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Durchsuchungen bei der Zoll-Spezialeinheit FIU

Ermittler gehen gegen die Financial Intelligence Unit vor, die Geldwäsche bekämpfen soll. Ihr Verdacht wiegt schwer: Hat die FIU kriminelle Machenschaften gedeckt?

Die Staatsanwaltschaft Osnabrück ermittelt gegen die Zoll-Spezialeinheit Financial Intelligence Unit (FIU). Am Dienstagmorgen haben drei Staatsanwälte und zehn Polizisten die Büros der Behörde durchsucht, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft dem Handelsblatt sagte. Zuerst hatte der „Spiegel“ darüber berichtet.

Der Verdacht: Die FIU könnte sich der Strafvereitelung im Amt schuldig gemacht haben. Laut „Spiegel“ hat sie zwischen Mitte 2018 und Anfang 2020 acht Verdachtsmeldungen nicht ordnungsgemäß an die Polizei und die Justiz weitergegeben.

Dabei gehe es um Konten bei drei deutschen Banken, über die 1,7 Millionen Euro nach Afrika geflossen sein sollen. Die Strafverfolgungsbehörden hätten womöglich nicht rechtzeitig davon erfahren, um einzugreifen.

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Wie es zu der Situation kommen konnte, ist unklar. „Die Ermittlungen richten sich noch gegen Unbekannt“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft. „Entweder ein Beamter hat Informationen unterdrückt, oder es handelt sich um ein strukturelles Problem.“ Die Zuständigkeit der Osnabrücker Staatsanwaltschaft ergebe sich aus dem Umstand, dass dort der verdächtige Finanzagent seinen Wohnsitz habe.

Die FIU kämpft seit Jahren mit erheblichen Problemen und schiebt einen Berg unbearbeiteter Verdachtsfälle vor sich her. Eigentlich hatte ein Papier des Bundesfinanzministeriums im vergangenen Februar aber nahegelegt, dass die Einheit ihre Probleme langsam in den Griff bekommt. Demnach waren zum Jahresende 2019 nur noch 30.000 Fälle in Bearbeitung, nachdem es drei Monate zuvor über 48.000 gewesen waren.

„Der vorläufige Höhepunkt eines totalen Fiaskos“

Doch nach der Durchsuchung an diesem Dienstag hagelt es Kritik aus der Opposition. Lisa Paus, finanzpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, fühlt sich getäuscht. Sie betont gegenüber dem Handelsblatt: „Fast kein Thema wurde so häufig und so intensiv im Finanzausschuss diskutiert. Besonders ärgerlich ist, dass trotz mehrfacher Nachfragen die Probleme immer wieder heruntergespielt wurden.“

Das Finanzministerium und die Verantwortlichen der FIU müssten jetzt alle Karten offen auf den Tisch legen. „Ein Sonderbericht zu den Hintergründen an den Finanzausschuss ist das Mindeste“, fordert Paus. Sie sieht Bundesfinanzminister Olaf Scholz in der Pflicht, die Probleme bei der deutschen Anti-Geldwäsche-Behörde schleunigst abzustellen. „So kurz vor der internationalen Geldwäsche-Prüfung Deutschlands ist das einfach nur peinlich“, sagt Paus.

Der Finanzexperte der Linken-Bundestagsfraktion, Fabio De Masi, fordert gar den Rücktritt des FIU-Leiters: „Ich würde dem Leiter der FIU, Christof Schulte, empfehlen, die Koffer zu packen. Er wurde auf eine Mission Impossible geschickt.“

Zu den Durchsuchungen sagt De Masi: „Das ist der vorläufige Höhepunkt eines totalen Fiaskos.“ De Masi hatte schon 2017 einen Stau bei der Weiterleitung von Geldwäscheverdachtsmeldungen durch die FIU öffentlich gemacht und zuletzt den Vorwurf der Strafvereitelung im Amt erhoben.

