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Eon und RWE müssen entschädigt werden

Das Verfassungsgericht hat entschieden: Der beschleunigte Atomausstieg war im Grundsatz korrekt – Eon, RWE und Vattenfall steht aber eine Entschädigung zu. Aus den hohen Milliardenbeträgen wird jedoch nichts.

Es waren bewegte Monate im ersten Halbjahr 2011. Am 11. März kam es im Atomkraftwerk im japanischen Fukushima zur Katastrophe. Die Folgen erschütterten auch die deutsche Atomwirtschaft. Die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung brachte innerhalb weniger Monate ein neues Gesetz auf den Weg, das in Deutschland den Atomausstieg wieder beschleunigte und das Aus für die umstrittene Technologie bis 2022 besiegelte.
Die Entscheidung wurde damals von einer Mehrheit in der Bevölkerung getragen – aber war sie auch rechtens?

„Im Wesentlichen“ ja, urteilte am heutigen Dienstag das . Die Novelle sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Der erste Senat bewertete die damals getroffenen Regelungen „weitgehend als eine zumutbare und auch die Anforderungen des Vertrauensschutzes und des Gleichbehandlungsgebots wahrende Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums“. Im Klartext: Es war keine unzulässige Enteignung. Das hatten die Atomkonzerne Eon, RWE und Vattenfall in ihren Verfassungsbeschwerden bemängelt.

Die Konzerne erzielten aber einen Teilerfolg. Den Unternehmen steht eine Entschädigung zu. Die Bundesregierung muss das Gesetz bis zum 30. Juni 2018 nachbessern. „Der an sich zulässigen gesetzlichen Eigentumsausgestaltung fehlt hier die verfassungsrechtlich notwendige Ausgleichsregelung“, sagte Vizegerichtspräsident Ferdinand Kirchhof bei der Urteilsverkündung. Mit der Karlsruher Entscheidung wird den Unternehmen noch kein Geld zugesprochen. Sie schafft aber die Grundlage dafür, um Ansprüche außergerichtlich oder in weiteren Prozessen durchzusetzen.

Die Entschädigung dürfte aber viel geringer ausfallen als die hohen zweistelligen Milliardenbeträge, die die Konzerne haben wollten. Der Bund muss die Konzerne nur für jene Strommengen entschädigen, die ihnen beim ersten Atomausstieg 2002 zugesichert worden waren – und die sie jetzt nicht mehr produzieren können. Dagegen steht den Konzernen kein Ausgleich für die Strommengen zu, die den Konzernen erst im Herbst 2010 bei der Revision des Atomausstiegs zusätzlich gewährt wurden. Sie können lediglich eine Entschädigung einfordern, falls sie in den wenigen Monaten zwischen Revision und neuem Gesetz Investitionen getätigt haben.

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Die Richter hatten fast fünf Jahre lang über die Verfassungsbeschwerden beraten. Eon, RWE und Vattenfall ging es dabei nicht mehr um eine Revision des Atomausstiegs. Sie haben sich mit dem Atomausstieg abgefunden und sich inzwischen allesamt mit radikalen Umstrukturierungen auf das Geschäft mit der Energiewende ausgerichtet.

Die Manager der Konzerne sahen aber bis heute in der Entscheidung einen nicht zulässigen Eingriff in die Eigentumsrechte der Aktionäre. Die Entscheidung sei überhastet und unzureichend begründet gewesen. Im März hatte unter anderem Eon-Chef Johannes Teyssen bei einer Anhörung in Karlsruhe persönlich die Rechtsposition seines Konzerns bekräftigt. „Es geht mir nicht um die Frage der Energiewende“, hatte Teyssen fest gehalten, „es geht um eine faire Entschädigung.“

Hätten die Verfassungsrichter den Beschwerden komplett stattgegeben, hätten die Konzerne vor Zivilgerichten eine zweistellige Milliardensumme einklagen können. Eon beziffert den Schaden durch den von der Regierung angeordneten Atomausstieg mit acht Milliarden Euro, insgesamt standen 19 Milliarden Euro im Raum. Der vierte Betreiber von Atomkraftwerken, EnBW, durfte nicht klagen, weil er größtenteils im Eigentum der öffentlichen Hand ist – EnBW gehört zur Hälfte dem Land Baden-Württemberg. Jetzt dürfte es allenfalls um eine niedrige Milliardensumme gehen.


Tauziehen ist noch nicht komplett vorbei

Das Urteil verlieh den Aktien von Eon und RWE am Dienstag Auftrieb. Die arg gebeutelten Aktienkurse der beiden Unternehmen zogen um je mehr als sechs Prozent an. „Das wird zwar noch ein sehr langwieriger Prozess sein, ehe da tatsächlich Geld fließt. Aber die Investoren sind trotzdem erleichtert, dass es überhaupt eine Aussicht auf Entschädigung gibt“, fasste ein Händler zusammen.

