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EnBW-Chef Mastiaux: „Wir müssen die Geschwindigkeit beim Ausbau erhöhen“

Der Chef des Energiekonzerns sieht die Klimaziele in Deutschland in Gefahr. Der Ausbau der erneuerbaren Energien stocke unter anderem wegen der viel zu langen Genehmigungsprozesse.

„Wir müssen immer noch viele Tausende Seiten einreichen, um einen Windpark genehmigt zu bekommen.“ Foto: dpa
„Wir müssen immer noch viele Tausende Seiten einreichen, um einen Windpark genehmigt zu bekommen.“ Foto: dpa

EnBW-Chef Frank Mastiaux sieht die Klimaziele in Deutschland in Gefahr, weil die Installation von Wind- und Solaranlagen stockt. „Wir müssen die Geschwindigkeit beim Ausbau erhöhen“, forderte Mastiaux am Donnerstag beim Handelsblatt Energie-Gipfel.

Wenn Deutschland, wie bislang geplant, im Jahr 2030 seinen Strom zu 65 Prozent aus erneuerbaren Energien decken wolle, müssten pro Jahr Windanlagen mit einer Kapazität von 4,5 Gigawatt dazu gebaut werden und fünf Gigawatt bei Photovoltaik. „Tatsächlich waren wir in den vergangenen Jahren deutlich darunter“, sagte Mastiaux.

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Dabei werde das 65-Prozent-Ziel vermutlich gar nicht reichen, nachdem die EU ihr Klimaziel angehoben hat. „Wir werden wohl noch mehr erneuerbare Energien benötigen“, sagte Mastiaux.

Der schleppende Ausbau der erneuerbaren Energien hängt nach seinen Worten unter anderem an der Bürokratie. „Wir müssen immer noch viele Tausende Seiten einreichen, um einen Windpark genehmigt zu bekommen“, kritisierte er. Dann dauere die Umsetzung mittlerweile rund 70 Monate, bis die Genehmigung vorliege. „So ein Projekt geht in den Verwaltungen durch viel zu viele Hände“, sagte Mastiaux: „Wir müssen die Prozesse an unsere Ausbauziele anpassen.“

Das komplette Interview lesen Sie hier:

Herr Mastiaux, wie hat die Coronakrise Ihre Branche getroffen?
Die Coronakrise ist für unsere Branche eine Herausforderung wie für alle anderen. Die Branche hat aber in der Situation sehr gut reagiert. Sie hat frühzeitig die richtigen Maßnahmen beim Gesundheitsschutz ergriffen. Das war wichtig, schließlich tragen wir als Teil der kritischen Infrastruktur eine besondere Verantwortung. Und die Versorgung war jederzeit sichergestellt.

Wie blicken Sie auf die nächsten Jahre?
Der Energiesektor ist in einem kraftvollen Wachstumsmodus. Wir haben Gestaltungsspielraum und die Chance, wirtschaftlich zu prosperieren. Allerdings wird uns die Energiewende weiterhin vor große Herausforderungen stellen. Sie bringt eine permanente Veränderungsagenda mit sich. Diese Veränderungsagenda muss man gut managen können, um an dem Wachstum dann auch teilhaben zu können.

Was bedeutet das konkret?
Ein wachsender Markt zieht neue Wettbewerber an, die neue Ideen mitbringen. Da muss man sich positionieren, einerseits mit einer guten Kostenbasis und andererseits mit einem hohen Know-how bei den eingesetzten Technologien. Und dann gibt es die Metatrends, die jede Branche betreffen.

Welche sind das?
Die Demografie beispielsweise, die rasante Entwicklung der Technologien und natürlich die Digitalisierung und die Anforderungen der Stakeholder. Das sind Themen, die werden uns weiter fordern. Wenn man da als Branche bestehen will, braucht man vor allem eine hohe Veränderungsgeschwindigkeit und -fähigkeit. Das zu verinnerlichen und zu trainieren, war uns bei EnBW immer sehr wichtig. Dazu zählt auch, sich auf neue Partnerschaften einzulassen, sich schnell neue Kompetenzen anzueignen und eine gute Kommunikationsfähigkeit.

Ein Metatrend ist auch der Klimaschutz. Die EU hat ihr Klimaziel verschärft. Wie kommt Ihr Unternehmen damit zurecht?
Entscheidend ist, inwieweit die Ziele beispielsweise beim Ausbau der erneuerbaren Energien auf nationaler Ebene angepasst werden müssen, um mit dem Green Deal übereinzustimmen.

Womit rechnen Sie?
Es ist davon auszugehen, dass unser Ziel, 2030 den Strom zu 65 Prozent aus erneuerbaren Energien zu erzeugen, eher die Untergrenze sein wird. Wir werden wohl noch mehr erneuerbare Energien benötigen. Als EnBW sind wir da ja seit einigen Jahren kräftig dabei. Seit 2012 haben wir die Kapazitäten bei den erneuerbaren Energien verachtfacht. Bis 2025 sollen sie sich noch einmal auf das 2,5-Fache erhöhen. Wir investieren mehrere Milliarden und sind grundsätzlich bereit für die Klimaziele der EU, auch wenn sie jetzt noch einmal forciert werden.

