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Durch den Einstieg von KKR bei Axel Springer entsteht eine neue Medienmacht

Zu den härtesten Akteuren der Weltwirtschaft gehört Henry Kravis. Die von ihm 1976 gegründete Private-Equity-Firma KKR hält Beteiligungen in vielen Ländern. „Wir gehen dorthin“, sagt Kravis dann gern, „weil wir den Bedarf sehen.“ Den hat der 75-Jährige nun bei der börsennotierten Axel Springer SE in Berlin erkannt.

KKR offeriert allen freien Aktionären – gegen einen fetten Aufpreis von 32 Prozent auf den aktuellen Kurs – die Übernahme ihrer Anteile. Mit Verlegerwitwe Friede Springer (42,6 Prozent) sowie CEO Mathias Döpfner (2,8 Prozent), die ihre Anteile behalten wollen, planen die Amerikaner im Konsortium allerlei Investitionen – die Zukunftssicherung in der digitalen Ära.

Als der Deal anstand, der ihr Unternehmen nachhaltig verändern könnte, wollte es Friede Springer genauer wissen. Also informierte sich die Großaktionärin der Axel Springer SE, wie Vertraute berichten, an vielen Stellen.

Offenbar bekam sie mit, wie in Gütersloh gedacht wurde, im Medienkonzern Bertelsmann und von dessen Eigentümerin Liz Mohn. Dort hatte man schon eigene Erfahrungen mit KKR gemacht – gute. Der Wiedereinstieg ins Musikgeschäft mit der Bertelsmann Music Group (BMG) sei vor einigen Jahren deshalb geglückt, bekam Springer mit.

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KKR habe „uns sehr konstruktiv dabei unterstützt, den Aufbau von BMG mit hoher Dynamik voranzutreiben“, verbreitete Bertelsmann-Vorstandschef Thomas Rabe im Jahr 2013: „Gemeinsam haben wir unsere ambitionierten Ziele nicht nur erreicht, sondern deutlich übertroffen.“

Die Recherche half der Witwe des legendären Verlegers Axel Cäsar Springer (1912–1985) offenbar bei der Entscheidung, dem Kurs des Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner zu folgen. Der promovierte Musikwissenschaftler, inzwischen seit 17 Jahren im Amt, hat die Geldgeber von KKR als wichtiges Bataillon im Kampf gegen die digitalen Supermächte aus den USA – von Google bis Facebook – ausgemacht, die sein Geschäft bedrohen. Mit den Milliarden der Private-Equity-Spezialisten, so sein Kalkül, könne er das eigene Haus besser absichern.

Wachsende Bereiche wie das Jobportal Stepstone, die digitalen Publikationen „Business Insider“, „Upday“ und „Politico“ sowie das digitale Immobiliengeschäft benötigten Investitionen. Und so kam es zu einer weitreichenden Investorenvereinbarung, wonach KKR den freien Aktionären ein Übernahmeangebot macht.

Am Ende sollen dann die Beteiligungsspezialisten, die das im Fonds „Traviata II“ geparkte Geld von Investoren anlegen, zusammen mit Friede Springer (Aktienanteil: 42,6 Prozent) und CEO Döpfner (Anteil: 2,8 Prozent) in einem Konsortium den Kurs bestimmen.

Der anstehende Deal, wenn er denn zustande kommt, ist auf mindestens fünf Jahre mit einem erheblichen Bedeutungszuwachs für eine ohnehin mächtige Finanzfirma aus Manhattan verbunden. Sie mischt auf einmal in einem sensiblen Markt mit, auf dem es auch um Meinungen, Informationen und Vielfalt geht – eine Schlüsselzone der Demokratie.

Denn schon Monate vor dem Projekt Springer hatte sich KKR dem deutschen Film- und Fernsehgeschäft zugewandt. In vielen Gesprächen eruierte KKR die die Möglichkeit, in dem oft kleinteiligen Geschäft Produzenten zu akquirieren. Viermal kam KKR zum Zuge, vor allem bei der Tele-München-Gruppe, die der österreichische Unternehmer Herbert Kloiber nach seiner Zeit bei Medienpionier Leo Kirch (1926–2011) aufgebaut hatte; auch eine Beteiligung am TV-Sender RTL 2 ist Teil des Sortiments.

