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Ende der globalen Reisewarnung: Was das für Wirtschaft und Verbraucher bedeutet

Zum 1. Oktober wird die pauschale Reisewarnung durch spezielle Sicherheitshinweise ersetzt. Was ändert sich damit für Verbraucher?

„Es wird fast keine Möglichkeit geben, außerhalb Europas zu reisen – und auch innerhalb Europas wird es immer schwieriger.“ Foto: dpa
„Es wird fast keine Möglichkeit geben, außerhalb Europas zu reisen – und auch innerhalb Europas wird es immer schwieriger.“ Foto: dpa

Die pauschale Reisewarnung für fast alle der etwa 160 Länder außerhalb der EU und des Schengen-Raums ist beendet. Mit dem 1. Oktober 2020 soll es nach einem Beschluss des Bundeskabinetts auf die Lage in den einzelnen Staaten zugeschnittene Bewertungen geben. An der Möglichkeit zu reisen werde sich damit aber praktisch wohl wenig ändern, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes (AA) am Mittwoch.

Was kommt jetzt auf Verbraucher zu, worauf müssen sie achten? Und wie geht die Reisebranche mit den neuen Regeln um? Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten:

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Was ändert sich ab 1. Oktober?
Die allgemeine Covid-19-Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für die Länder außerhalb der EU gilt ab heute nicht mehr. Von nun an veröffentlicht die Bundesregierung für jedes Land einzeln eine Bewertung. Ziel ist es, auch verstärkt die Lage in bestimmten Regionen zu bewerten, um nicht gleich ganze Staaten zum Risikogebiet erklären zu müssen.

Werden Auslandsreisen also nun einfacher?
Fürs Erste bringt die neue Regelung wenig: Wegen des Infektionsgeschehens stuft die Bundesregierung die allermeisten Länder weiterhin als Risikogebiete ein. Das gilt derzeit für 123 Länder ganz und für 15 teilweise. Jenseits der Reisewarnung wird das AA künftig zudem von Reisen in bestimmte Länder „abraten“. Dies sind vor allem jene rund 50 Länder, die selbst Einreisebeschränkungen oder strikte Quarantänepflichten erlassen haben. (Hier die aktuelle Liste des Robert Koch-Instituts.)

Wer entscheidet nach welchen Kriterien über die Reisewarnungen?

Die Einstufung als Risikogebiet erfolgt nach gemeinsamer Analyse und Entscheidung durch das Bundesgesundheitsministerium, das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium, auch das Kanzleramt ist eingebunden. Die Ressortrunde tagt meist am Mittwochnachmittag, daher werden neue Warnungen oft am Mittwochabend veröffentlicht. Das wichtigste Kriterium dafür ist wie bisher, ob es nach den Zahlen des Robert Koch-Instituts in dem jeweiligen Land (oder der Region) in den vergangenen sieben Tagen mehr als 50 Neuinfizierte pro 100.000 Einwohner gab. Daneben spielen auch andere Faktoren eine Rolle, etwa die Glaubwürdigkeit der offiziellen Daten und die jeweils getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie.

Was gilt für EU-Länder?
Die EU-Staaten waren bislang schon von der pauschalen Reisewarnung ausgenommen. Weil die Infektionszahlen aber vielerorts in Europa steigen, hat die Bundesregierung eine Reihe von individuellen Reisewarnungen ausgesprochen: Seit Mittwochabend gilt ganz Belgien, Island und große Teile Frankreichs als Risikogebiet. Bereits zuvor waren ganz Spanien, Tschechien, Luxemburg, das österreichische Bundesland Tirol sowie Teile von den Niederlanden, Kroatien oder Ungarn entsprechend eingestuft worden. Insgesamt sind damit 15 von 27 EU-Ländern zumindest teilweise als Risikogebiete ausgewiesen.

Stimmen sich die EU-Staaten untereinander bei den Reisewarnungen ab?
Die Bundesregierung bemüht sich als amtierende EU-Ratspräsidentschaft, eine einheitliche Definition von Risikogebieten zu erreichen. So nehmen manche Länder die Inzidenzzahlen der letzten 14 Tage als Basis, andere wie Deutschland die der vergangenen sieben Tage.
Bislang gibt es wenig Fortschritte. Die europapolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Franziska Brantner, warnt deshalb vor „Chaos“ im Herbst und der Gefahr, dass einige Mitgliedsstaaten ihren Grenzen erneut schließen könnten.

