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Was der Fall MTU über Finanzinvestoren und Börsenerfolge lehrt

Wie beim Dax-Absteiger Thyssen-Krupp spielt auch beim Aufsteiger MTU ein Finanzinvestor eine maßgebliche Rolle. Bei den zwei Konzernen hat das aber ganz unterschiedliche Folgen.

Das Industrieunternehmen feiert die Rückkehr in den Dax. Foto: dpa
Das Industrieunternehmen feiert die Rückkehr in den Dax. Foto: dpa

Der eine macht Stahl und Aufzüge, der andere Komponenten für Flugzeugtriebwerke und die Wartung derselben. Dennoch haben Thyssen-Krupp und MTU eines gemeinsam: Bei beiden Unternehmen spielen Finanzinvestoren eine große Rolle. Doch während Cevian beim Dax-Absteiger Thyssen-Krupp beispielsweise mit der Forderung nach einer Sonderausschüttung derzeit das Image einer „Heuschrecke“ zu bestätigen scheint, ist die Geschichte von MTU eine völlig andere.

Das Münchener Unternehmen ist ein Beleg dafür, dass Finanzinvestoren durchaus eine wichtige Rolle für die deutsche Wirtschaft spielen. Ohne den Private-Equity-Investor KKR hätte sich MTU wahrscheinlich nicht in die oberste Börsenliga hocharbeiten können.

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Seit Montag vergangener Woche gehört MTU zu den 30 börsennotierten Top-Werten in Deutschland. Vor allem einer hat dieses besondere Ereignis eng verfolgt: der frühere MTU-Chef Udo G. Stark. „Ich habe mich sehr über den Aufstieg von MTU in den Dax gefreut und spontan dem Vorstand gratuliert“, sagte Stark dem Handelsblatt: „Es ist der krönende Abschluss einer interessanten Industriegeschichte, die ich mitbegleiten durfte.“

Wer den Erfolg von MTU erfassen will, muss in die wechselvolle Vergangenheit des Unternehmens schauen. Und die ist eng mit den beiden Namen KKR und Stark verbunden. KKR hatte den Luftfahrtteil von MTU, der in MTU Aero Engines umbenannt wurde, 2003 aus Daimler herausgekauft. Der damalige Konzernchef Jürgen Schrempp wollte Daimler wieder auf das Thema Auto fokussieren.

Stark wurde am 1. Januar 2005 Vorstandvorsitzender von MTU Aero Engines. KKR habe ihn unmittelbar nach dem Ausscheiden aus dem Vorsitz bei der MG Technologies AG (früher Metallgesellschaft) angesprochen, ob er nicht die Führung bei dem Münchener Triebwerks-Spezialisten übernehmen wolle, erinnert sich der 71-Jährige. Er habe nach sehr kurzer Bedenkzeit zugesagt.

Aber kaum auf dem Posten in München, brach eine heftige Debatte über Finanzinvestoren los. Auslöser war der damalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering, der das Agieren bestimmter Investoren mit einer Heuschreckenplage verglich, bei der alles abgeerntet wird, was verfügbar ist.

Viele Betriebsräte und Gewerkschafts-Funktionäre übernahmen das Sprachbild – auch bei MTU. „Die erste Zeit bei MTU war schwierig, auch weil sie geprägt war von einer Stimmung gegen Finanzinvestoren, die einzelne Politiker mit Begriffen wie Heuschrecken getrieben haben“, erinnert sich Stark.

Fitness-Programm für den Kapitalmarkt

Bei MTU gesellte sich zur deftigen Systemkritik an den Investoren ein umfassender Kulturwandel. Der klare Auftrag von KKR an Stark lautete: MTU sollte schnell fit für den Kapitalmarkt gemacht werden und noch im gleichen Jahr den Börsengang wagen. Ein Plan, der der Belegschaft einiges abverlangte.

MTU war zu der Zeit stark auf Technologie fokussiert. Zudem hatten sich die Mitarbeiter unter dem Konzerndach von Daimler stets recht sicher gefühlt. „Die ersten drei Jahre nach dem Herauskaufen von MTU durch KKR waren für die Arbeitnehmervertreter nicht einfach. Es war für sie eine ungewohnte Situation“, räumt Stark in der Rückschau ein.

Erschwerend kam hinzu: MTU hat eine Historie, in der das Unternehmen viele Aufträge aus der öffentlichen Hand bekam. Man glaubte sich also in einer komfortablen Wettbewerbssituation. „Das hat die Prozesse geprägt. Und das hat auch das Verständnis des Betriebsrates geprägt“, so Stark.