Nun soll unter diesem Dach ein schlagkräftiger Verbund entstehen, die Regie dabei hat Ex-Kirch-Manager Fred Kogel. Aus dem Bertelsmann-Reich kam die Firma Universum hinzu, Starmoderator Günther Jauch stieß seine Firma I & U TV („Stern-TV“, „Ich weiß alles“) ab, und auch der in der Kinoszene hochgeschätzte Betrieb Wiedemann & Berg („Das Leben der Anderen“) verkaufte.

KKR könnte vier Milliarden Euro bereithalten

Mindestens vier weitere Deals sind in der Pipeline. „Die kaufen alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist“, sagt ein Produzent. Das Risiko im Produktionsgeschäft sei hoch, insbesondere bei Großauftraggebern wie Amazon, erklärt ein TV-Spitzenmanager.

„Die Strategie wirkt so, als würde man aus der Retorte eine kleine Sendergruppe erschaffen wollen“, sagt Ufa-Chef Nico Hofmann. „Man überlegt sich, welche Teile man braucht, und kauft sie am Markt zusammen.“ Es komme aber auf die Unternehmenskultur an: „Geld regiert nicht alles. Es ist mehr denn je eine Frage der Qualität der Mitarbeiter, der Führung und eben der Kultur.“

Aber Geld bedeutet in diesen Zeiten schon sehr viel, in denen über viele Jahre bewährte Mediengeschäfte radikal herausgefordert werden: seien es Vertrieb und Anzeigenvermarktung der Presse oder das „lineare Fernsehen“ mit festen Programmplätzen einzelner TV-Stationen. Insgesamt dürfte KKR für das Medieninvestment schätzungsweise mehr als vier Milliarden Euro bereithalten.

Springer-Chef Döpfner dementiert Spekulationen, wonach das eigene Haus ein Teil dieses Bewegtbild-Imperiums werden könne: „Das hat in unseren Gesprächen überhaupt keine Rolle gespielt.“ Keiner habe die Idee gehabt, dass man da etwas kombinieren solle: „Für KKR ist das eine andere Baustelle.“

„KKR hat in 20 Jahren rund fünf Milliarden US-Dollar Eigenkapital in Deutschland investiert. Das ist ein Vertrauensbeweis. Es gibt international einige Zweifler, wir aber stehen sehr positiv zum deutschen Markt“, erklärt Philipp Freise. Er ist Partner und Head of European Media & Digital Investments mit Sitz in London – und der Mann hinter den vielen Mediendeals. Im Bertelsmann-Konzern erzählte ihm der damalige CEO Thomas Middelhoff vor 20 Jahren, das Internet sei die Zukunft der globalen Medienbranche, und so stieß der einstige McKinsey-Mann Anfang 2000 im Umfeld des Gütersloher Unternehmens als Co-Gründer zur Venturepark AG in Berlin.

Nach deren Scheitern lebte er die Medienaffinität bei KKR aus. Er war es, der operativ bei BMG das Geschäft mit Melodie und Harmonie belebte und dem Schweizer Verleger Michael Ringier half, das Geschäft mit Online-Marktplätzen zu beleben. Das Mediengeschäft sieht Freise zweifach bedrängt: einerseits von Silicon-Valley-Plattformen mit unlimitiertem Kapital, andererseits von Vorgängen auf dem abgeschotteten chinesischen Markt, der auch Internetschwergewichte hervorgebracht habe. „Unsere Aufgabe ist es“, sagt er, „mittelgroßen Unternehmen, die ihr Geschäft bereits vor Jahrzehnten aufgebaut haben, in dieser Lage zu helfen. Wir setzen auf Partnerschaften.“

Auf Springer-Seite ist Vorstandschef Döpfner ihm bestens vertraut, gemeinsam saß man einst im Aufsichtsrat des TV-Konzerns Pro Sieben Sat 1. Man traf sich hin und wieder zu Gesprächen, so wie der Verlagschef auch den Kontakt mit KKR-Europachef Johannes Huth hielt und natürlich mit Henry Kravis, dem Gründer der Private-Equity-Firma, der sich intensiv mit Springer-Managern austauschte.

Natürlich geht es aktuell um ein paar wichtige Manöver gegen Google und Co. Es sei ein „Meta-Thema“, dass der US-Konzern nun in den europäischen Markt der Jobanzeigen dränge, offenbart KKR-Mann Freise, das gefährdet zum Beispiel Springers Angebot Stepstone. „2019 und 2020 wollen wir erst einmal schauen, wie wir unsere Produkte noch besser machen können“, fährt der Medienspezialist fort: „Wir müssen unsere Hausaufgaben machen.“ Offenbar sind erst für die Zeit danach Zukäufe geplant. Von einem Einstieg bei Ebay jedenfalls, von dem Börsianer schon schwadronierten, ist nichts zu sehen.