Was muss ich beachten, wenn ich aus einem Risikogebiet zurückkehre?
Derzeit muss ein Reisender, der aus einem Risikogebiet kommt, einen aktuellen Test bei der Einreise vorweisen oder sich binnen 72 Stunden auf eine Corona-Infektion testen lassen. Fällt das Ergebnis negativ aus, ist die Quarantänepflicht aufgehoben. Bundesregierung und Bundesländer haben vereinbart, dass die häusliche Quarantäne künftig frühestens nach fünf Tagen mit einem Negativtest aufgehoben werden kann. Allerdings sind die Einzelheiten noch nicht geklärt, deshalb werden die neuen Vorgaben voraussichtlich erst Mitte Oktober in Kraft treten.

Gilt das auch für Geschäftsreisende und Berufspendler?
Für beide Gruppen wird es wahrscheinlich Ausnahmen geben von der Quarantänepflicht. Wer geschäftlich aus Risikogebieten wie den USA einreist, wird aber einen Test machen müssen. Zudem gilt weiter die Maßgabe, dass nur Reisen angetreten werden sollen, die aus dringlichen geschäftlichen Gründen geboten sind.



Und für Touristen?
Wer in den Urlaub fliegt, wird in den allermeisten Fällen nach der Rückkehr die mindestens fünftägige Quarantäne antreten müssen. Nur wenige Urlaubsländer sind derzeit nicht als Risikogebiet eingestuft, etwa Tunesien und die Seychellen. In vielen anderen Staaten wie den USA, Thailand oder Vietnam sind Touristen derzeit ohnehin nicht willkommen.

Was hält die Reisebranche vor den neuen Quarantäne-Bestimmungen?
Nicht viel. „Wir brauchen keine verordnete Zwangsquarantäne“, sagte der Präsident des Deutschen Reiseverbands (DRV), Norbert Fiebig, dem Handelsblatt. Das sei unverhältnismäßig und „führt die Reisewirtschaft auf direktem Weg in einen zweiten Lockdown“. Fiebig fordert stattdessen eine Ausweitung der Tests. Mit dem zielgenauen Einsatz von Tests bei der Einreise nach Deutschland lasse sich die Einschleppung des Coronavirus wirksam unterbinden. „Im Gegensatz zum nicht zu kontrollierenden Wegsperren von Reisenden sorgen Tests für eine adäquate Risikominimierung“, so Fiebig.

Kann ich gebuchte Reisen wegen der Warnungen stornieren?
Reisen ins Ausland können von den Reisenden kostenfrei storniert werden. Laut Verbraucherschützern können Kunden nach der geltenden Rechtslage verlangen, dass ihnen das Geld für abgesagte Reisen und Flüge zurückerstattet wird. Weniger klar ist die Lage, wenn die Bundesregierung nur von Reisen in eine bestimmte Region abrät. Der Bund setzt offenbar darauf, dass die Reiseveranstalter hier kulant sind.

Wie sind Erstattungen eigentlich geregelt?
Normalerweise sind Airlines und die Veranstalter von Pauschalreisen zu schnellen Erstattungen verpflichtet, wenn ihre Leistungen wegen einer Pandemie nicht in Anspruch genommen werden können. Bei Reisen gilt eine Frist von 14 Tagen, die Kosten für stornierte Flüge müssen sogar innerhalb einer Woche zurückgezahlt werden. Das haben viele Unternehmen in der Coronakrise zuletzt aber nicht gemacht – weil sie finanziell in enormen Schwierigkeiten stecken.

Was können Urlauber tun, die eine Pauschalreise gebucht haben?
Verbraucherschützer raten Reisenden, die ihre Pauschalreise nicht antreten wollen, sich an den jeweiligen Veranstalter zu wenden. Sie sollten sich erkundigen, welche Möglichkeiten dieser anbiete, etwa eine Umbuchung auf einen späteren Zeitpunkt oder zu einem anderen Ziel.

