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Warum Erdogan auch nach 16 Jahren noch Wahlen gewinnt

Die Wahlkommission bestätigt den Sieg Erdogans in der ersten Runde. Die Opposition wittert Wahlbetrug. Doch es gibt auch andere Gründe für seinen Sieg.

Die Türkei wird aller Voraussicht nach auch in den kommenden fünf Jahren von Recep Tayyip Erdogan regiert. Bei der Präsidentschaftswahl sicherte er sich inoffiziellen Ergebnisse zufolge rund 53 Prozent der Stimmen. Auch bei der gleichzeitig stattfindenden Parlamentswahl kommt seine Wahlallianz zwischen AKP und MHP auf 54 Prozent.

Die größte Oppositionspartei CHP wies die Möglichkeit einer absoluten Mehrheit für Erdogan in der ersten Wahlrunde auf Basis von Teilergebnissen als „Manipulation“ zurück. CHP-Sprecher Bülent Tezcan rief nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa die Bürger dazu auf, sich vor der Wahlkommission in Ankara zu versammeln und dort bis zum Morgen auszuharren. Ihr Kandidat Muharrem Ince hat sich noch nicht öffentlich geäußert.

Die Ergebnisse sind noch nicht offiziell, trotzdem lassen sich bereits einige Schlüsse ziehen. Zum Einen haben diesmal deutlich mehr Menschen im Land taktisch gewählt, im Vergleich zu vorherigen Wahlen. Das gilt für beide Lager. Bei den Erdogan-Anhängern hat es vor den Wahlen zahlreiche Berichte über Wähler gegeben, die Erdogan als Präsident zwar weiter unterstützen, sich aber von der AKP abgewandt haben. Das zeigt sich auch bei den Ergebnissen: Während Erdogan 54 Prozent erhält, kommt seine AKP auf 43 Prozent.

Jedoch scheinen viele von ihnen zur rechtsnationalen MHP abgewandert zu sein, die im Parlament wiederum ein Bündnis mit der AKP eingegangen ist. Das heißt: Viele wollten der AKP einen Denkzettel verpassen. Am Ende wählten sie dann aber mit der MHP eine Partei, die der AKP über das Bündnis am Ende doch die Mehrheit im Parlament sichert. Sozusagen ein letzter Schuss vor den Bug, ein Denkzettel mit Herzchen drauf.

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Im Oppositionslager wählten viele den aussichtsreichen Kandidaten Ince von der CHP, bei der Parlamentswahl wählten allerdings überproportional viele die links-liberale HDP. Sie wollten damit erreichen, dass die HDP in jedem Fall über zehn Prozent der Stimmen erhält und sich damit den Einzug ins Parlament sichert. Die Rechnung scheint aufgegangen zu sein: Die HDP kommt nach aktuellen Angaben auf 10,87 Prozent und sichert sich damit 65 der 600 Sitze, die den anderen Parteien nicht mehr zur Verfügung stehen.

In unsicheren Zeiten wählen viele konservativ

Doch warum hat Erdogan, den aktuellen Zahlen zufolge, überhaupt schon wieder gewonnen? Ein wichtiges Thema war die Wirtschaft. Das Bruttoinlandsprodukt wächst zwar mit Traumraten, allerdings zu einem hohen Preis. Weil das Wachstum über Schulden finanziert worden ist, ist die Inflation stark angestiegen, die Lira wurde im Gegenzug immer schwächer. Preise für Grundnahrungsmittel wie Zwiebeln oder Kartoffeln haben sich binnen eines Jahres vervierfacht.
Viele machten dafür Erdogan und sein Führungsteam verantwortlich. Aber: Selbst wenn die Wähler Angst vor einem wirtschaftlichen Crash gehabt haben sollten, dann haben sie den anderen Parteien offenbar nicht dessen Lösung zugetraut.

Das belegt der Wahlkampf. Alle Gegenkandidaten hatten zwar angekündigt, die wirtschaftlichen Probleme angehen zu wollen. Doch niemand erklärte, wie er oder sie das anstellen wolle. In solch unsicheren Zeiten wählen viele lieber konservativ, also: lieber kein Wechsel in der politischen Führung. Anders ausgedrückt: Viele Wählerinnen und Wähler könnten durchaus Erdogan und seine AKP für die wirtschaftlichen Probleme im Land verantwortlich gemacht haben. Zur selben Zeit traut aber offenbar eine Mehrheit im Volk ausschließlich ihm und seiner Partei die Lösung dieser Probleme zu.

Eins steht fest: Herausforderer Muharrem Ince hat einen hervorragenden Wahlkampf absolviert. Der ehemalige Physiklehrer und Abgeordnete der säkularen CHP hat an vielen Orten hunderttausende Menschen zusammengebracht und für die Wahlen mobilisiert. Er war furchtlos, kreativ und schlagfertig. In einem TV-Duell hätte er Erdogan wohl an die Wand geredet.

Doch Erdogan geht einen anderen, perfideren Weg. Er packte die Menschen bei ihrem Stolz. Erdogan hat Millionen ärmere Türken in die Mittelschicht geholt und ihnen einen Platz in der Mitte der Gesellschaft verpasst, allen voran Frauen, die ein Kopftuch tragen. Millionen von ihnen sind ihm ewig dankbar dafür, dass sie sich dank ihm in der Öffentlichkeit ihres Kopftuchs nicht schämen müssen und an türkischen Universitäten mit verschleierten Haaren studieren dürfen.

Hinzu kommt: Während Ince in seinem Wahlkampf betonte, die Beziehungen zum Westen verbessern zu wollen, wählt Erdogan seit 16 Jahren einen anderen Weg. Er schafft es, auch als mächtigster Mann des Landes, sich selbst noch als von den Eliten verratenen Jungen darzustellen, der sich dem „bösen Westen“ entgegenstellt und die Türkei zu neuer Stärke in der Region führt. Diese Sichtweise muss man gewiss nicht teilen – in der Türkei ist sie mehrheitsfähig.