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Erst Bettennot, nun zu spätes Impfen: Japans Regierung verspielt den Bonus des Pandemie-Pioniers

In der ersten Corona-Welle war Japan bei der Pandemie-Bekämpfung Vorbild für Europa. Nun ist es umgekehrt. Das Land hinkt beim Impfen hinterher, die Regierung verteilt Eisschränke.

Bei der Eindämmung der Corona-Pandemie ist Japan Europa und den USA weit voraus. Bis Dienstag starben offiziell nur 5297 Menschen an Covid-19. Bei der Corona-Impfung erleben die Japaner dagegen, dass die Regierung noch immer keinen fertigen Plan formuliert hat, während mehr als 50 andere Nationen ihre Bevölkerungen schon gegen das Sars-CoV2-Virus impfen.

Zwar erklärte Ministerpräsident Yoshihide Suga vor dem Parlament, dass seine Regierung mit vier Pharmafirmen Lieferabkommen über 314 Millionen Impfdosen für die 125 Millionen Einwohner geschlossen habe. Aber erst Ende Februar wird zuerst das Pflegepersonal in Corona-Kliniken geimpft. Bis Ende März soll dann ein System für die Impfung von 36 Millionen Rentnern stehen.

Sugas Problem: In der Öffentlichkeit und seiner Partei wachsen die Zweifel – an seinem Versprechen wie auch an ihm. Lokalregierungen beschweren sich, dass das Gesundheitsministerium ihnen lange keine Details zu den Impfplänen mitgeteilt hatte. Zudem ist noch unklar, wann und wie genau das Impfprogramm auf den Rest der Bevölkerung ausgedehnt wird.

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Rasmus Bech Hansen, der Gründer des britischen Wissenschaftsanalytikers Airfinity, warnte sogar in einem viel beachteten Interview, dass Japan erst im Oktober, zwei Monate nach den möglichen olympischen Spielen, über 70 Prozent der Bevölkerung geimpft und damit Herdenimmunität erreicht haben könnte. Sugas Liberaldemokratische Partei (LDP) und die Medien reagieren daher immer unruhiger.

Die LDP-Mitglieder würden sich fragen, ob der Regierungschef „noch der richtige Fahnenträger für die Unterhauswahlen im September ist“, berichtet Dan Harada, ein gut in der LDP vernetzter politischer Analyst. Schon vor dem möglichen Impf-Debakel war die Zustimmungsrate zu seinem Kabinett in Meinungsumfragen unter 40 Prozent gefallen. Und die Medien setzen ihm immer stärker zu.

„Preis für das anfängliche Zögern“

Die Wirtschaftszeitung „Nikkei“ monierte schon, dass die drittgrößte Volkswirtschaft beim Impfen hinter anderen Nationen hinterherhinkt. „Japan zahlt nun den Preis für das anfängliche Zögern der Regierung“, so das Urteil. Kritiker sehen dabei Parallelen zur grassierenden Bettennot bei Infektionszahlen, die in Europa als vorbildhaft gelten würden.

Seit dem Höhepunkt der dritten Virenwelle am 8. Januar haben sich die Fallzahlen bis Dienstag auf unter 4000 gefundene Neuinfektionen halbiert. Aber landesweit warteten diese Woche 15.000 Erkrankte auf Betten in umgewidmeten Hotels oder Krankenhäusern. Denn Japans Regierung hatte es seit dem Sommer versäumt, massiv Intensivstationen für Covid-19-Fälle aufzubauen. Dabei erwarteten Experten eine dritte Welle im Winter.

Bei den Vakzinen war das Problem ebenfalls absehbar. Japan ist zwar mit 130 Millionen Dollar einer der größten Geldgeber für die Covax-Fazilität, einer Organisation, die weltweit einen gleichmäßigen und fairen Zugang zu Covid-19-Impfstoffen gewähren soll. Aber der Reichtum von Asiens ältester Industrienation reichte weder, um ihre fragmentierte Pharmaindustrie zur Vakzinfabrik zu machen, noch um sich einen bevorzugten Zugang zu den klinischen Tests der globalen Pharmariesen zu sichern.

Der US-Pharmariese Pfizer beispielsweise startete seine Testreihen in Ländern wie den USA, Südafrika, Brasilien oder Deutschland, aber nicht bei den ostasiatischen Pandemie-Pionieren Japan, Südkorea oder Taiwan. Zwar können die Japaner nachvollziehen, dass Ostasien nicht in die ersten Testserien einbezogen wurde.

Die Fallzahlen seien schließlich viel niedriger als in anderen Ländern gewesen, was größere Testreihen erschwerte, erklärt Shingo Tanaka, ein Berater für klinische Pharmakologie in einem Forum.

Aber er lastet es mangelnder Vorbereitung der Pharmakonzerne und einer Nachlässigkeit der Zulassungsbehörde an, dass erst jetzt die Anerkennung des Pfizer-Impfstoffs bis Mitte Februar durchgepeitscht wird – und nicht schon früher.

Die „Nikkei“ drückt ihre Kritik so aus: „Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die japanische Regierung besondere Anstrengungen unternommen hat, um diese Verzögerung zu verhindern.“ Mehr noch: Japans Regierung ließ sich sogar mit der Unterzeichnung der Lieferverträge Zeit.

Neuer Chef für das Impfprogramm

Vorige Woche zog Suga dann die Reißleine. Kurzerhand ernannte er seinen erfahrenen Digitalisierungsminister, Taro Kono, auch zum Chef des Impfprogramms. Zwei Tage später wurden die Verträge mit Pfizer abgeschlossen.

Die gute Nachricht: Japan soll nun bis Jahresende 144 Millionen Impfungen erhalten, 24 Millionen mehr als ursprünglich geplant. Doch Experten befürchten, dass nun neue Lieferzeiten das Impfprogramm verzögern. Denn andere Lieferanten Japans können noch keine Lieferlücken füllen.

Astra-Zeneca testet zwar in Japan, hat aber noch keinen Zulassungsantrag für sein Vakzin gestellt. Moderna hat seine Testserien erst vorige Woche begonnen, Japans vierter Partner Novavax folgt gar erst im Februar. Wie Moderna hat das Unternehmen Japans größten Pharmakonzern Takeda als Partner.

Der Chefvolkswirt des Technikkonzerns Fujitsu, Martin Schulz, rechnet daher damit, dass wegen des Andauerns der Pandemie das Wachstum in Japan, aber auch in anderen Ländern langsamer sein könnte, als viele hoffen würden. Immerhin nehmen die technologischen Vorbereitungen für die Verteilung der Impfstoffe Form an.

Die Regierung verteilt Super-Eisschränke. Und der Technikkonzern Panasonic hat mobile Kühltaschen für den empfindlichen Pfizer-Impfstoff entwickelt. Mit Trockeneis können in ihnen bis zu 23 Liter Impfstoff für bis zu 18 Tage auf unter minus 70 Grad gekühlt werden.

Damit will der Konzern die Lieferengpässe bei Kühlanlagen lindern und auch die Versorgung von dünn besiedelten Regionen sicherstellen.

Mehr: Warum Japan schon bei einer mäßigen Virenwelle den Zusammenbruch seines Gesundheitssystem fürchtet.