„Ich hatte bereits im Frühjahr nach der unzureichenden Weiterleitung von potentiellen Straftaten durch die FIU an die Strafverfolgungsbehörden gefragt. Dabei wurde mir von der FIU-Leitung vorenthalten, dass es Beschwerdebriefe von Landesjustizministern gab. Auch das Finanzministerium wiegelte die Vorwürfe ab“, berichtet De Masi. „Ich erwarte eine Erklärung des Finanzministeriums, ob wir bewusst falsch informiert wurden. Die FIU muss ebenso dringend vom Kopf auf die Füße gestellt werden wie die Finanzaufsicht Bafin.“

„Gesichtsverlust für Deutschlands Ansehen in der Welt“

Das Bundesfinanzministerium teilte in einer ersten Reaktion auf die Kritik mit: „Der Sachverhalt muss jetzt zügig und lückenlos aufgeklärt werden. Das Bundesfinanzministerium hat die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen aufgefordert, mit der Staatsanwaltschaft voll zu kooperieren und die Aufklärung aktiv zu unterstützen.“ Zudem stellte die Generalzolldirektion in Bonn in Aussicht, die FIU werde sich aktiv an einer Aufklärung beteiligen.

Solche Ankündigungen reichen einigen Kritikern nicht aus. Der FDP-Finanzpolitiker Markus Herbrand fordert einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. „Das ist eine sicherheitspolitische Katastrophe mit Ansage, für die der Bundesfinanzminister die Verantwortung trägt“, sagte der Bundestagsabgeordnete der „Wirtschaftswoche“. Ähnlich wie Paus sagt er, es sei in dieser Legislaturperiode nahezu keine Woche vergangen, in der sich der Finanzausschuss nicht mit den Missständen der FIU beschäftigt habe. Dennoch sei der Finanzminister untätig geblieben.

Herbrand kritisiert: „Die gebetsmühlenartigen Warnungen finden trotz besseren Wissens seit Jahren kein Gehör bei der Bundesregierung. Deswegen ist es jetzt an der Zeit, dass das Parlament die Missstände selbst aufarbeitet.“ Ein Untersuchungsausschuss dürfte dabei zu einer „schmerzhaften Enthüllung der desolaten Geldwäschebekämpfung in Deutschland“ führen. Das bedeute nicht nur einen Gesichtsverlust für Deutschlands Ansehen in der Welt, sondern belaste auch den Finanzstandort Deutschland, da saubere Investoren ihr Geld ungern in Geldwäscheparadiese steckten, so Herbrand.

Vor diesem Hintergrund begrüßte auch Elfriede Sixt von der Wiener Anlegerschutzorganisation „European Funds Recovery Initiative“ (EFRI) die Razzia. „Laut unseren Auswertungen ist Deutschland momentan in Europa einwandfrei der bevorzugte Platz, illegales Geld in den Finanzkreislauf einzuspeisen“, sagt Sixt, die mit Anwälten aus verschiedenen Ländern für die Opfer von Cyberbetrug eintritt.

„Nicht funktionierende Aufsichtsbehörden spielen dabei sicher eine sehr große Rolle. Deutschland fördert mit der offensichtlich nicht vorhandenen Geldwäscheprävention den täglichen Betrug an Tausenden Europäern.“

„Financial Intelligence Unit schlicht überfordert“

Dass es so einiges aufzuklären gibt, wird immer deutlicher. Doch wie sind die scheinbar tief greifenden Probleme bei der FIU entstanden? Gerhard Schick, der Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende, die sich für ein gerechteres Finanzsystem einsetzt, vermutet ein „strukturelles Problem“ bei der FIU: „Der Verdacht der Strafvereitelung wiegt schwer. Ich gehe bisher bei der FIU nicht davon aus, dass der Fall auf bewusstes Nichthandeln einzelner Mitarbeiter zurückzuführen ist“, sagt er dem Handelsblatt. Die Probleme lägen tiefer.

„Im Prinzip ist es richtig, dass eine zentrale Behörde für Fragen der Geldwäsche zuständig ist. Allerdings ist die Financial Intelligence Unit schlicht überfordert. Es fehlen personelle und technische Ressourcen, um die Fälle schnell und sauber abarbeiten zu können“, so Schick, langjähriger Finanzexperte der Grünen im Bundestag. Er gehe aber davon aus, dass Finanzminister Olaf Scholz die Probleme erkannt habe. „Sie müssen dringend abgestellt werden.“

Schick fordert eine grundlegende Neuaufstellung der Finanzaufsicht: „Der Fall Wirecard hat gezeigt, dass nicht nur die Verfolgung von Geldwäschefällen bei einer Behörde gebündelt werden sollte. Bei Wirecard fühlte sich schlicht keine Aufsichtsbehörde dafür zuständig, die dubiosen Geldströme zu prüfen – weder die Bafin noch die niederbayerische Bezirksregierung. Es wäre richtig, das beim Bund anzusiedeln.“

Mit Agenturmaterial.