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„Ekelhaft“ – verheerendes Echo auf Trumps Auftritt mit Putin

Es war der passende Abschluss der verheerenden Europatour des amerikanischen Präsidenten: eine Blamage für die USA – und ein Triumph für das autokratische Russland. Nicht ein schlechtes Wort kam Donald Trump über die Lippen, als er sich am Montag nach seinem vierstündigen Treffen mit Kremlchef Wladimir Putin im goldverzierten Staatssaal des finnischen Präsidentenpalasts den Fragen der Journalisten stellte.

Statt Putin mit seinen ruchlosen Taten zu konfrontieren – der Ermordung von Journalisten und Dissidenten, der Aggression gegen die Ukraine, dem Bombenkrieg in Syrien und nicht zuletzt dem Cyberangriff auf die amerikanische Demokratie – beschrieb Trump seinen Gesprächspartner als „Wettbewerber“ und fügte eiligst hinzu: „Ich meine das als Kompliment.“

Putin, lässig ans Podium gelehnt und nach Kräften bemüht ein staatsmännisches Pokerface aufzusetzen, konnte seine Zufriedenheit nicht verbergen. Schon nach seinem Eingangsstatement hatte ihm Trump sanft und voller Anerkennung „Thank you“ zugehaucht. Amerikas Präsident sagt Danke. Besser hätte der Tag aus russischer Sicht nicht laufen können.

Die Schuld an den Spannungen zwischen beiden Ländern schrieb Trump vor allem den Amerikanern zu: „Ich glaube, dass die Vereinigten Staaten töricht waren. Wir waren alle töricht.“ Der US-Präsident kaufte Putin sogar seine Beteuerung ab, mit den Hackerattacken auf die Demokratische Partei nichts zu tun zu haben.

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Dass die amerikanischen Geheimdienste mit aller Vehemenz das Gegenteil versichern, dass sie es für erwiesen halten, dass Putin persönlich die Angriffe in Auftrag gab? Mag sein, gibt Trump zurück. Aber: Putin hat alles abgestritten, „stark und kraftvoll“ sei Putins Dementi gewesen. Also, Schwamm drüber.

Der amerikanische Präsident glaubt dem Ex-KGB-Agenten Putin mehr als den Amerikanern, die ihr Leben dem Schutz ihres Landes vor fremden Mächten widmen. In diesem Satz steckt so gut wie alles, was man über die Trump-Ära wissen muss.

In den USA ist das Echo verheerend: Unvorbereitet, unterlegen, geradezu unterwürfig – so beschreiben die Leitmedien der USA den Auftritt des Präsidenten. „Entweder Trump ist ein informeller Mitarbeiter des russischen Geheimdienstes – oder er ist wirklich gut darin, einen im Fernsehen zu mimen“, resümierte der Kolumnist Thomas Friedman in der New York Times.

Selbst aus den Reihen prominenter Republikaner und von Trump-treuen Medien wie Fox News hagelt es Kritik. Dass der Präsident an der Seite Putins die Arbeit der US-Geheimdienste in Zweifel zog, schwächt aus Sicht der Kritiker die Position der USA. „Putin weiß, dass er den Gipfel gewonnen hat“, sagte Bob Corker, Vorsitzender des Außenausschusses im US-Senat. „Ich nehme an, er feiert gerade mit Kaviar.“

Abby Huntsman, Reporterin von Fox News und Tochter des US-Botschafters in Russland, Jon Huntsman, kritisierte Trump in einem Tweet. „Der Präsident hat seine eigenen Bürger und sein Land unter die Räder kommen lassen.”

Viele Politiker und Experten sprangen den Nachrichtendiensten zur Seite. „Trump ist nicht in der Lage, von sich selbst abzurücken. Deshalb sieht er in der Russland-Affäre nur eine feindliche Untersuchung gegen seine Person. Bei den Ermittlungen geht es jedoch um viel mehr”, kommentierte Fox-Moderator Brit Hume.

Thomas Wright, Experte für Transatlantische Beziehungen an der Denkfabrik Brookings, sagte, er könne sich nicht an ein vergleichbares Verhalten eines US-Präsidenten erinnern. „Es gibt dafür keinen Präzedenzfall“, schrieb er auf Twitter. „Trump hat eine ideologische Agenda, die sich an Putins Haltung orientiert.”

Die Russland-Expertin Susan Hennessey schrieb: „Ich weiß nicht, für wen der Präsident der Vereinigten Staaten arbeitet, aber es ist nicht das amerikanische Volk.”

Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass der beschämende Auftritt in Helsinki Trump politisch aus der Bahn wirft. Der Präsident hat schon oft Empörung ausgelöst – und bisher alle Kontroversen unbeschadet überstanden. Die Zustimmungswerte verharren bei 40 Prozent. Das sind schlecht, aber nicht katastrophal. Dass die Basis der republikanischen Partei fest zu ihm hält, ist Trumps wichtigste Rückversicherung.

Die schärfste Kritik kommt von Republikanern, die ihre Karriere hinter sich haben. Jeff Flake etwa, ein Senator aus Arizona, nannte den Gipfel „beschämend”.

John McCain, ebenfalls aus Arizona, Präsidentschaftskandidat von 2008 und ein über Parteigrenzen hinweg verehrter Kriegsheld, sprach von „einer der schändlichsten Aufführungen eines amerikanischen Präsidenten. Der durch Präsident Trumps Naivität, Egoismus und falsche Sympathie für Autokraten verursachte Schaden ist schwer zu beheben. Der Gipfel in Helsinki war ein tragischer Fehler“. Trump habe Putin eine Plattform für Propaganda und Lügen gegeben, so McCain.

Der republikanische Senator Lindsey Graham aus South Carolina bemängelte den unklaren Fokus des Gipfels und drängte auf eine Kongress-Anhörung zur amerikanisch-russischen Kooperation im Kriegsland Syrien. Er kritisierte auf Twitter, dass Trump das Geschenk eines Fußballs von Putin niemals hätte annehmen dürfen. „Ich würde den Fußball erstmal auf Wanzen checken”, lästerte Graham.

Auch Paul Ryan, Republikaner-Chef im Repräsentantenhaus, widersprach Trump in der Russland-Affäre. „Es steht außer Frage, dass Russland in unsere Wahl eingegriffen hat und weiterhin versucht, die Demokratie hier und auf der ganzen Welt zu unterminieren“, sagte er.

Nancy Pelosi, Anführerin der demokratischen Minderheitsfraktion, reagierte fassungslos. „Es steht Putin jetzt frei, unsere Demokratie immer und immer wieder anzugreifen. Es ist widerlich.”

John Brennan, früherer CIA-Direktor unter Barack Obama, bezeichnete Trumps Auftritt als „verräterisch“. Trumps Kommentare seien „schwachsinnig”, schrieb Brennan. „Putin hat ihn in der Tasche. Republikanische Patrioten: Wo seid ihr???” In mehreren Fernsehauftritten forderte er ein Amtsenthebungsverfahren.

George W. Bushs früherer Pressesprecher Ari Fleischer, der Trump sonst häufig verteidigt, hatte keine beschwichtigenden Worte parat. „Ich glaube weiterhin, dass es zwischen der Trump-Kampagne und Russland keine Absprachen gab. Aber wenn Trump derart naiv Putins Ausreden akzeptiert, kann ich verstehen, warum man auf die Idee kommt, Putin habe kompromittierende Informationen über Trump.”

Einer der konservativsten Kommentatoren der USA, Neil Cavuto, bezeichnete Trumps Performance auf Fox News als „ekelhaft“. Der Gipfel würde die USA „total zurückwerfen”. Der „Drudge Report”, eine rechtskonservative Nachrichtenseite, zeigte die Schlagzeile „Putin dominiert in Hel„. Die Abkürzung Hel für Helsinki sollte man offenbar bewusst in Anspielung auf „Hell”, amerikanisch für „Hölle”, verstehen.

Selbst einige von Trumps politischen Weggefährten gehen auf Distanz. Newt Gingrich, der frühere Chefideologe der Republikaner, twitterte: „Trump muss seine Aussagen in Helsinki über unser Geheimdienstsystem und Putin klären. Es ist der schwerste Fehler seiner Präsidentschaft und muss sofort korrigiert werden.“

In Helsinki wurde 1975 der Grundstein für die Annäherung zwischen Ost und West gelegt. Donald Trump war in die finnische Hauptstadt gekommen, um sich in die Geschichtsbücher einzutragen. Das ist ihm gelungen, nur anders als geplant. „Die Presskonferenz war der beschämendste Auftritt eines amerikanischen Präsident auf der Weltbühne“, sagte William Burns, einer der angesehensten Ex-Diplomaten der USA. Auch so kann man Geschichte schreiben.