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E-Sport wird für deutsche Konzerne zum Milliardengeschäft

Sonnenschein, 20 Grad, ein Samstag wie gemacht für Sport. Während Hunderttausende Fans in Fußballstadien drängen, strömen in Düsseldorf Hunderte junge Menschen in eine eher spärlich beleuchtete Halle. Hier findet die deutsche Frühlingsmeisterschaft im E-Sport statt. Eingeladen hat der Kölner Weltmarktführer Electronic Sports League (ESL), an zwei Tagen geht es in verschiedenen Computerspielen um Ruhm, Ehre und insgesamt 60.000 Euro Preisgeld.

Der Samstag, an dem es um das Strategiespiel „League of Legends“ geht, ist mit 1600 Besuchern restlos ausverkauft. Auf internationalem Niveau füllten die Turniere bereits binnen Minuten die Kölner Lanxess Arena, die Weltmeisterschaften in Peking verfolgten 80.000 Menschen vor Ort. Im Web schalteten bis zu 40 Millionen Zuschauer ein. E-Sport ist kein Nischenphänomen mehr. Es ist ein erfolgreicher Geschäftsbereich, der Großunternehmen als Partner und Sponsoren anzieht.

Im Foyer des Castello Düsseldorf haben sich die Sponsoren gut sichtbar positioniert. Zwei große Chiphersteller sind dabei, Intel aus der Computer-, Pringles aus der Kartoffelbranche. McDonald’s bietet Lieferungen aus einer Filiale an, dazu gibt es Red Bull. Auch Rasiererproduzent Gillette sponsert das Event. Viel Klischeedenken, räumt ein Sprecher der ESL ein.

Doch das Klischee des übernächtigten und ungesund lebenden Gamers bröckelt. Hauptsponsor ist die Bausparkasse Wüstenrot, die mit eigenen vier Wänden zum ungestörten Zocken ködert. Die Adressaten: Young Professionals, technikbegeisterte junge Menschen, die an Hochschulen drängen, gute Jobaussichten haben und bereit sind, Geld für Videospiele auszugeben. Die Zielgruppe wird teils schon auf Augenhöhe mit regulärem Sportsponsoring betrachtet. Branchenriesen denken um.

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Weltkonzerne wie Vodafone sind bereits eingestiegen – Deutschland-Marketingchef Gregor Gründgens schwärmt von den Möglichkeiten der direkten Ansprache und des glaubwürdigen Markenauftritts. Auch der deutsche Logistikriese DHL entdeckt das einstige Nischenprodukt für sich. Die Post-Tochter wird künftig als Logistikpartner die Events der Liga ESL begleiten. Zuvor war DHL bereits bei der E-Sport-Serie der Formel 1 eingestiegen. Die ESL gewinnt einen renommierten Geschäftspartner, der Logistikkonzern gewinnt Zugang zu einer jungen Zielgruppe, die er über die Spiele auch emotional erreicht.

Auch der größte deutsche IT-Konzern, SAP, ist vor wenigen Wochen in den Markt eingestiegen. Der Softwaregigant investiert schon lange massiv ins Sport-Sponsoring. Dieses Engagement weitet SAP nun auf den boomenden E-Sport aus: Der Konzern verkündete, Sponsor der professionellen Mannschaft „Team Liquid“ zu werden.

Die Mannschaft zählt zu den bekanntesten Clans der Szene. Das Team tritt in Spielen wie „Dota 2“, „League of Legends“ und „Counter Strike“ an. Die Spieler gelten als Stars. Der Vertrag läuft zunächst drei Jahre. SAP erreiche mit der Partnerschaft ein „technikaffines und hochqualifiziertes Publikum“, erklärt Personalvorstand Stefan Ries. Zudem geht es darum, den Nutzen der SAP-Technologie in den Bereichen Datenanalyse und künstliche Intelligenz zu demonstrieren.

