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Düsseldorf (dpa) - Strom und Erdgas sind für Haushalte in den vergangenen zwölf Monaten im Durchschnitt deutlich günstiger geworden. Verbraucherschützer sehen dennoch weiteres Sparpotenzial bei den beiden wichtigsten netzgebundenen Energieträgern.
«Neukunden bekommen bei Strom wieder Tarife für im Schnitt 30 Cent pro Kilowattstunde, bei Gas sind es rund 9 Cent pro Kilowattstunde», sagt Amelie Vogler von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Den bevorstehenden Beginn der Heizperiode hält die Energieexpertin für einen «guten Zeitpunkt, um zu wechseln».
Durchschnittspreise liegen unter Preisbremsen
Das finden die Vergleichs- und Wechselportale Verivox und Check24 auch - und rechnen vor: Beim Vergleichsportal Check24 zahlt ein Musterhaushalt derzeit für Strom 37,3 Cent je Kilowattstunde, 13 Prozent weniger als vor Jahresfrist. Das Portal Verivox kommt auf 38,9 Cent.
Bei Erdgas sind die Preise für Durchschnittshaushalte noch deutlicher gefallen: Bei Check24 um 48 Prozent auf 11,3 Cent je Kilowattstunde, bei Verivox auf 11,9 Cent. Die Preisdeckel der Energiepreisbremsen werden damit unterschritten. Sie liegen für Privathaushalte für Strom bei 40 Cent und für Gas bei 12 Cent, jeweils je Kilowattstunde.
Grundversorger-Tarife oft oberhalb der Preisbremsen
Vor allem auf die Tarife der Grundversorger, also die Unternehmen mit den jeweils meisten Kundinnen und Kunden in einem Versorgungsgebiet, haben die Portale es abgesehen: «Obwohl es aktuell zu vereinzelten Preissenkungen bei Grundversorgern kommt, liegen immer noch knapp 70 Prozent der Gastarife oberhalb der Preisbremse, bei Stromgrundversorgern sind es 59 Prozent», sagt der Energiechef von Check24, Steffen Suttner.
Auch wenn die Grundversorgungstarife unterhalb der Preisbremsen lägen, seien alternative Anbieter flächendeckend deutlich günstiger.
Viele Grundversorger wollen Preise senken
Grundversorger haben allerdings in großer Zahl auch Preissenkungen angekündigt. Verivox sind für September, Oktober und November bislang 146 Strompreissenkungen von Grundversorgern bekannt. «Die Preise sinken um durchschnittlich 16 Prozent, was für eine dreiköpfige Familie mit einem Jahresverbrauch von 4000 Kilowattstunden eine Entlastung von rund 351 Euro bedeutet», rechnet Verivox-Experte Thorsten Storck vor. Einige würden aber auch erhöhen. Zehn Grundversorger würden ihre Preise um durchschnittlich 3,5 Prozent anheben. «Das entspricht Mehrkosten von 52 Euro pro Jahr.» Bei Gas sind Verivox für die drei Monate bisher 112 Preissenkungen bekannt. Im Schnitt gingen die Preise dabei um 26 Prozent runter. Gleichzeitig hätten neun Gas-Grundversorger Erhöhungen um durchschnittlich 5 Prozent angekündigt.
Ein Wechsel lohne sich in den meisten Fällen, sagt Vogler. «Verbraucherinnen und Verbraucher sollten allerdings ihre Vertragslaufzeiten und Kündigungsfristen prüfen und im Blick haben.»
Wer auf Nummer sicher gehen will, könne auch eine Preisgarantie abschließen, beispielsweise von 12 Monaten. «Damit schützt man sich vor steigenden Beschaffungskosten der Versorger.» In der Grundversorgung hat man diese Garantie nicht, betont die Expertin. «Hier können Preise jederzeit mit einer Frist von sechs Wochen angepasst werden. Aber man kann auch jederzeit mit einer Frist von zwei Wochen aus der Grundversorgung austreten.»