Ohnehin wirkt die ganze Prozedur nach einigem Nachdenken auch so, als sei der angestrebte Rückzug von der Börse der eigentliche Clou. Das „Delisting“ bewirkt, dass sich das Springer-Management nicht mehr lästige Fragen nach Vergütung oder Reisekosten anhören muss. Man wäre nach einem solchen Abschied vom Parkett wieder unter sich, was der Haupteigentümerin Friede Springer gefallen könnte.

Auch Bertelsmann-Strategin Liz Mohn hat aus ähnlichen Gründen einen Börsengang gescheut. Zusammen mit ihrer Vertrauten, der Juristin Karin Arnold, kümmert sich Friede Springer derzeit en détail um die Gestaltung des Unternehmens für die Zukunft. Für ihren Topmanager Döpfner entfiele die Möglichkeit, sein Paket an der Börse zu versilbern.

Döpfner sieht sich in der Rolle des „digitalen Verlegers“

KKR wiederum dürfte sich das Engagement – wie in solchen Fällen üblich – über exakte Bestimmungen zum späteren Ausstieg („Exit“) von vornherein vorteilhaft organisiert haben. Einzelheiten sind nicht zu erfahren. „Unsere Rolle im deutschen Medienmarkt ist jene, die Jogi Löw bei der Nationalmannschaft ausfüllt“, erklärt KKR-Medienchef Freise lediglich: „Wir sind Ideengeber, die Tore müssen die anderen schießen. Unserer Verantwortung sind wir uns dabei sehr bewusst.“

Döpfner betont, sein Haus führe seit Jahren einen strikten Digitalisierungskurs. 74 Prozent des Umsatzes und 87 Prozent des Gewinns entstammen inzwischen aus digitalen Geschäften – auch eine Folge des Großverkaufs von Zeitungen („Hamburger Abendblatt“, „Berliner Morgenpost“) und Zeitschriften („Hörzu“) an die Essener Funke-Gruppe. Diese Radikalität begeisterte viele in der Finanzbranche, die die Zukunftsaussichten des Journalismus jedoch oft als sehr mau ansehen.

Döpfner hingegen, der auch Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger ist, sieht sich in der Rolle eines „digitalen Verlegers“. Bei KKR erklärt Freise: „Wir teilen die Überzeugung von Mathias Döpfner, dass Menschen digitale Medienprodukte kaufen wollen. Sonst gäbe es diese Transaktion nicht.“ Es stärke den Journalismus, dass Springer und KKR gemeinsam in die Zukunft investieren.

Was das für die Boulevardzeitung „Bild“, lange Zeit das Aushängeschild, und die Gruppe rund um die „Welt“ bedeutet, ist nicht ausgemacht. An vielen Orten ist von einem strikten Sparkurs zu hören. Bei insgesamt 3,2 Milliarden Euro Gesamtumsatz im Konzern ist das analoge Geschäft mit Medienmarken schwierig geworden.

Am gestrigen Mittwoch kassierte Springer sogar die Umsatz- und Gewinnprognose fürs laufende Geschäftsjahr ein. Die Erlöse würden im niedrigen einstelligen Prozentbereich sinken, auch der Betriebsgewinn gehe in diesem Ausmaße zurück. Im nächsten Jahr wird sich die Rentabilität aufgrund der geplanten Investitionen weiter verschlechtern. Kostenanpassungen in allen Bereichen kündigt CEO Döpfner an, man habe einen „gut trainierten Kostenmuskel bei Axel Springer“.

Doch ein Investor wie KKR sieht das Licht am Ende des Tunnels. Die Erfolge der „Disruption“, der Erschütterung des Geschäfts, sind schon eingepreist. Und wer weiß, welche Möglichkeiten des Kaufens und Verkaufens sich noch bieten. „Denen kommt es auf eine Wertsteigerung innerhalb von fünf Jahren plus an“, sagt Springer-Finanzvorstand Julian Deutz. Man sieht sich bei KKR wahlweise als Architekt oder als Baumeister, als jemand, der Macht auf Zeit ausübt. Und als jemand, der am Ende mit gutem Gewinn von dannen zieht.

Mehr: Bereits Ende Mai gab es Gerüchte über einen Einstieg von KRR bei Axel Springer. Catrin Bialek hielt das schon damals für einen klugen Schritt. Ein Kommentar.