Das heißt, Sie halten die Ziele für realistisch?
Wir bei EnBW glauben, dass die EU-Agenda richtig ist. Wir müssen aber auf europäischer Ebene darauf achten, dass es keine sich widersprechenden regulatorischen Effekte in Europa gibt. Auch brauchen wir eine sehr effiziente CO2-Besteuerung. Die Herausforderungen müssen jetzt auf nationalem Level angegangen werden. Persönlich glaube ich aber, dass die Industrie und auch die Politik da festen Willens ist.

Kann das Ziel mit dem derzeitigen Ausbautempo überhaupt erreicht werden?
Die EEG-Novelle gibt ja einen klaren Pfad vor, der muss aber auch verfolgt werden. Wenn wir das 65-Prozent-Ziel anschauen, kann man das in konkrete Ausbauziele für Wind und Solar übersetzen. Das wären ungefähr 100 Gigawatt Solarstrom und etwa 70 Gigawatt Windstrom Onshore bis 2030. Das kann man wiederum rückwärts rechnen und kommt zum Ergebnis, dass wir pro Jahr etwa 4,5 Gigawatt Wind zubauen müssen und etwas mehr als fünf bei Photovoltaik.

Glauben Sie wirklich, dass das zu schaffen ist?
Tatsächlich waren wir in den vergangenen Jahren deutlich darunter. Bei Wind onshore waren es vor ein paar Jahren mal 2,8 Gigawatt pro Jahr, zuletzt ca. 1 – 1,5 Gigawatt. Wenn wir das mit dem benötigten Zuwachs vergleichen, kommen wir natürlich nicht hin. Das halte ich für problematisch, weil für jedes Jahr, in dem wir zu wenig zubauen, theoretisch etwas nachholen müssten, um am Ende das Ziel zu erreichen. Und dazu stellt sich noch die Frage, ob die unterstellten Mengen an Strom, die wir insgesamt brauchen, 580 Terawattstunden pro Jahr, ausreichen werden.

Da haben Sie Bedenken?
Wir gehen eher von einem stärken Strombedarf aus.

Und was sind die Konsequenzen?
Wir müssen die Geschwindigkeit beim Ausbau erhöhen. Wir müssen zum einen stärker mit den Bürgern vor Ort gemeinsame Projekte entwickeln, um Widerständen zu begegnen. Zum anderen muss die administrative Abarbeitung der Projekte schneller werden. Wir müssen immer noch viele Tausende Seiten einreichen, um einen Windpark genehmigt zu bekommen. Dann dauert die Umsetzung mittlerweile rund 70 Monate, bis wir die Genehmigung vorliegen haben. So ein Projekt geht in den Verwaltungen durch viel zu viele Hände. Wir müssen die Prozesse an unsere Ausbauziele anpassen. Das ist ein dickes Brett, das wir bohren müssen.

Die Diagnose ist ja bekannt, aber was kann und sollte die Bundesregierung konkret tun, um das zu beschleunigen?
In der EEG-Novelle sind die wesentlichen Themen adressiert, wie ich finde. Man hat auch schon Maßnahmen ergriffen. Die Frage ist halt, wie entschlossen wird das angegangen. Ich möchte noch mal auf den administrativen Aufwand kommen. In einem Industrieunternehmen würde man, wenn die Prozesse nicht geeignet sind ein Ziel rechtzeitig zu erreichen, die Prozesse anpassen.

Man würde jeden einzelnen Prozessschritt optimieren.
Diese Kärrnerarbeit ist auch bei Erneuerbaren-Projekten nötig. Es geht darum, handwerklich unnötige Verzögerungen abzubauen.

Lohnt es sich denn überhaupt zu investieren? Gib es genügend Anreize, zum Beispiel bei der Offshore-Windenergie?
Wir haben unsere Offshore-Windparks bisher alle in Deutschland gebaut, ein weiterer ist in der Entwicklung: Der erste Offshore-Windpark, der ohne Förderungen auskommen soll. Er soll 2025 in Betrieb gehen. Richtig zufriedenstellend sind die Bedingungen für Offshore-Windparks aber noch nicht. Die Kriterien für die Ausschreibungen müssen verbessert werden. Schließlich müssen wir auch bei Offshore-Windenergie das Tempo erhöhen. Deutschland müsste pro Jahr ein bis 1,5 Gigawatt bauen, um die Klimaziele zu erreichen. Aktuell sind es 0,7 Gigawatt. Da müssen wir also Fahrt aufnehmen.

EnBW würde den nächsten Park aber eher im Ausland bauen?
Die unterschiedlichen Systeme in der Welt haben alle ihre Vor- und Nachteile – und Deutschland ist für uns ein wichtiger Markt. Aber weil wir die Offshore-Windenergie als Schwerpunkt identifiziert und eine gute Mannschaft haben, loten wir natürlich auch in anderen Ländern unsere Chancen aus, in den USA, in Taiwan oder in Frankreich. Das ist ein wettbewerbsintensives Geschäft. Da muss man auf mehrere Märkte setzen.