Um die konkrete Entschädigung ging es in Karlsruhe nicht. Selbst bei einem kompletten Erfolg hätten die Versorger erst vor Zivilgerichten Klagen einreichen müssen. Und es wäre auch fraglich gewesen, ob die geltend gemachten Milliardensummen da überhaupt Bestand gehabt hätten. Schließlich hat sich die Lage auf dem Strommarkt radikal geändert.

Die Konzerne hatten damals ihre Milliardenforderungen mit den Cashflows begründet, die ihnen durch die Verkürzung der Laufzeiten entgehen. Damals, im Sommer 2011, wurde die Megawattstunde Strom aber auch noch für 60 Euro gehandelt. Derzeit liegt der Preis bei kaum mehr als 30 Euro, weil der Markt mit Wind- und Solarstrom geflutet wird. Selbst Kernkraftwerke sind kaum noch rentabel.

Komplett beendet ist das Tauziehen um eine noch höhere Entschädigung aber auch noch nicht. Vattenfall hat die 4,7 Milliarden Euro, die der Konzern geltend macht, auch vor einem internationalen Schiedsgericht in den USA eingeklagt. Die Verhandlungen hat vor kurzem begonnen. Die Erfolgsaussichten werden dort in Branchenkreisen als höher eingeschätzt. Der Schritt stand nur den Schweden als ausländischem Investor offen. Eon würde aber ebenfalls profitieren, weil der Konzern an den beiden Vattenfall-Kraftwerken Krümmel und Brunsbüttel beteiligt ist.

Darüber hinaus laufen noch weitere Klagen, die zwar nicht den Atomausstieg als ganzes in Frage stellen, aber Teile. Eon, RWE und EnBW klagen auf eine Befreiung und Rückzahlung der 2011 eingeführten Brennelementesteuer. Eon hat nach eigenen Angaben bislang rund 2,7 Milliarden Euro an den Fiskus gezahlt, RWE 1,7 Milliarden Euro und EnBW 1,4 Milliarden Euro. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) billigte im Juni 2015 zwar die Steuer, das könnte sie aber noch kippen.

Die drei Konzerne klagen zudem gegen das Moratorium, mit dem Bund und Länder unmittelbar nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima die sieben ältesten der damals 17 Reaktoren unmittelbar vom Netz gehalten hatten.

KONTEXT

Die deutschen Atomkraftwerke und ihre Restlaufzeiten

Schrittweiser Automausstieg

Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima 2011 nahm die Bundesregierung ihre erst ein Jahr zuvor vereinbarte Laufzeitverlängerung für die Kernkraftwerke zurück und beschloss einen schrittweisen Atomausstieg. Statt frühestens 2036 soll nun der letzte Meiler bis 2022 vom Netz gehen. Acht AKW wurden 2011 sofort stillgelegt.

Rückbau

Der Rückbau wird Jahre dauern und Milliarden kosten - hinzu kommen die ungewissen Kosten bei der Endlagerung des Atommülls. Die Restlaufzeiten der noch in Betrieb befindlichen Reaktoren:

Neckarwestheim II (Baden-Württemberg)

Haupteigentümer: EnBW

Nennleistung in Megawatt: 1395

Restlaufzeit: sechs Jahre (1989 - 2022)

Philippsburg II (Baden-Württemberg)

Haupteigentümer: EnBW

Nennleistung in Megawatt: 1458

Restlaufzeit: drei Jahre (1984 - 2019)

Isar II (Bayern)

Haupteigentümer: Eon

Nennleistung in Megawatt: 1475

Restlaufzeit: sechs Jahre (1988 - 2022)

Gundremmingen B (Bayern)

Haupteigentümer: RWE/Eon

Nennleistung in Megawatt: 1344

Restlaufzeit: ein Jahr (1984 - 2017)

Gundremmingen C (Bayern)

Haupteigentümer: RWE/Eon

Nennleistung in Megawatt: 1344

Restlaufzeit: fünf Jahre (1984 - 2021)

Grohnde (Niedersachsen)

Haupteigentümer: Eon

Nennleistung in Megawatt: 1360

Restlaufzeit: fünf Jahre (1984 - 2021)

Emsland (Niedersachsen)

Haupteigentümer: RWE/Eon

Nennleistung in Megawatt: 1400

Restlaufzeit: sechs Jahre (1988 - 2022)

Brokdorf (Schleswig-Holstein)

Haupteigentümer: Eon/Vattenfall

Nennleistung in Megawatt: 1440

Restlaufzeit: fünf Jahre (1986 - 2021)