Alles das war der Nährboden für kräftigen Widerstand gegen die Pläne von KKR. „Ich erinnere mich an heftige Proteste des Betriebsrats – auch an persönliche Angriffe – gegen den Plan, ein neues Werk in Polen zu errichten – mit Plakaten, die vor den Toren hochgehalten wurden“, nennt Stark ein Beispiel. Heute sei der Standort einer der besten in der MTU.

Die große Skepsis, auf die das Engagement von KKR stieß, hatte wahrscheinlich auch mit der Person Stark zu tun. Dem Manager eilte damals der Ruf voraus, stets auch seinen eigenen Vorteil im Blick zu haben. Bei AGIV und der MG Technologies ging er mit hohen Abfindungen. Doch KKR wusste offensichtlich sehr gut, dass Stark für den geplanten Umbruch bei MTU genau der Richtige war.

Der Manager startete eine Art Fitnessprogramm für die Vorbereitung auf den Börsengang und die ersten Jahre danach. Und er hatte dabei Glück. Die Luftfahrt boomte, die Auftragsbücher von Airbus und Boeing waren prall gefüllt, Triebwerkskomponenten aus dem Hause MTU heiß begehrt.

Zwischen 2004 und 2007 verdoppelte sich das operative Ergebnis. Es dürfte auch dieser Rückenwind gewesen sein, der es KKR ermöglichte, Stark eine gewisse Freiheit zu lassen und nicht zu aggressiv eingreifen zu müssen – anders als bei Thyssen-Krupp. „Ich kann nur sagen, dass die Zusammenarbeit mit KKR stets sehr gut war und das Management eine große Eigenständigkeit hatte“, blickt der frühere MTU-Chef zurück.

„Mein Abschied war geplant“

Dennoch blieb in München bei vielen die Skepsis gegenüber KKR. Nach wie gab es die Befürchtung, der Finanzinvestor werde MTU finanziell aussaugen. Eine der Vorwürfe, die lange im Raum standen: Bei der eigentlich so technologieorientierten MTU werde nicht mehr ausreichend in Innovationen investiert.

Eine Behauptung, die Stark heute noch verwundert: „Mangelhafte Investitionen waren nie das Problem bei MTU. Es waren vor allem Prozesse und Overheadstrukturen, die gestrafft werden mussten.“ Während seiner Amtszeit, die bis zum Ende 2007 dauerte, sei zum Beispiel die Entwicklung des sogenannten Getriebefans zusammen mit Pratt & Whitney vorangetrieben worden. Heute ist der Flugzeugmotor in vielen Jets zu finden, weil es spritsparend arbeitet.

Dennoch gelang es weder KKR noch Stark, die Vorbehalte bei Teilen der Belegschaft aus dem Weg räumen. Das zeigte sich beim Ausscheiden von Stark. So sollen damals die Arbeitnehmervertreter gegen eine Vertragsverlängerung des Managers opponiert haben. Bestätigt wurde das nie.

Stark hat seine eigene Version. „Mein Abschied bei MTU mit Erreichen der damaligen Altersgrenze von 60 Jahren war geplant“, sagte er, und fügt hinzu: „Ich bin danach dem Unternehmen weiter eng verbunden gewesen, war noch bis 2013 Mitglied des Aufsichtsrats. Der Kontakt zu MTU war gut und ist bis heute gut.“

Aktionäre hatten zu dem Zeitpunkt bereits eine etwas andere Sicht auf MTU als Teile der Belegschaft. „Der Börsengang war einer der erfolgreichsten der letzten Jahre. Sie haben die Ziele deutlich erfüllt und übererfüllt“, lobte Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz das Management bei der Hauptversammlung des Unternehmens im Jahr 2007.

Spätestens mit dem jetzigen Aufstieg in den Dax steht fest: Die Hebel, die damals in der Ägide von KKR bei MTU umgelegt wurden, waren die richtigen und vor allem nachhaltig. Die Papiere wurden 2005 zu einem Preis von 21 Euro ausgegeben. Heute kostet die Aktie fast 260 Euro. Der Umsatz legte zwischen 2005 und 2018 von 2,1 auf 4,5 Milliarden Euro zu, das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) stieg von 130 Millionen auf 620 Millionen Euro.

KKR konnte sein Engagement bei MTU am Ende vergolden, doch das Tun des Finanzinvestors hat sich auch für die Aktionäre und die Belegschaft gelohnt. Zwar schrumpfte die Mitarbeiterzahl im Jahr des Börsengangs zunächst - von rund 7400 auf rund 6700. Ende 2018 waren aber 9731 Menschen bei MTU beschäftigt, mehr denn je. Und Unternehmenschef Reiner Winkler hat in den zurückliegenden Wochen klargemacht: Das Wachstum wird weiter gehen.