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Elf Richter, vier Tage und die große Brexit-Frage

Der Plan war ein ganz anderer: Bis zu 100.000 Brexit-Befürworter sollten eigentlich an diesem Montag vor dem britischen Supreme Court demonstrieren – angeführt von Nigel Farage, EU-Kritiker und Mitgründer der rechtspopulistischen Ukip-Partei. Aus Sicherheitsgründen entschied er sich gegen den großen Protestmarsch. Stattdessen überwog die Zahl der Europa-Anhänger, die an diesem Morgen vor dem Obersten Gerichtshof demonstrierten – wenige Stunden vor Beginn der Anhörung zu der Frage, ob das Parlament bei den Brexit-Plänen von Premierministerin mitreden darf oder nicht.

Dutzende von Kritikern des EU-Austritts kamen mit einem roten Doppeldeckerbus zum Gerichtsgebäude und skandierten: „Nigel, wo bist Du?“ In roten Richterroben verkleidet und mit Perücken auf dem Kopf brachen sie kurze Zeit später in Jubel aus, als die Londoner Fondsmanagerin Gina Miller zur Gerichtsanhörung kam. Sie gehört zu einer Gruppe von Brexit-kritischen Klägern, die Mays Vorhaben vor Gericht brachten. Die Premierministerin will eigentlich ohne Zustimmung des Parlaments die Austrittsgespräche mit der EU starten.

Ein hohes britisches Gericht entschied vor gut einem Monat zu Gunsten von Miller. Die Regierung ist daher vor den Supreme Court gezogen. Alle elf Richter des Obersten Gerichtshofs auf der Insel werden bis einschließlich Donnerstag die Argumente der Beteiligten hören.

Allein die Zahl der Richter unterstreicht die Bedeutung dieses Falles. Bei bisherigen Urteilen des Supreme Court waren höchstens neun Richter beteiligt. Das Gericht will in diesem Fall vermeiden, dass es am Ende heißt, eine andere Zusammensetzung der Richter hätte zu einer anderen Entscheidung geführt.

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Bei dieser Anhörung könnten nicht mehr auf dem Spiel stehen. Es geht um wichtige Verfassungsfragen des Landes, die künftigen Beziehungen zur EU und um die Reputation der Richter, die angesichts einer sehr explosiven und EU-feindlichen Stimmung in der Bevölkerung um ihre Unabhängigkeit kämpfen.

EU-kritische Medien und der oberste Justizbeamte Großbritanniens haben ihre Botschaft an den Supreme Court bereits im Vorfeld sehr deutlich formuliert: Die Richter sollten sich nicht dem Willen der Bevölkerung widersetzen. So lautet beispielsweise am Montag die Überschrift auf der Titelseite des „Daily Telegraph“. Ende Juni hatten 52 Prozent der Briten für eine Scheidung von der EU gestimmt und etliche von ihnen fürchten, dass diese Entscheidung massiv verzögert und abgemildert werden könnte, wenn der Supreme Court das bisherige Urteil in der Brexit-Frage bestätigt und dem Parlament mehr Einfluss gibt.


May fürchtet die Einmischung

Die Richter des hohen britischen Gerichts, die vor gut einem Monat in ihre Schranken gewiesen hatten und den Abgeordneten Mitsprache einräumten, begründeten das unter anderem mit dem Argument: Das Parlament habe den britischen Bürgern Anfang der 1970-er Jahre beim Beitritt zur europäischen Staatengemeinschaft Rechte wie Freizügigkeit und Wohnrecht in der gesamten EU eingeräumt, den Banken das Recht, in allen EU-Mitgliedsstaaten Geschäfte zu betreiben, also könne nur das Parlament ihnen diese Rechte auch wieder wegnehmen.

