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BMW-Vorstand zum autonomen Fahren: „Das können wir genauso wie Tesla“

Im Interview erklärt BMW-Vorstand Frank Weber, warum der neue iX ein ernsthafter Konkurrent für Tesla ist – und warum BMW den Fahrer nicht durch einen Computer ersetzen will.

Der BMW-Konzern ist skeptisch mit Blick auf die Einführung des Autonomen Fahrens. „Das Lenkrad wird noch lange bleiben. Wir haben als BMW immer darauf hingewiesen: Die Entwicklung des automatisierten Fahrens ist hoch anspruchsvoll“, sagt BMW-Entwicklungschef Frank Weber im Interview mit dem Handelsblatt.

Weber stellt am Mittwoch den BMW „iX“ vor. Das Elektroauto soll im kommenden Jahr auf den Markt, wird aber anders als zuvor versprochen zunächst nicht mit einem Autobahnpiloten selbstständig fahren können. „Für die technisch notwendige Absicherung des Technologiebaukastens brauchen wir noch Zeit nach der Einführung des Autos. Wenn wir in der Kombination aus Sicherheit, Funktion und Verantwortungsübernahme durch das System einen echten Mehrwert für unsere Kunden sehen, werden wir die Option anbieten“, erklärte Weber.

„Bei uns geht Sicherheit und Kundenfunktion immer Hand in Hand. Deswegen werden wir die Verantwortung nicht vorschnell vollständig vom Fahrer auf den Computer übertragen, wie es beim hochautomatisierten Fahren der Stufe 3 der Fall ist“.

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Weber reagiert damit auch auf Ankündigungen der Konkurrenten Waymo, Tesla und der Intel-Tochter Mobileye. Die Technologiekonzerne arbeiten mit Hochdruck an der Einführung von so genannten Robotertaxis, die den Fahrer überflüssig machen. Johann Jungwirth, Chef der Mobilitätssparte von Mobileye hatte erst vergangenen Woche erklärt, dass ab 2025 „das Lenkrad zur Sonderausstattung“ gehören könnte.

Lesen Sie hier das komplette Interview:

Herr Weber, vor der Tür lassen Sie testweise Autos über die Autobahn fahren, in denen der Computer lenkt. Wann werden das Ihre Kunden erleben?
Wir bereiten uns sehr intensiv auf diese Technologie vor. Der „iX“ hat unseren neuen Technologiebaukasten an Bord, um die nächste Generation Fahrassistenzsysteme in den Markt einführen zu können. Bei uns gehen Sicherheit und Kundenfunktion immer Hand in Hand. Deswegen werden wir die Verantwortung nicht vorschnell vollständig vom Fahrer auf den Computer übertragen, wie es beim hochautomatisierten Fahren der Stufe 3 der Fall ist.

2018 kündigten Sie an, dass der „iX“ hochautomatisiert fahren kann. Warum machen Sie jetzt einen Rückzieher?
Wir haben immer auf die enorme Herausforderung hingewiesen, wenn das Fahrzeug die Verantwortung vom Fahrer übernehmen soll. Für die technisch notwendige Absicherung des Technologiebaukastens brauchen wir noch Zeit nach der Einführung des Autos. Wenn wir in der Kombination aus Sicherheit, Funktion und Verantwortungsübernahme durch das System einen echten Mehrwert für unsere Kunden sehen, werden wir die Option anbieten. Das gilt auch für den Gesetzgeber, der erst klären muss, wie er diese Technologie testet und bewertet.

Woran orientieren Sie sich bei der Zulassung?
Wir müssen beim hochautomatisierten Fahren nachweisen, dass der Computer sicherer fährt als der Mensch. Heute fahren Menschen am Stück 700 Millionen Kilometer unfallfrei. Das ist für uns die Referenzgröße.

Autobahnen sind doch eher monoton zu fahren, das sollte ein Computer doch schaffen.
Das normale Fahren auf der Autobahn ist nicht das Problem, das bieten unsere Fahrzeuge ja heute schon mit Assistenzsystemen in Stufe 2. Aber nehmen wir an, wir überholen einen Lastwagen, der langsam in unsere Fahrspur kommt. Bei dem „iX“ mit seinen Assistenzfunktionen entscheidet immer noch der Fahrer, wie diese kritische Situation zu lösen ist. Wenn wir beim hochautomatisierten Fahren die Verantwortung vom Fahrer an das Fahrzeug abgeben, muss der Computer abwägen, was zu tun ist: bremsen oder beschleunigen? Es geht um diese Sondersituationen, in denen der Computer sicher handeln muss.