Strom-Experten rechnen nicht mit «Preisexplosionen»
Strommarktexperten rechnen in der nächsten Zeit nicht mit großen Preisausschlägen. «Sofern wir von einem durchschnittlichen Winter und keinen geopolitischen Extremereignissen ausgehen, deutet nichts auf Preisexplosionen am Strommarkt in den kommenden Quartalen und im nächsten Jahr hin», sagt Strommarktexperte Mirko Schlossarczyk vom Beratungsunternehmen Enervis.
Die aktuellen Großhandelspreise für Lieferungen in den kommenden Monaten und in 2024 tendierten seitwärts oder leicht fallend. «Die Strom-Endverbraucherpreise dürften sich daher auch in der nahen Zukunft im Mittel im Bereich von 30 bis 35 Cent je Kilowattstunde bewegen.»
Gas-Experten bewerten Markt weiterhin als «angespannt»
Bei Erdgas sehen Experten größere Unwägbarkeiten. So seien die Großhandelspreise im kommenden Winter vom LNG-Angebot im Weltmarkt, der Verfügbarkeit von Pipeline-Gas sowie der Temperaturentwicklung, aber auch von der Einsparung durch Industrie und Haushalten abhängig, sagt Enervis-Gasmarktexperte Sebastian Gulbis. «In einem besonders kalten Winter können erneut hohe Preise auftreten und in einem warmen Winter vergleichsweise niedrige Preise. Der Markt ist weiterhin angespannt.» Für Haushaltskunden dürfte daneben auch die Wiederherstellung des Mehrwertsteuersatzes eine Rolle spielen, so Gulbis.
Wegen der hohen Energiepreise nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hatte die Bundesregierung den Mehrwertsteuersatz für Gas vorübergehend von 19 auf 7 Prozent gesenkt und Gas so billiger gemacht. Nun soll diese Sonderregelung drei Monate früher als geplant bereits zum Jahreswechsel auslaufen, heißt es in Regierungskreisen.
Sparen schont den Geldbeutel
«Sparen ist auch weiterhin wichtig», sagt denn auch Verbraucherschützerin Vogler. Zwar habe sich die Lage vom letzten Jahr wieder deutlich beruhigt. Gas sei aber nach wie vor ein knappes und teures Gut. «Außerdem entlastet jede gesparte Kilowattstunde Strom oder Gas auch den eigenen Geldbeutel.»
Heizöl momentan wieder teurer
Während knapp die Hälfte der Wohnungen in Deutschland mit Erdgas beheizt wird, kommt Heizöl auf etwa ein Viertel. Auch dort sind die Preise seit Jahresbeginn gesunken - zunächst. «Von circa 1,25 Euro je Liter am 1. Januar bis knapp unter 90 Cent im Mai und Juni», sagt Oliver Klapschus vom Vergleichsportal Heizoel24. Seit Mitte Juli stiegen die Preise jedoch wieder. Der aktuelle Literpreis betrage im bundesdeutschen Durchschnitt etwa 1,15 Euro.
Klapschus rechnet damit, dass die aktuelle Marktphase noch eine Weile anhält. «Heizölinteressenten, die auf bessere Zeiten warten, müssen einen langen Atem haben.» Im neuen Jahr winke möglicherweise Entlastung: «Global gesehen ist das erste Quartal das mit der geringsten Ölnachfrage, und die Weltmarktpreise geben hier häufig nach.» Eine Bevorratung im September oder Oktober im unmittelbaren Vorfeld der Heizperiode sei dagegen fast immer ungünstig.
Dennoch: «Der September ist generell einer der absatzstärksten Heizöl-Monate im Kalender - das gilt auch 2023.» Klapschus geht davon aus, dass sich die Bevorratungssaison bis weit in den Herbst ziehen wird. «Trotz der Tatsache, dass bereits im ersten Halbjahr viele Verbraucher aktiv waren, ist der Bedarf insgesamt noch groß.»