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Erfahrung schlägt Follower

Verkauft wurde es als riskantes Aufeinandertreffen zweier Welten. Doch das Youtube-Interview mit Bundeskanzlerin Angela Merkel fällt erschreckend unaufgeregt aus. Viele Zuschauer kritisieren die braven Fragensteller.

Schon eine halbe Stunde nach Beginn schauen sich rund 33.000 Menschen den Livestream zum Youtube-Interview mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an. Es ist zwar kein Neuland für die Kanzlerin. Doch ihr letztes Youtube-Interview ist schon zwei Jahre her. Damals hatte Merkel ins Kanzleramt geladen. Nun ist die Bundeskanzlerin selbst der Gast.

Vier Videoblogger dürfen der CDU-Vorsitzenden ihre Fragen stellen. An Gesprächsstoff mangelte es ihnen nicht: Air Berlin, der Nordkorea-Konflikt, US-Präsident Donald Trump und sein türkischer Amtskollege Recep Tayyip Erdogan. Es gab genug Schlagzeilen in den vergangenen Tagen.

Vor dem Hintergrund der verbalen Eskalation im Konflikt um Nordkorea versuchte Merkel den jungen Interviewern die Sorge vor einem 3. Weltkrieg zu nehmen. Auf die Frage, ob man Angst vor einem neuen Weltkrieg haben müsse, antwortete Merkel: „Nein.“ Zugleich erneuerte sie ihre Warnung vor einem rhetorischen Aufrüsten im Koreakonflikt. „Sprache ist die Vorstufe oft auch zu einer Eskalation, die dann irgendwann in Gewalt münden kann. Das will ich nicht.“ Sie sei froh, dass es zur Vermittlung in dem Konflikt Telefonate zwischen Trump und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping gegeben und der Uno-Sicherheitsrat einmütig gehandelt habe. „Solche Instrumente müssen wir einsetzen. Und dann glaube ich, verantworten zu können, zu sagen: Wir können solche Katastrophen abwenden. Ich werde jedenfalls alles dafür tun.“

Für das Zielpublikum dürften die Interviewer wahrscheinlich genauso berühmt sein wie die Kanzlerin. Zusammen kommen die Videoblogger MrWissen2Go, ItsColeslaw, Alexi Bexi und Ischtar Isik auf gut drei Millionen Abonnenten. Die 21-jährige Beauty-Bloggerin Ischtar Isik gibt Schmink- oder Modetipps. Der 28-jährige Alex Böhm testet als AlexiBexi Technik, vertont Lieder neu oder beantwortet Fragen seiner Abonnenten. Der 31-jährige Mirko Drotschmann erklärt auf seinem Kanal MrWissen2go politische und gesellschaftliche Phänomene. Und die 22-jährige Lisa Sophie ist Journalistin beim WDR. In ihrem Kanal ItsColeslaw geht es neben Unterhaltung auch um ernste Themen wie psychische Krankheiten oder sexuelle Identität.

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Als erstes darf Itscoleslaw (Lisa Sophie) ran. Sie redet mit der Kanzlerin über soziale Gerechtigkeit, Bildung und Pflegejobs und will wissen, wie Merkel in einer möglichen nächsten Amtszeit ein weiteres Auseinanderklaffen der Schere zwischen Arm und Reich verhindern würde. Die Kanzlerin argumentiert, dass die Arbeitslosigkeit sich seit 2006 halbiert habe, und dass sich der Mindestlohn für Menschen mit niedrigen Einkommen um einiges verbessert habe. Was Merkel nicht erwähnt: Beides sind Projekte des kleinen Oppositionspartners SPD.

Als nächstes ist AlexiBexi (Alexander Böhm) an der Reihe. Mittlerweile gucken mehr als 57.000 Menschen dem Livestream zu. Genau wie die anderen Interviewer hat auch er zehn Minuten Zeit, der Kanzlerin Fragen zu stellen. Jetzt geht es um die Automobilbranche, Elektroautos und den Ausbau des Internets. Merkel sagt, dass die Politik aus den Versäumnissen der Vergangenheit gelernt habe und verspricht, dass die Angaben der Hersteller von nun an besser kontrolliert werden, zum Beispiel mit Stichproben und realitätsnäheren Tests, die auf der Straße durchgeführt werden und nicht im Labor. In den vergangenen Jahren bauten Konzerne wie Volkswagen bei unzähligen Diesel-Autos verbotene Abschalteinrichtungen ein, die den Ausstoß schädlicher Abgase manipulieren.

Mrwissen2go (Mirko Drotschmann) versucht von Merkel einen Kommentar zu Trump zu bekommen – und scheitert. Gesprächiger zeigt sich die Kanzlerin allerdings bei einem anderen Staatschef: Recep Tayyip Erdogan. Auf Fragen über ihr schwieriges Verhältnis zum türkischen Präsidenten sagt Merkel, man scheue sich nicht, die bestehenden Meinungsverschiedenheiten immer wieder auszutragen. Die Situation um den seit Ende Februar in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel bezeichnet die Kanzlerin als „extrem unzufriedenstellend“. Zugleich verteidigt sie ihre Linie, mit dem türkischen Präsidenten im Gespräch zu bleiben. Beim umstrittenen Verfassungsreferendum hätten beispielsweise fast 50 Prozent der Wähler gegen Erdogans Pläne gestimmt. „Die haben an uns auch Erwartungen“, sagt Merkel.

Dann widmet sich Drotschmann mit dem Insolvenzantrag von Airberlin noch einem aktuellen Thema. Den Übergangskredit in Höhe von 150 Millionen Euro für die Fluggesellschaft verteidigt Merkel: Zehntausende Reisende im Stich zu lassen, „weil Benzin nicht bezahlt werden kann und die Tickets verfallen, das wäre, glaube ich, nicht angemessen gewesen“, sagt die Kanzlerin. Sie erwarte nicht, dass der Steuerzahler am Ende die Rettung des Unternehmens bezahlen müsse. Die Bundesregierung habe sich die Entscheidung für den Übergangskredit „sehr gut überlegt“.

Ein paar Stunden nach Ausstrahlung hat das Interview immerhin schon mehr als 200.000 Aufrufe. Ob die Jungwähler ihr Kreuzchen am 24. September deswegen bei der CDU machen, bleibt abzuwarten. Ein Blick in die Kommentarspalten im Netz zeigt: Vielen Zuschauern war das Interview zu nett. Sie hatten mehr von ihren Stars erwartet. Aber gegen die Erfahrung einer Angela Merkel kommen am Ende eben auch keine drei Millionen Follower an.