Können Pauschalreisen auch problemlos storniert werden?
Unter bestimmten Umständen ist das möglich. „Kostenfrei zurücktreten kann der Reisende, wenn am Reiseziel oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Reise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen“, heißt es von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Indizien für das Vorliegen solcher Umstände sind die Verlautbarungen des Auswärtigen Amts. Entscheidend ist demnach, ob eine Reisewarnung für das Reiseziel ausgesprochen wurde.

Fallen dann möglicherweise Stornogebühren an?
Nein. Laut Bundesverbraucherministerium sind Pauschalreisende aufgrund der Corona-Pandemie berechtigt, von ihrer Reise zurückzutreten, ohne dass die sonst üblichen Stornogebühren anfallen. Voraussetzung ist die Reisewarnung des Auswärtigen Amts. Das Reiseunternehmen ist in diesen Fällen verpflichtet, den Reisepreis, soweit er bereits gezahlt worden ist, zu erstatten. Restzahlungen, die nach dem Pauschalreisevertrag an sich fällig geworden sind, braucht der Reisende nicht mehr zu leisten, da der Rücktritt zu einer Beendigung des Vertragsverhältnisses und damit auch der vertraglichen Pflichten des Reisenden geführt hat.



Welche Rechte gelten für Individualreisende?
Individualreisende sind in der Regel auf freiwillige Angebote des Reiseveranstalters angewiesen. Ein kostenloser Reiserücktritt ist demnach nur aus Kulanz möglich.

Ist eine Kündigung vor Reisebeginn möglich?
Vor Reisebeginn kann der Urlauber laut Verbraucherschützern jederzeit vom Vertrag zurücktreten. Der Reiseveranstalter hat dann zwar prinzipiell einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung. Im Falle eines Rücktritts wegen „unvermeidbarer Umstände“ muss diese aber nicht bezahlt werden. Wichtig ist aber: Die „unvermeidbaren Umstände“ müssen während der Reisezeit vorliegen.

Wird Geld zurückgezahlt, wenn die Reise von Dritten storniert wurde?
Wurde der Flug oder die Reise von der Fluggesellschaft oder dem Reiseveranstalter gestrichen, muss das Geld erstattet oder eine anderweitige Beförderung ermöglicht werden.

Wann greift eine Versicherung?
Eine Reiserücktritts- oder Reiseabbruchversicherung nützt bei „unvermeidbaren Umständen“, also höherer Gewalt, nichts, sagen Verbraucherschützer, da sie hier in der Regel nicht greift. Eine solcher Versicherungsschutz sichert hauptsächlich das Risiko des Reisenden ab, vor beziehungsweise während der Reise zu erkranken.

Gibt die Aufhebung der globalen Reisewarnung der Reisebranche Rückenwind?
Eher nicht. In Sachen Urlaubs- und Geschäftsreisen bleibe die Unsicherheit, beklagt der Präsident des Deutschen Reiseverbands (DRV), Norbert Fiebig. „Es wird fast keine Möglichkeit geben, außerhalb Europas zu reisen – und auch innerhalb Europas wird es immer schwieriger“, sagte Fiebig dem Handelsblatt. „Damit unterbindet die Bundesregierung faktisch die Berufsausübung von Reisebüros und Reiseveranstaltern.“ Die Reisewirtschaft stehe als „Händlerin ohne Ware da“, denn für den Winter gebe es derzeit kaum etwas, was verkauft werden könne.

Wie sieht die momentane Lage der Reisebranche aus?
„Die Situation in der Reisewirtschaft ist existenzbedrohend“, sagt DRV-Präsident Fiebig. „Reisebüros und Reiseveranstalter waren als Erste vom Corona-Lockdown betroffen, und sie werden die Letzten sein, die am Ende aus der Krise herauskommen.“ Knapp 70 Prozent, der vom DRV jüngst befragten Reisebüros, sehen sich „massiv in ihrer Existenz bedroht“, bei den Reiseveranstaltern seien es mehr als die Hälfte. „Sich permanent verändernde Risikogebiete machen die Situation für die Wirtschaft, aber auch für die Kunden unübersichtlich und verunsichern bei der Buchungsentscheidung“, so Fiebig.