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Elektromobilität droht in Deutschland zum Jobkiller zu werden

Durch den Wandel zum Elektromotor könnten bis 2030 allein bei der Antriebstechnik 75.000 Stellen wegfallen. Ein Unternehmen wäre besonders betroffen.

Die Runde ist illuster, die Sache bierernst. Am Montagabend versammelten sich im dritten Sock der IG-Metall-Zentrale in Frankfurt Deutschlands mächtigste Arbeitnehmervertreter. Ihr Thema: Wie viele Jobs kostet der Wandel der Autoindustrie weg vom Verbrenner hin zum Elektromotor? Was heißt die geplante Stromrevolution auf den Straßen konkret für die Beschäftigten am Band?

Allein die Namen der Anwesenden im Gewerkschaftshauptquartier machen deutlich, was für die heimische Leitindustrie auf dem Spiel steht.

Da wäre zum einen der Hausherr: IG-Metall-Chef Jörg Hofmann. Aus Wolfsburg ist Bernd Osterloh angereist, Volkswagens wortgewaltiger Betriebsratschef und Aufsichtsratsvize. Sein einflussreicher Kollege, BMW-Gewerkschafter Peter Cammerer, ist aus München in die Mainmetropole gekommen. Und aus Stuttgart hat sich Hartwig Geisel auf den Weg gemacht, seines Zeichens Betriebsratsvorsitzender von Bosch, dem weltgrößten Automobilzulieferer.

Das Quartett schlägt Alarm. Denn unter der Prämisse, dass im Jahr 2030 unter der Haube von etwa einem Viertel der Fahrzeuge Elektromotoren verbaut sind, könnten allein im Bereich der Antriebstechnik rund 75.000 Arbeitsplätze in Deutschland wegfallen.

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Das ist das Kernergebnis einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation. Initiiert wurde die Erhebung von der IG Metall in Kooperation mit BMW, Volkswagen, Daimler, Bosch, ZF Friedrichshafen, Schaeffler und Mahle.

Was heißt das nun? Zur Einordnung: Gut ein Viertel der 840.000 Beschäftigten der Automobilindustrie arbeiten heute in der Herstellung von Antrieben. Das heißt: Etwa neun Prozent der Jobs in der gesamten heimischen Autobranche stehe mit der Umstellung auf Stromkarossen auf der Kippe, bei den Antriebssträngen könnten es sogar fast 36 Prozent aller Arbeitsplätze sein.

„Für Bosch sehe ich die Zahlen noch viel dramatischer“, sagt Geisel. Der oberste Betriebsrat des Konzerns erläutert, dass bei Bosch etwa 30.000 Beschäftigte an Verbrennungsmotoren werken. Er fürchtet „dramatische Einschnitte“ vor allem auf regionaler Ebene.

So ist etwa das Bosch-Werk in Homburg im Saarland mit 5000 Beschäftigten vollends auf Dieseltechnik spezialisiert und damit akut bedroht. Denn während ein Dieselmotor aus 1200 bis 2000 Teilen besteht, haben Elektroantriebe nur 100 bis 200 Teile.

Verschleißteile wie Luftfilter, Ölpumpen, Kurbelwellen oder Zylinderköpfe werden nicht mehr benötigt. Bosch habe zwar Erfahrung mit Strukturwandel in einzelnen Regionen, sagt Geisel, aber „diese Dimension ist schon eine eigene Liga“. Er fordert, dass die Autohersteller- und Zulieferer die neuen Technologien für E-Mobilität in Deutschland ansiedeln. Einerseits um die industrielle Basis Deutschlands aufrecht zu erhalten. Andererseits „um technologisch Schritt zu halten“.

IG-Metall-Chef Hofmann sieht keinen Grund zur Angstmacherei. Aber damit die Beschäftigten „nicht unter die Räder kommen“, müssten Politik und Unternehmen den Wandel zur E-Mobilität beispielsweise mit einer „massiven Qualifizierungsoffensive“ flankieren. Und er fordert die Autoindustrie auf, in Deutschland Batteriezellenfabriken zu bauen und das Feld nicht alleine den Asiaten zu überlassen. „Die Zelle ist der Kolben von morgen“, erklärt Hofmann. „Wenn uns die Zelltechnologie wegfällt, haben wir auf Dauer einen Innovationsnachteil,“

Hinzu kommt: „Die deutsche Autoindustrie läuft Gefahr, von asiatischen Zellherstellern abhängig zu werden“, mahnt Wolfgang Bernhart im Gespräch mit dem Handelsblatt. Der Mobilitätsexperte von Roland Berger fürchtet, dass aufgrund des rasant steigenden Bedarfs an Zellen und Batterien die Autobauer im Elektrozeitalter die Kostenhoheit verlieren könnten. Es drohe eine Machtverschiebung: „Sollte es nicht genug Alternativen auf dem Markt geben, werden die Autohersteller ihren Zelllieferanten hohe Preise zahlen müssen.“

Dass die Preise für Lithium-Ionen-Batterien mit höheren Skaleneffekten durch mehr Fabriken ähnlich rasant purzeln wie einst bei Solarzellen, hält Ford-Deutschland-Chef Gunnar Herrmann für illusorisch. Denn zwei Drittel der Kosten bei Batterien entstehen durch den Einkauf von Vormaterialien wie Kobalt oder Lithium. Das Potenzial zur Preisreduktion ist dadurch limitiert. „Die Kostenstruktur ist so hoch, dass sie nichts verdienen“, sagte Herrmann dem Handelsblatt.

Durch die Batterie sind Elektroautos heute pro Fahrzeug um etwa 6.000 Euro teurer als Verbrenner in der Herstellung, rechnet Roland Berger vor. Weil sich diese Kosten aber nicht eins zu eins auf die Kunden übertragen lassen, droht den Autobauern „die Marge wegzubrechen“, sagt Experte Bernhart.

Der Branchenkenner prophezeit mittelfristig das Ende von zweistelligen Umsatzrenditen in der Autoindustrie. Die Margen im Autogeschäft würden insgesamt „drastisch sinken“. Ford-Manager Herrmann meint darauf resigniert: „Das kann durchaus sein.“