Die Regierung widerspricht dieser Ansicht und beruft sich dabei auf ein traditionelles königliches Hoheitsrecht, demzufolge die Regierung internationale Abkommen ohne Zustimmung des Parlaments unterzeichnen und wieder kündigen darf. Mit einer Entscheidung des Supreme Court wird erst Anfang 2017 gerechnet. Doch Beobachter erwarten, dass das bisherige Urteil in der Sache bestätigt wird. Medienberichten zufolge bereitet die Regierung daher bereits eine Beschlussvorlage vor, über die die Abgeordneten entscheiden werden.

Theresa May will die offiziellen Scheidungsgespräche mit der EU nach Artikel 50 des Vertrages von Lissabon bis Ende März 2017 beginnen. Und sie hält auch weiterhin an diesem Zeitplan fest. Eine Reihe von Parlamentariern hat bereits signalisiert, dass sie sich bei der Abstimmung über Artikel 50 den Mehrheitswillen der Bevölkerung nicht ignorieren werden. Noch ist aber unklar, ob sie möglicherweise Bedingungen an ihre Zustimmung knüpfen oder Leitlinien für die Ausstiegsverhandlungen in einem Gesetzesakt festschreiben.

May hat das bisher abgelehnt. Denn dies würde ihren Verhandlungsspielraum einengen. Die Premierministerin hat angedeutet, dass sie voraussichtlich Einwanderungskontrollen ganz oben auf ihre Prioritätenliste bei den Brexit-Gesprächen setzen wird und der volle Zugang zum europäischen Binnenmarkt hinten anstehen könnte.

Brexit-Kritiker setzen sich aber dafür ein, dass Großbritannien weiterhin die wirtschaftlichen Vorteile der EU-Zugehörigkeit beibehält. Das widerspreche auch nicht dem Ergebnis des Brexit-Referendums, schließlich sei da nicht entschieden worden, wie genau der Brexit ausfallen solle – ob radikal oder eher zurückhaltend und wie viel Binnenmarkt und Zollunion erhalten bleiben dürfe. Die Regierung könne diese Antworten nicht eigenmächtig geben, sondern müsse das Parlament einbeziehen, so die Argumentation der Brexit-Kritiker.

KONTEXT

Großbritanniens Optionen nach dem Brexit

Zollunion

Großbritannien könnte es machen wie die Türkei und der Zollunion beitreten. Dadurch würden die Zölle wegfallen und die Handelsabkommen mit der EU behielten bestand. Andererseits wäre London aber dabei eingeschränkt, eine eigene Handelspolitik zu betreiben, da man sich an den gemeinsamen Zolltarif halten müsste. Ob dies den Briten gefallen würde, bleibt fraglich. Immerhin folgt die Brexit-Entscheidung dem Ruf nach völliger nationaler Souveränität.

Europäischer Wirtschaftsraum (EWR)

Der Europäische Wirtschaftsraum (EWR) umfasst derzeit 31 Länder. Die teilnehmenden Staaten haben gemeinsame Aufsichtsbehörden, Gerichte und Regeln. Zudem gelten die vier Binnenmarktfreiheiten beim Waren-, Personen-, Dienstleistungen- und Kapitalverkehr. Allerdings will die britische Regierung weder der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes unterliegen noch die Kontrolle über die Immigration abgeben.

Der "Schweizer Weg"

Am liebsten wäre der englischen Regierung wohl ein Modell wie der "Schweizer Weg". So könnten für die einzelnen Wirtschaftsbereiche maßgeschneiderte Abkommen ausgehandelt werden. Die EU hat allerdings schon durchblicken lassen, eine derartige Lösung abzulehnen.

Freihandelsabkommen

Die wahrscheinlichste Option ist für die Briten wohl ein gesondert ausgehandeltes Freihandelsabkommen, wie es zwischen der Europäischen Union und Kanada (Ceta) vereinbart wurde. Damit würden die Briten ihre durch den Brexit forcierte Unabhängigkeit behalten und könnten spezielle, aber umfassende Handelsbedingungen im Gespräch mit der EU festlegen.