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Die E-Mobilität treibt einen Keil zwischen die Öl- und die Autobranche

Die Fokussierung der Autohersteller auf Elektromobilität begreift die Ölbranche als Kriegserklärung. Die Unternehmen fordern Technologieoffenheit.

Wenn es darum geht, staatliche Hilfen für den Verkauf von Elektroautos zu fordern, werfen VW, BMW und Daimler jede Zurückhaltung über Bord. Kaufprämien, Steuererleichterungen sowie staatliche Unterstützung beim Aufbau der Ladeinfrastruktur sind nach Überzeugung der Konzernchefs unabdingbare Voraussetzung, um batteriegetriebenen Autos zum Durchbruch zu verhelfen.

Andernfalls, so drohen die Manager unverhohlen, seien die Klimaziele im Verkehrssektor nicht zu erreichen. Die Politik reagiert verständnisvoll. Es sei „mehr staatliche Förderung“ erforderlich, pflichtet etwa Stephan Weil, Ministerpräsident in der VW-Heimat Niedersachsen, den Autokonzernen bei.

Die Mineralölbranche sieht das völlig anders. Sie warnt davor, alles auf eine Karte zu setzen. Und sie hat auch Alternativen anzubieten, nämlich in Form synthetischer Kraftstoffe. Statt also Autos mit Elektromotoren anzutreiben, könnte man beim Verbrenner bleiben, müsste diesen nur mit CO2-neutralem Sprit befeuern, so die Botschaft der Branche.

Manager von BP, Exxon-Mobil, Shell und Total schlagen nun im Handelsblatt Alarm und fordern eine technologieoffene Förderung CO2-freier Mobilität statt einer Konzentration auf E-Autos.

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„Die Elektrifizierung des Verkehrs ist nur ein Teil der Lösung“, sagt Wolfgang Langhoff, Vorstandschef der BP Europe SE. E-Mobilität allein werde nicht zugleich die wachsende Transportleistung stemmen und die ambitionierten Klimaziele erbringen können, ist Langhoff überzeugt. Insbesondere synthetische Kraftstoffe könnten dazu beitragen, den Transportsektor CO2-frei werden zu lassen, sagt Thomas Zengerly, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutsche Shell Holding.

Bruno Daude-Lagrave, Geschäftsführer von Total Deutschland, warnt, selbst nach den positivsten Prognosen für die Elektromobilität würden im Jahr 2030 die meisten Fahrzeuge in Deutschland weiterhin mit Verbrennungsmotor fahren. „Wir müssen daher auch die Emissionen dieser Fahrzeuge reduzieren“, fordert Daude-Lagrave. Dabei hätten – neben verbesserten herkömmlichen Kraftstoffen – synthetische Kraftstoffe viel Potenzial.

Florian Barsch, Vorstandschef der Exxon-Mobil Central Europe Holding, sagt für die kommenden Jahrzehnte eine „deutlich spürbare Diversifizierung der Antriebsarten im Verkehrssektor“ voraus. „Die Elektromobilität wird dabei eine nicht unbedeutende Säule sein, aber eben nicht die einzige und auch im Gesamtkontext der Mobilität nicht die größte“, sagt Barsch.

Schlüsseltechnologie: Power to X

Der Weg zu CO2-neutralen Kraftstoffen führt über die Power-to-X-Technologie. Power to X beruht auf dem seit zweihundert Jahren erprobten Verfahren der Elektrolyse. Mittels Elektrolyse kann Strom in Wasserstoff umgewandelt werden. Der Wasserstoff wiederum lässt sich in Methan oder in flüssige Kraftstoffe umwandeln. Wenn der Strom, der für die Elektrolyse eingesetzt wird, aus erneuerbaren Quellen stammt, entstehen klimaneutrale, also „grüne“ Brennstoffe.

Power to X gilt als Schlüsseltechnologie der Energiewende. Denn „grüne“ Brennstoffe sind universell einsetzbar: als Brennstoffe im Wärmesektor, für Industrieprozesse – oder eben in der Mobilität. Entscheidender Nachteil der Power-to-X-Technologie sind die niedrigen Wirkungsgrade: Ein großer Teil des eingesetzten Stroms verpufft beim Umwandlungsprozess ungenutzt.

Dem steht allerdings ein Vorteil gegenüber: Für bestimmte Anwendungsfälle – etwa im Schwerlast- oder im Flugverkehr – sind Batterien nicht geeignet. Diesen Vorteil betont auch das Bundeswirtschaftsministerium: CO2-neutrale Brennstoffe seien „insbesondere dort interessant, wo die Elektromobilität auf absehbare Zeit keine technische Lösung darstellt“, heißt es im Bericht „Energie der Zukunft“ des Ministeriums (siehe Bericht rechts).

