren. Sollten diese dennoch fällig werden, könnte das Volkswagen wegen der viel größeren Zahl betroffener Kunden im Vergleich zu den USA finanziell ruinieren, fürchten Experten. Der Autoanalyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler geht von einem Wertverlust in einer Größenordnung von 500 Euro je Fahrzeug aus.

Vergleich in Kanada

Kanadischen Kunden zahlt VW 2,1 Milliarden kanadische Dollar an Schadenersatz für Dieselautos mit manipulierter Abgasreinigung

Aktionärsklagen

Weltweit sieht sich Volkswagen zudem mit milliardenschweren Schadensersatzklagen von Investoren und Kleinaktionären konfrontiert. Die Inhaber von Aktien und Anleihen werfen Volkswagen vor, zu spät über das Ausmaß des Abgasskandals informiert zu haben und wollen einen Ausgleich für Kursverluste durchsetzen. Zu den Klägern gehören große US-Pensionsfonds, der Norwegische Staatsfonds, aber auch der Versicherungskonzern Allianz und die Dekabank. Auch die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg und Hessen klagen wegen Kursverlusten von Pensionsfonds. Beim Landgericht Braunschweig liegen mehr als 1500 Klagen über insgesamt 8,8 Milliarden Euro vor. Dazu soll es ein Musterverfahren vor dem OLG Braunschweig geben. Anlegerklagen muss sich VW auch in den USA stellen.

Teure Anwälte

Die Scharen an Anwälten, die Volkswagen weltweit wegen des Dieselskandals beschäftigt, kosten ebenfalls viel Geld. Der Autoexperte Pieper geht von bis zu einer Milliarde Euro aus, sein Kollege Ellinghorst schätzt die Anwaltskosten auf mehrere hundert Millionen. Auch gegnerische Anwälte muss VW bezahlen - zum Beispiel 175 Millionen Dollar an Juristen, die in den USA die 475.000 Auto-Besitzer mit manipulierten 2,0-Liter-Motoren vertreten hatten.

Quelle: Reuters

KONTEXT

Chronologie der VW-Diesel-Affäre

Darum geht es:

Die Abgas-Affäre hat Volkswagen in eine schwere Krise gestürzt. Die bisherige Entwicklung im Überblick:

Quelle: dpa

September 2015

3. September 2015: VW räumt hinter den Kulissen gegenüber der US-Umweltbehörde EPA Manipulationen bei Diesel-Abgastests ein.

18. September: Die EPA teilt mit, VW habe eine Software eingesetzt, um Test-Messungen des Schadstoffausstoßes künstlich zu drücken.

23. September: Rücktritt von Vorstandschef Martin Winterkorn.

25. September: Der VW-Aufsichtsrat beruft Porsche-Chef Matthias Müller zum Konzernchef und trifft weitere Personalentscheidungen.

28. September: Nach mehreren Strafanzeigen startet die Braunschweiger Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugsvorwürfen.

Oktober 2015

15. Oktober: Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) ordnet den Pflichtrückruf aller VW-Dieselautos mit Betrugs-Software an. In ganz Europa müssen 8,5 Millionen, in Deutschland 2,5 Millionen Wagen in die Werkstatt.

März 2016

16. März 2016: Erster deutscher Schadenersatz-Prozess eines Privatkunden. Urteil des Landgerichts Bochum: VW muss keine Wagen zurücknehmen.

April 2016

22. April: Der Abgas-Skandal brockt VW für 2015 mit 1,6 Milliarden Euro den größten Verlust aller Zeiten ein.

Juni 2016

16. Juni: Volkswagen will sich nach dem Abgas-Skandal grundlegend neu aufstellen und unter anderem die Elektromobilität massiv ausbauen.

Juli 2016

7. Juli: Erste Sitzung des Abgas-U-Ausschusses des Bundestags.

8. Juli: Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft startet ein Verfahren, um über Bußgelder unrechtmäßige Diesel-Gewinne abzuschöpfen.

August 2016

8. August: Das Landgericht Braunschweig gibt den Startschuss für ein Musterverfahren wegen der Aktionärsklagen gegen Volkswagen.

29. August: Wegen einbrechender Gewerbesteuern erhöhen einige VW-Städte stark kommunale Gebühren, wie eine dpa-Umfrage ergibt.

September 2016

1. September: Das Bundesverkehrsministeriums wirft auch Fiat den Einsatz "unzulässiger" Abschalteinrichtungen vor - Fiat dementiert.

7. September: Die Vorwürfe gegen Bosch werden konkreter. Der VW-Zulieferer habe jahrelang von den Manipulationen seines Großkunden wissen müssen, klagen geschädigte Diesel-Besitzer in den USA.

Dezember 2016

8. Dezember: Die EU-Kommission sieht massive Mängel bei der Aufarbeitung des Abgas-Skandals und geht gegen Deutschland vor.

15. Dezember: Sigmar Gabriel (SPD), Peter Altmaier (CDU) und Barbara Hendricks (SPD) sagen im U-Ausschuss aus, sie hätten erst nach Aufdeckung des Skandals 2015 von verbotenen Praktiken erfahren.

20. Dezember: Im Rechtsstreit um Hunderte Zivilklagen verkündet ein US-Richter einen Kompromiss. VW soll Kunden, Behörden, Händlern und US-Bundesstaaten über 16 Milliarden Dollar an Entschädigung zahlen.

Januar 2017

9. Januar 2017: Es wird bekannt, dass das FBI einen VW-Manager wegen des Diesel-Skandals festgenommen hat. Fünf weitere werden angeklagt.

11. Januar: VW und das US-Justizministerium einigen sich in einem zweiten großen Vergleich zu den strafrechtlichen Fragen auf eine Zahlung von 4,3 Milliarden Dollar.

12. Januar: In den USA gerät nach Volkswagen auch Fiat Chrysler wegen auffälliger Abgaswerte ins Visier der Behörden.

19. Januar: Ex-VW-Konzernchef Martin Winterkorn erscheint vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags zum Abgas-Skandal.