Das Sponsoring von Sportmannschaften sei ein „etabliertes Marketinginstrument“, sagt SAP-Manager Milan Cerny. E-Sport passe sehr gut ins Bild: Es handle sich um eine „vollständig digitale Disziplin“. Das harmoniere gut mit der Marke des Softwarekonzerns. Zudem erreiche der Konzern potenzielle Mitarbeiter. Zur konkreten Höhe der Investition äußerte sich SAP nicht. Nach Einschätzung aus Branchenkreisen dürfte sich die Leistung über die dreijährige Vertragslaufzeit auf einen niedrigen Millionenbetrag summieren.

Die Partnerschaft zeigt, welchen Stellenwert E-Sport heute hat. Der Umsatz mit Übertragungsrechten, Tickets, Werbung und Fanartikeln wächst in diesem Jahr um 38 Prozent auf rund 900 Millionen Dollar, schätzt der Marktforscher Newzoo. Die Wettbewerbe locken weltweit 380 Millionen Nutzer vor die Bildschirme und in Sporthallen. Auch in Deutschland wächst die Beliebtheit rasant. So rasant, dass Computerspiel-Weltmarktführer Activison Blizzard ein Team aus einer deutschen Stadt in der hauseigenen Liga zum Erfolgstitel „Overwatch“ will.

„Viele Unternehmen erhoffen sich über den E-Sport den Zugang zu einer jüngeren Zielgruppe“, sagt Lars Stegelmann vom Marktforscher Nielsen Sports. Bei Technikherstellern sei das bereits gängige Praxis, etwa bei Intel. „Jetzt prüfen aber auch immer mehr branchenfremde Marken, ob sie mit der Plattform E-Sports arbeiten können.“ Unter anderem die Logistiker der DHL.

Werbekunden wollen ihre Marke „positiv aufladen“

Dabei geht es nicht nur ums Alter der Zuschauer. E-Sport wird mit Begriffen wie Hightech, Professionalität, Vernetzung und Modernität in Verbindung gebracht, ebenso Spaß – das zeigt eine Nielsen-Studie. „Diese Kombination ist relativ einzigartig“, sagt Stegelmann. Wenn ein Unternehmen sich jung und modern präsentieren wolle, sei der digitale Sport mindestens genauso attraktiv wie der analoge.

Was das bringt, ist messbar: Beim E-Sport erhalten Unternehmen für ihr Sponsoring im Durchschnitt den dreifachen Medienwert, wie Nielsen ermittelt hat. Sprich: Die Investition erkauft dreimal so viel Aufmerksamkeit, wie es Anzeigen für dieselbe Summe tun würden. Bei einzelnen Veranstaltungen könne dieser Wert deutlich höher sein, betont Marketingexperte Stegelmann. Derzeit zumindest: „Wenn werbetreibende Unternehmen früh einsteigen, sind die Kosten noch nicht so hoch.“

Die Unternehmen wollen bekannter werden und ihr Image verbessern – und die eigene Marke mit positiven Eigenschaften „aufladen“, wie es im Fachjargon heißt. Das sei aber häufig mit „handfesten unternehmerischen Zielen“ verknüpft, sagt Stegelmann – wie etwa Umsatzsteigerung oder Personalrekrutierung.

Dinge, die auch beim Stuttgarter Autoriesen Daimler angekommen sind. Die Kernmarke Mercedes-Benz engagiert sich seit einigen Jahren im Gaming-Bereich, speziell bei Motorsportsimulationen. 2017 wagte das Unternehmen den Einstieg in den Kernbereich der E-Sport-Szene, tritt seither als Sponsor der Events der „ESL One“-Turniere auf.

Mit „Staunen“ beobachtet Mercedes das Wachstum des Sektors, spricht von einem „wahren Hype“. Die Stuttgarter sehen im E-Sport das perfekte Tool, um die Zielgruppe zwischen 18 und 34 Jahren weltweit zu erreichen: „Über E-Sport steht Mercedes Benz im spielerischen Dialog mit zukünftigen Kunden, um diese für die Marke, Produkte und Dienstleistungen zu gewinnen.“

Ressourcen für das E-Sport-Engagement hat der Verlust des Sponsorvertrags mit der deutschen Fußballnationalmannschaft freigesetzt: „Durch das Ende der Partnerschaft mit der Nationalmannschaft bekommen wir jetzt zusätzliche Flexibilität, andere Dinge zu tun“, heißt es von Mercedes, „wenn wir Geld durch die Beendigung eines bestimmten Engagements einsparen, schauen wir, wie wir dies möglichst effizient in neue Formate investieren.“ Jens Thiemer, Marketingchef des Konzerns, erklärte unlängst am Rande eines ESL-Events in Kattowitz, dass E-Sports einmal größer sein wird als das traditionelle Fußballgeschäft.

