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Wer ist eigentlich für die Work-Life-Balance verantwortlich – Angestellte oder Führungskräfte?

Am Anfang meines Berufslebens bin ich einfach losgestürmt. Tage und Abende und Nächte verschmolzen zu Arbeitszeit-Schlaf-Frühstück-Arbeitszeit. Ich hatte Glück, Überstunden wurden in meiner Firma sauber aufgeschrieben. Wir durften sie sammeln und waren gehalten, sie tageweise abzubummeln. Über die Jahre änderten sich meine Bedürfnisse immer wieder: Mal waren mir längere Treffen um die Mittagszeit wichtig, mal der pünktliche Feierabend, um Verabredungen einhalten zu können. Heute ist es Flexibilität, die ich als Mutter brauche, um Leben und Arbeit gut zusammenzukriegen.

„Der Begriff Work-Life-Balance steht für einen Zustand, in dem Arbeits- und Privatleben miteinander in Einklang stehen“, so schreibt es Wikipedia. Ich führe einen inneren Krieg mit diesem Begriff. Denn die Arbeit ist für mich ein Teil des Lebens. Genauer: Arbeitszeit ist ein Teil der Lebenszeit. Folglich sind Arbeit und Leben nicht gleichrangig, können also auch nicht in Balance stehen. Ob damit gemeint ist, dass Arbeitszeit und Freizeit gleich sein sollen oder ein bestimmtes Verhältnis einhalten, ist deshalb unerheblich. Entscheidend ist die bewusste Priorisierung: Arbeit und Freizeit, beides hat seine Zeit.

Bedürfnisse sind verschieden – und ändern sich

Finde etwas, dass du liebst, dann musst du nie wieder einen Tag arbeiten. Dieses Zitat wird verschiedenen Menschen der Geschichte zugeschrieben und als Ideal der Berufswahl angesehen. Und klar – im Idealfall macht die Arbeit Spaß und dann ist das schön. All die anderen, weniger liebenswerten Jobs müssen allerdings auch erledigt werden. Und auch, wer seine Liebe gerade lieber anders verteilt als an Aktenordner und Cad-Programme, muss weiter arbeiten. Und auch, wer die emotionale Bindung an die Firma ganz verloren hat, muss ihr weiter gerecht werden, um mit seinem Lohn die Teilhabe an Freizeitaktivitäten sicherzustellen.

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Alles in Ordnung an dieser Stelle, nicht jede und nicht jeder muss den Job lieben. Manchmal reicht es auch, ihn einfach zu erledigen. Deutsche tun das im Schnitt 34,8 Stunden pro Woche, der EU-Durchschnitt liegt bei 37 Stunden, berichtet das Statistikamt Destatis. Die meisten Menschen kommen auf sechs bis acht Stunden Arbeitszeit am Tag, dazu kommen Pendelzeiten und Haus- oder Sorgearbeit. Diesen Zeiten gegenüber stehen im Schnitt knapp vier Stunden Freizeit.

Im Leben werden sich Prioritäten immer wieder verschieben. Mal ist der Jobeinstieg wichtig, das Sich-Beweisen. Dann die Freundschaft, das Geld, die psychische Gesundheit, der Aufstieg, die Kinder, der nächste große Karriere-Schritt oder der Wechsel in eine neue Firma, Training gegen Rückenschmerzen, ein wichtiges Projekt, die Pflege der Eltern, der Hausbau, die Quartalszahlen, das neue Rennrad oder der nächste Marathon. Ganz schön viel Work und ganz schön viel Life, die immer wieder in Balance gebracht werden wollen.

Die Verantwortung der Angestellten

Ein gutes Verhältnis von Arbeit und Freizeit kann gar nicht entstehen, wenn sich Angestellte über ihre Bedürfnisse nicht klar sind. Und diese Bedürfnisse wandeln sich. Entscheidend für ein gutes Leben ist also immer wieder die Frage: Was ist mir gerade wichtig? Nur wer diese Frage beantworten kann, kann die Verantwortung für das eigene Leben übernehmen. Und dazu gehört eben auch das Arbeitsleben. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen ihre Bedürfnisse und Wünsche kommunizieren – andernfalls hat keine Führungskraft eine Chance, auf sie einzugehen.