In Brandenburg bauen Sie riesige Solarparks – und zwar förderfrei. Sie vermarkten den Strom zum Teil direkt an Großkunden mit so genannten PPA-Verträgen. Ist das die Zukunft?
Das wird in künftigen Verträgen zumindest eine große Rolle spielen. In den USA ist das schon lange Standard. Ob jedes Projekt sich so umsetzen lässt, muss man abwarten. Da müssen auch die örtlichen Gegebenheiten passen. Da muss die Topologie passen, da muss das Wetter passen. Aber in diese Richtung wird es gehen. Auch technologisch ist in Sachen Effizienz und Kosten bestimmt noch einiges zu holen. Bei der Kostenkurve von erneuerbaren Energien sind wir noch nicht am Ende.

Der große Hoffnungsträger ist grüner Wasserstoff. Zurecht, oder wird das überschätzt?
Wenn wir unser langfristiges Klimaziel erreichen wollen, kommen wir nicht ohne grünen Wasserstoff aus. Wasserstoff ist ein fundamental wichtiger Teil der Energieagenda und spielt auch da eine große Rolle, wo Elektrifizierung keinen Sinn macht.

Nennen Sie ein Beispiel.
Wir glauben, dass Wasserstoff im Wärmemarkt künftig eine wichtige Rolle spielen wird. Natürlich ist er noch zu teuer. Heute liegen die Kosten eine Zehnerpotenz höher als das, was man im Wettbewerb mit anderen Energieträgern bräuchte. Wir müssen Wasserstoff deshalb zügig wettbewerbsfähig machen. Ich begrüße die Wasserstoffagenda, die wir uns in Deutschland gesetzt haben. Wir müssen aber realistisch sein. Die Umsetzung wird dauern.

Sind die Ziele zu hoch gesteckt?
Wir haben ja noch gar keine konkreten Ziele, wo wir beim Wasserstoff endgültig hinwollen. Wir haben bislang nur Ziele bis 2030. Die Agenda muss unbedingt mit einer gewissen Breite angepackt werden. Es geht nicht nur um die Technologie an sich. Man muss bedenken, dass es bisher noch gar keinen Markt für grünen Wasserstoff gibt. Wir müssen zudem die bestehende Gasinfrastruktur werterhaltend umbauen. Und uns muss zudem klar sein, dass die Mengen an erneuerbarem Strom, die wir in Deutschland erzeugen können, nicht ausreichen werden, um Industrie und Verbraucher ausreichend grünen Wasserstoff bereit zu stellen.

Wir müssen ihn also importieren?
Ja, aber dann muss man auch rechtzeitig mit den möglichen Partnern in anderen Ländern sprechen. Da wird man eine gewisse Energie-Diplomatie brauchen, um frühzeitig Partnerschaften zu formen. Denn wir werden den grünen Wasserstoff nicht allein in Deutschland erzeugen können. Daraus ergibt sich eine Agenda, die wir über einen Zeitraum von 15 oder 20 Jahren in ihre Teile zerlegen müssen. Es muss allen klar sein, dass Wasserstoff nicht in drei oder vier Jahren marktfähig sein wird. Das ist eine Agenda, die sicherlich 15 Jahre dauern wird.

EnBW engagiert sich besonders stark in der Elektromobilität. Wann werden Sie damit Geld verdienen?
Wir haben uns da bewusst frühzeitig engagiert, weil wir die guten Standorte in Deutschland besetzen wollen – also da, wo eine hohe Frequenz zu erwarten ist und auch die Wirtschaftlichkeit gegeben ist. Das ist wie bei der Energiewende eine Transformation, bei der man sich frühzeitig positionieren muss. Wir gehen aber davon aus, dass wir so ab Mitte der Dekade in die Wirtschaftlichkeit kommen.
Herr Mastiaux, vielen Dank für das Interview.

Der EnBW-Chef (rechts) auf dem Handelsblatt Energie-Gipfel im Gespräch mit Chefredakteur Sebastian Matthes (links) und Energieexperte Klaus Stratmann. Foto: dpa
Der EnBW-Chef (rechts) auf dem Handelsblatt Energie-Gipfel im Gespräch mit Chefredakteur Sebastian Matthes (links) und Energieexperte Klaus Stratmann. Foto: dpa
EnBW hat hier in Brandenburg Deutschlands größten Solarpark errichtet. Foto: dpa
EnBW hat hier in Brandenburg Deutschlands größten Solarpark errichtet. Foto: dpa
Wenn Deutschland, wie bislang geplant, im Jahr 2030 seinen Strom zu 65 Prozent aus erneuerbaren Energien decken wolle, müssten pro Jahr Windanlagen mit einer Kapazität von 4,5 Gigawatt dazu gebaut werden. Foto: dpa
Wenn Deutschland, wie bislang geplant, im Jahr 2030 seinen Strom zu 65 Prozent aus erneuerbaren Energien decken wolle, müssten pro Jahr Windanlagen mit einer Kapazität von 4,5 Gigawatt dazu gebaut werden. Foto: dpa