Die Power-to-X-Technologie baut somit eine Brücke von der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen in die Sektoren Mobilität, Wärme und Industrie. Zugleich könnte der in Gas umgewandelte Strom einen Teil des Ausbaus der Stromnetze überflüssig machen. Deutschland verfügt über eine gut ausgebaute Gasnetzinfrastruktur, die mittels Power to X vom fossilen Zeitalter in eine grüne Zukunft geführt werden könnte.

In den vergangenen Monaten haben sich quer durch viele Industriebranchen namhafte Unternehmen zusammengeschlossen, um das Thema „Power to X“ voranzubringen. Sehr konkret sind die Pläne bei Betreibern von Strom- und Gasnetzen: Ende März stellten zwei Konsortien bei der Bundesnetzagentur jeweils einen Investitionsantrag für den Bau einer Power-to-X-Anlage.

Die Pilotanlage „Element eins“ von Tennet, Gasunie und Thyssengas soll schrittweise ab 2022 in Betrieb gehen, die „Hybridge“ getaufte Anlage von Amprion und OGE 2023 vollständig. Mit der zeitgleichen Beantragung wollen die Unternehmen ein Zeichen setzen und deutlich machen, dass sie es ernst meinen mit ihren Vorhaben.

Erst in der vergangenen Woche stellte die „Power-to-X-Allianz“, der Unternehmen wie BP und Uniper angehören, ihr Konzept für ein Markteinführungsprogramm vor. Der Kern des Programms: Für jede Tonne CO2 aus fossilen Energieträgern, die durch die Nutzung von erneuerbaren Energieträgern aus Power to X ersetzt wird, wird ein Innovationsbonus gutgeschrieben. Sein Gegenwert könnte beispielsweise durch die KfW an die Power-to-X-Anlagenbetreiber ausgezahlt werden.

„Die Herausforderungen der Energiewende sind so groß, dass wir es uns schlichtweg nicht leisten können, auf vielversprechende Technologien wie Power to X zu verzichten“, sagt Christian Küchen, Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbands und Sprecher der Power-to-X-Allianz.

Noch nicht konkurrenzfähig

Derzeit sind synthetische Kraftstoffe, die mittels Power to X hergestellt werden, allerdings im Mobilitätssektor noch nicht konkurrenzfähig. Aktuelle Berechnungen zeigten aber, dass sie gute Chancen hätten, sich am Markt zu etablieren, wenn sie auch nur annähernd die Förderung erhielten, die E-Autos schon heute bekommen, sagt Küchen.

Er verweist auf eine Studie, die das Beratungsunternehmen Economic Trends Research (ETR) kürzlich im Auftrag des Mineralölwirtschaftsverbandes erstellt hat. Demnach summieren sich die fiskalischen und regulierungsbedingten Privilegien eines E-Autos gegenüber einem Auto mit Verbrennungsmotor im Bereich der Mittelklasse bei einer Lebensdauer von zwölf Jahren auf 18.000 Euro.

Würde diese Privilegierung von E-Autos auch für Fahrzeuge gelten, die mit klimaneutral hergestellten synthetischen Kraftstoffen angetrieben werden, so könnte ein Liter synthetischer Kraftstoff für einen VW Golf mit Verbrennungsmotor nach Berechnungen von ETR mit 2,74 Euro gefördert werden. Das würde reichen, um den grünen Sprit wettbewerbsfähig zu machen. Die Unternehmen, die das Thema propagieren, stellen bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts erhebliche Kostendegressionen in Aussicht. Allerdings, so argumentieren sie, seien für einen Markthochlauf Investitionsanreize und klare Rahmenbedingungen erforderlich.

Die Bereitschaft übrigens, sich mit synthetischen Kraftstoffen anzufreunden, ist in der Bevölkerung groß: Eine bislang unveröffentlichte Civey-Umfrage im Auftrag des Instituts für Wärme und Oeltechnik (IWO), zeigt, dass erneuerbare Kraft- und Brennstoffe bei Verbrauchern bereits heute auf eine positive Resonanz stoßen.

Eine Mehrheit von 55 Prozent steht der Umfrage zufolge dem Konzept, fossilen Energieträgern wie Öl und Gas erneuerbare Anteile beizumischen, positiv beziehungsweise sehr positiv gegenüber.