„Das können wir genauso wie Tesla“

Kann der Computer das? Hat er über seine Sensoren genug Informationen und Daten?
Unsere Laserscanner werden weiter schauen als alles, was heute auf dem Markt ist. Das müssen sie auch. Denn heute liegt die Grenze für hochautomatisiertes Fahren noch bei 60 Stundenkilometern, bald könnten wir auf 80 und 100 Stundenkilometer kommen. Der Einbau dieser Laserscanner in Serie ist eine Kostenfrage, deshalb wird diese Technik erst dann kommen, wenn alle Rahmenbedingungen geschaffen sind. Der „iX“ ist dabei der Schneepflug für die gesamte Modellpalette. Was wir hier entwickeln, geht im Laufe der Zeit in andere Modelle über wie 7er und 5er.

Die hohen Kosten für die Lidar-Sensoren spart sich Ihr Konkurrent, Tesla arbeitet nur mit Kameradaten. Auf dieser Basis liefert Tesla einen „Autopiloten“ aus. Ist Tesla mutiger als BMW?
Bei den heutigen Systemen Stufe 2 ist kein Lidar notwendig. Das können wir genauso wie Tesla. Ab Stufe 3 mit Verantwortung beim Fahrzeug wird es ohne Lidar nicht gehen – für keinen Anbieter.

Dennoch fahren Tesla-Kunden in den USA bereits freihändig über den Highway.
Die Zulassung eines Autos in den USA ist völlig anders als in Europa. Ich kann nur für uns sprechen: Wir bieten in den USA bereits ein Assistenzsystem der Stufe 2 an, bei dem der Fahrer auf der Autobahn über längere Abschnitte die Hände vom Lenkrad nehmen kann – aber er muss weiter den Verkehr beachten, und das überwacht das Assistenzsystem mit einer Kamera im Cockpit. Das ist in den USA rechtlich möglich, und unsere Fahrzeuge beweisen täglich, dass das sicher funktioniert. Dennoch bleibt die Verantwortung beim Fahrer, anders als bei Stufe 3, wo man die Verantwortung an das Fahrzeug abgibt.

Also dauert es in Europa deutlich länger.
Der Gesetzgeber in Europa hat die Schwelle zu Stufe 3 erst einmal auf 60 Stundenkilometer festgelegt, bis zu der hochautomatisiertes Fahren möglich ist. Das heißt: Auch wenn unser System wesentlich mehr kann, könnten wir es bislang nur bis 60 Stundenkilometer zulassen. Wir werden uns gemeinsam mit dem Gesetzgeber an höhere Geschwindigkeiten herantasten. Ob ein Auto 60 fährt oder 100, erfordert eine wesentlich höhere Rechenleistung. Deshalb ist der Gesetzgeber sehr vorsichtig in Europa.

Ist diese europäische Vorsicht ein Wettbewerbsnachteil für BMW?
Wir sind froh, dass sich die EU-Kommission und die Bundesregierung jetzt beschleunigt mit dem Thema beschäftigen. Es ist ein anspruchsvoller Prozess, denn es müssen auch ethische Fragen geklärt werden. Unserer Sicherheitsphilosophie entspricht dieses Vorgehen aber sehr. Wenn Wettbewerber anders handeln und dafür gewisse Risiken in Kauf nehmen, ist das für uns kein Maßstab.

Dennoch haben wir den Eindruck, dass die Tech-Industrie sehr viel zielstrebiger auf das autonome Fahren hinarbeitet. Das Ziel von Waymo und Uber und Mobileye ist die Einführung von Robotertaxis.
Das innerstädtische Fahren ist eine völlig andere Kategorie. Hier sprechen wir davon, dass das Fahrzeug allein fährt, ohne die Erwartung, dass der Fahrer eingreift. Das braucht noch viel mehr Zeit. Es gibt Kreuzungen, es gibt Fahrradfahrer, und plötzlich geht irgendwo eine Autotür auf. Wenn Sie in der Stadt hochautomatisiert fahren wollen, dann müssen Sie extrem abgesicherte Rahmenbedingungen schaffen, eigene und abgetrennte Fahrspuren für automatisierte Fahrzeuge zum Beispiel, um andere Verkehrsteilnehmer zu schützen.

„Die Euphorie der Tech-Industrie trifft auf die Wirklichkeit“

Das trauen sich einige zu. Die Intel-Tochter Mobileye will schon Mitte des Jahrzehnts die Lenkräder abschaffen.
Das Lenkrad wird noch lange bleiben. Wir haben als BMW immer darauf hingewiesen: Die Entwicklung des automatisierten Fahrens ist hochanspruchsvoll. Nehmen Sie mal die Ankündigungen bestimmter Anbieter aus dem Jahr 2012. Damals hieß es: Im Jahr 2015 fährt alles autonom. 2019 war es dann auch noch nicht so weit, jetzt soll es also in den nächsten Jahren sein.