„Viele Führungskräfte sind leider vom Stamme ‚Nimm' und hören nicht auf, immer mehr zu nehmen, wenn kein klarer Einhalt geboten wird“, kritisiert der Social Media-Experte Stefan Balázs. „Vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fällt es schwer, ‚Nein' zu sagen, wenn die Chefin oder Chef auf den zeitlichen Einsatz bezogen Nachschlag fordern.“ Balázs wünscht sich von Führungskräften mehr Sensibilität gegen über Menschen, die sich das Nein-Sagen nicht trauen.

„Ich appelliere an die Arbeitnehmenden, sich regelmäßig bewusst zu machen, wie für sie eine optimale Work-Life-Balance aussieht und diese auch einzufordern“, sagt Elise Müller, Director People & Culture bei Spryker. „Welche Rahmenbedingungen werden benötigt, um die beste Version ihrer oder seiner selbst zu sein?“

Die Verantwortung der Führungskräfte

Eine besondere Rolle spielen die Führungskräfte, die oft genug selbst Arbeitnehmer sind. Elise Müller: „Führungskräfte wirken als Vorbilder. Wenn sie kaum Urlaub nehmen oder selbst am Wochenende dauererreichbar sind, tun es Arbeitnehmende aus falscher Verpflichtung häufig auch – darunter leiden über kurz oder lang die mentale und körperliche Gesundheit.“ Es sei Teil der Führungspflicht der Arbeitgeber, Bedingungen zu schaffen, unter denen die Menschen gern arbeiten.

Krankenpfleger Andreas Trentin wünscht sich vonseiten der Führungskräfte vor allem langfristige Dienstpläne: „In der Pflege ist es nicht immer planbar. Uns helfen regelmäßige und sicher arbeitsfreie Pausen – ohne Anrufe oder Dienstgespräche, es sei denn, es geht wirklich um einen Notfall.“ Arbeitnehmer sollten die Möglichkeit haben – und nutzen – in ihrer Freizeit auch wirklich den Kopf freizubekommen und sich körperlich fit zu halten.

Die Verantwortung der Unternehmen

„Unternehmen müssen ein Umfeld schaffen, das eine gesunde Work-Life-Balance ermöglicht“, sagt Elise Müller von Spryker. „Da die Bedürfnisse von Arbeitnehmenden immer individuell sind, muss es auch das Angebot sein – von Remote-Work über flexible Urlaubstage bis hin zu Sabbaticals.“

Firmen haben schon in der Art, wie sie Arbeit strukturieren, die Möglichkeit, Flexibilität zu schaffen und den Arbeitsdruck zu reduzieren. So lassen sie ihren Mitarbeitenden mehr Raum und Energie für den Ausgleich. Kernzeiten zu schaffen kann dafür ein starker Hebel sein. Sind zu bestimmten Zeiten alle Mitarbeitenden gehalten, verfügbar zu sein, dann können Absprachen in dieser Phase getroffen werden. Randzeiten werden dann flexibler, so dass Menschen ihre Arbeitszeit an ihre Bedürfnisse anpassen können.

Gleichzeitig könnte Leistung wichtiger werden, als Arbeitszeit. Wer seinen Job in sechs Stunden am Tag schafft, muss vielleicht auch nur in dieser Zeit erreichbar sein. Wer Stunden reduziert, muss dafür nicht mit geringerem Lohn bestraft werden. Stattdessen lohnt sich ein Blick auf die Bedürfnisse beider Seiten: Soll diese Arbeitskraft gehalten werden? Aber acht Stunden Verfügbarkeit sind gerade zu viel? Dann kann es beiden Seiten dienen, Abläufe zu straffen – um die Rahmenbedingungen zu schaffen, weiter gut zusammen zu arbeiten.

Je komplexer Arbeit ist und je größer der Bedarf an spezifischen Fähigkeiten, desto mehr Verhandlungsspielräume haben Arbeitnehmer. Je kreativer die Lösungen, die Unternehmen und Angestellte finden, desto besser ist es für beide Seiten.