Ob es weitere Investitionen geben wird – und wenn ja, wo – möchten die Stuttgarter nicht konkret sagen. Das Engagement in der ESL wird aber bewusst als Einstieg in die Branche bezeichnet. Spieltechnologie, Event-Management, Werbevermarktung und TV-Produktion: In all diesen Bereichen sieht sich Mercedes in der Lage, das „Ökosystem auf allen Ebenen beliefern zu können“.

Die Korrelation zwischen Fußball und E-Sports findet sich in der deutschen Szene noch häufig. Die erfolgreichen Fußball-Videospiele der Fifa- und PES-Reihen spielen im Wettkampfbereich zwar eine Nebenrolle, gerade als Publikumssport. Wer Fußball schauen möchte, schaut beim großen Angebot das tatsächliche Spiel, keine Simulation. Für Bundesligaklubs ist der E-Sport jedoch, analog zur Sponsorenseite, eine Möglichkeit, das eigene Produktportfolio zu erweitern und neue Zielgruppen an die eigene Marke heranzuführen.

Neuer Werbeplatz für Sponsoren

Einer der Vorreiter im heimischen Markt war der FC Schalke 04. Der Traditionsverein sieht reichlich Potenzial im Geschäft mit dem digitalen Sport und hat das Business auf Chefebene verankert. Marketingvorstand Alexander Jobst lenkt die Geschicke der Abteilung, die neben erfolgreichen „Fifa“-Spielern wie Tim „Latka“ Schwartmann auch ein Profiteam für das Strategiespiel „League of Legends“ aufstellt.

Den Schalkern geht es darum, sich wirtschaftlich zu emanzipieren. „Wir möchten auf der Einnahmenseite die direkte Abhängigkeit vom sportlichen Erfolg im Fußball so gering wie möglich halten“, erklärt Jobst im Gespräch mit dem Handelsblatt. Das Kerngeschäft, und das betont er mehrfach, ist und bleibt jedoch der Fußball.

Das Engagement im E-Sport soll auf das Gesamtgeschäft einzahlen. Einen hohen sechsstelligen Betrag hat der Klub als Startinvestition getätigt, die laufenden Kosten sind jährlich ebenfalls sechsstellig. Konkrete Zahlen nennt Jobst nicht. Aber er verrät, dass sich der Betrag schon amortisiert hat. „Über Preisgelder, Sponsoreneinnahmen und Medienpartnerschaften tragen sich die Ausgaben mehr als selbst“, so der Marketingchef.

Für bisherige Sponsoren bietet die Präsenz im digitalen Spielemarkt ein attraktives Zusatzangebot. Für den Online-Supermarkt Allyouneed Fresh etwa, Ärmelsponsor der Schalker, war E-Sport ein entscheidender Hebel. Gerade dort, wo der Klub nicht mit seinem Fußballkerngeschäft punkten kann, weil die internationale Konkurrenz zu stark ist.

„In Asien und den USA ist E-Sport extrem beliebt, beides sind Kernmärkte unserer Internationalisierungsstrategie“, erklärt Jobst. Symptomatisch: Während einer China-Reise warteten im Flughafengebäude in Schanghai Hunderte Fans auf den FC Schalke 04. Umjubelt wurden jedoch nicht die Bundesliga-Profis, sondern Fifa-Spieler Schwartmann.

Diese Fans sollen im Idealfall an die Kernmarke herangeführt und ihre Begeisterung für S04 geweckt werden. Und im Zweifel auch die Gelsenkirchener Veltins-Arena füllen, wenn im E-Sport Großveranstaltungen wie League-of-Legends-Turniere locken. Dann eben nicht vor 1600 Zuschauern, sondern vor mehr als 40.000.