Haben da einige den Mund zu voll genommen?
Die Euphorie der Tech-Industrie trifft nun auf die Wirklichkeit. Unser oberstes Ziel ist es, alle zu schützen, die im Straßenverkehr unterwegs sind. Und daraus ergibt sich, dass der ganze Prozess Zeit braucht. Dann gibt es noch jene Konzepte, die den Fahrer ersetzen wollen. Wir wollen den Fahrer nicht ersetzen. Natürlich wird es an einigen Orten auch autonome Kabinen geben, die sich in der Stadt bewegen. Aber das ist nicht primär das Feld, in dem wir uns sehen.

Ist das der Grund, warum Sie die weiteren Schritte des autonomen Fahrens gemeinsam mit Daimler auf die lange Bank geschoben haben?
Wir sind ja nicht die Einzigen, die das so sehen. Viele Hersteller verschieben ihre Projekte jetzt vom Auto- in das Nutzfahrzeuggeschäft. Das ist einfacher, da fährt auf der Autobahn auf der Langstrecke ein Lastwagen hinter dem anderen, manchmal Hunderte von Kilometern. Ein Auto bewegt man völlig anders, das fährt auch durch Städte. Erst im kommenden Jahrzehnt wird es die offiziellen Aussagen zu den Rahmenbedingungen geben, um urban automatisiert fahren zu können.

Die Tech-Industrie sieht Milliardenumsätze, wenn sich der private Autoverkehr auf Sharingdienste verlagert. Sie nicht?
Wir haben ja in den vergangenen Jahren mit „Your Now“ einen führenden Mobilitätsdienstleister in Europa gemeinsam mit Daimler aufgebaut. Aktuell ist der Teil der individuellen Mobilität, den man mit diesen Mobilitätsdiensten ersetzen kann, nach unserer Einschätzung noch begrenzt. Wir stellen uns die Frage, was in Zukunft für den Kunden relevant ist. Dabei schauen wir uns auch die Entwicklungen der Sharing- und On-Demand-Dienste sehr genau an. Was sind die attraktiven Geschäftsfelder für uns? Das bewerten wir regelmäßig.

Und das Ergebnis?
Diese Dienstleistungen werden sicherlich mit zunehmender Digitalisierung ihren Platz bekommen – und zwar primär in den großen, urbanen Zentren. Viele unserer Kunden heute leben überwiegend in den stadtnahen Bereichen, und nicht jeder will und kann das eigene Auto durch solche Dienste ersetzen.

„Wir sind keine Besitzstandswahrer, die sich die Lage schönreden“

Um künftig erfolgreich zu sein, reicht es folglich, wenn BMW einfach weiter hochwertige Autos baut, oder?
Nein, das wäre eine Missinterpretation. Wir sind keine Besitzstandswahrer, die sich die Lage schönreden. Im Gegenteil. Wir schauen uns ganz genau an, wie sich Urbanität und Mobilität verändern. Unsere eigene Erfahrungen in diesem sehr dynamischen Geschäftsfeld kommt uns dabei sehr zugute. Die Entwicklungen, die hierfür vor einigen Jahren prognostiziert wurden, treten aber möglicherweise langsamer ein. Natürlich registrieren wir dabei gewisse Tendenzen in urbanen Räumen hin zu neuen Mobilitätskonzepten. Diese stellen aber unser gesamtes Geschäftsmodell nicht grundlegend infrage.

Was ist die Konsequenz aus dieser Erkenntnis: War die Milliarde, die BMW und Daimler in die gemeinsamen Your-Now-Dienste investiert haben, rausgeschmissenes Geld?
Ganz im Gegenteil. Für einen Automobilhersteller ist es weiterhin von zentraler Bedeutung zu wissen, wie Mobilität insgesamt funktioniert. Bis September 2020 nutzten 95,8 Millionen Menschen die Dienste des Joint Ventures. Durch diese Erfahrungen können wir für die Zukunft viele wichtige Erkenntnisse ableiten. Durch Share Now haben wir beispielsweise einen ganz anderen Einblick, welche Chancen und Probleme es beim Carsharing gibt. Als Beispiel: Elektromobilität zu teilen ist aktuell nicht einfach für die Kunden. Denn dort, wo sie die Autos idealerweise parken würden, gibt es keine Ladesäulen. Da reinzugehen und diesen Bereich zu verstehen ist aber enorm wichtig.

Wäre es dann nicht konsequenter, die eigenen Mobilitätsdienste gänzlich aufzugeben?
Wir haben sehr viel Know-how in diesem Gebiet gewonnen, und die aktuelle Situation ist sehr dynamisch. Gerade erschwert zudem die Pandemie das Geschäft für manche Dienste. Grundsätzlich stehen beide Shareholder hinter ihren Beteiligungen im Mobilitätssektor. Für deren Weiterentwicklung kann die Öffnung für Partner und Investoren eine wichtige Rolle spielen. Beiden Teilhabern ist zudem daran gelegen, die Beteiligungen auf nachhaltige Profitabilität auszurichten.

Herr Weber, vielen Dank für das Interview.