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Die dunkle Seite der Rentenerhöhung

Es ist eine Rentenerhöhung, die sich sehen lassen kann: Ab dem 1. Juli bekommen Rentner im Westen 3,18 Prozent mehr Geld, im Osten sind es sogar 3,91 Prozent mehr. Selbst abzüglich der Inflation bekommen Rentner damit ab diesem Sommer spürbar mehr Geld.

Nehmen wir den gern als Rechenbeispiel zitierten Eckrentner, den Modelltyp eines Ruheständlers also, der 45 Jahre lang den jeweils gültigen Durchschnittslohn verdient und in die Rentenkasse eingezahlt hat. Aktuell bekommt dieser Eckrentner 1441 Euro im Westen beziehungsweise 1381 Euro im Osten. Ab Juli steigt diese Summe in Westdeutschland nun um knapp 46 Euro im Monat. In Ostdeutschland beträgt das Rentenplus für unseren Eckrentner sogar 54 Euro.

Doch über diese auf dem Papier recht ansehnliche Summe kann der Eckrentner nicht frei verfügen: Erst schlagen Steuern und Abgaben zu. Die Crux: Zehntausende Rentner werden erst durch die Rentenerhöhung überhaupt steuerpflichtig. Statt die komplette Rente behalten zu dürfen, müssen sie dem Staat nun also etwas zurückgeben.

Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Zahl der steuerzahlenden Rentner allein durch die Erhöhung im Juli um etwa 50.000 steigt. Dabei zahlte bereits 2015 mehr als jeder vierte Rentner Steuern. Das zeigen Zahlen, die das statistische Bundesamt erst vorige Woche veröffentlicht hat. Demnach waren damals schon 5,8 der insgesamt 21,2 Millionen Rentner steuerpflichtig.

Und Jahr für Jahr kommen mehr dazu. Das ist kein Zufall, sondern direkte Konsequenz aus einer Reform, die die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2004 verabschiedet hat. Das sogenannte Alterseinkünftegesetz drehte die Besteuerung um: weg von einer Besteuerung der Rentenbeiträge, hin zu einer Besteuerung der Renten selbst.

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Im Jahr 2005 musste nur die Hälfte der Rente versteuert werden, die andere Hälfte war als sogenannter Freibetrag steuerfrei. Seitdem steigt jedes Jahr der zu versteuernde Anteil um zwei Prozent, bis er im Jahr 2040 schließlich 100 Prozent erreicht haben wird. Der Freibetrag wird dabei einmalig anhand des in dem Jahr gültigen Werts festgelegt, in dem der Betroffene in Rente geht.

Stellen wir uns eine Frau Fischer vor, die im Jahr 2005 den Ruhestand antritt und 16.000 Euro Rente pro Jahr bekommt. Da der Freibetrag damals bei 50 Prozent lag, wären 8000 Euro ihrer Rente steuerfrei.

Würde Frau Fischer hingegen dieses Jahr in Rente gehen, läge der Freibetrag nur noch bei 22 Prozent. Damit wären nur 3520 Euro steuerfrei, auf den Rest müssten potenziell Steuern gezahlt werden.

Wobei, wie bei Arbeitnehmern auch, der Fiskus nicht sofort zugreift. Jeder darf vorher einen Grundfreibetrag von derzeit 9000 Euro behalten, nur auf den Rest werden Steuern fällig. Zudem können auch Rentner Werbungskosten und Vorsorgebeiträge von der Steuer absetzen.

Für Frau Fischer bedeutet das, dass sie als Neurentnerin im Jahr 2005 keine Steuern zahlen müsste. Als Neurentnerin im Jahr 2019 mit exakt derselben Rente würden hingegen mehrere hundert Euro fällig.

Und das ist nicht alles. Gerade bei Rentenerhöhungen langt der Staat nämlich noch deutlich stärker zu. Das liegt daran, dass der individuelle Freibetrag, wie skizziert, zu Beginn der Rente ein für alle Mal festgelegt wird – und zwar als Summe, nicht als Prozentsatz. Alles, was in Form von Rentenerhöhungen später noch oben draufkommt, muss zu 100 Prozent versteuert werden. Mit jeder Rentenerhöhung steigt also die Steuerlast.

Nehmen wir noch einmal Frau Fischer, die im Jahr 2005 mit 16.000 Euro Rente und damit mit einem Freibetrag von 8000 Euro den Ruhestand angetreten hat. Durch die zahlreichen Rentenerhöhungen, über die sie sich seitdem freuen durfte, liegt ihre Rente ab Juli bei 20.235 Euro (so sie denn Westdeutsche ist).

Der Freibetrag bleibt dessen ungeachtet bei 8000 Euro, sodass nun 12.235 Euro steuerpflichtig sind. Selbst abzüglich des Grundfreibetrags und der absetzbaren Kosten wird Frau Fischer inzwischen also nicht mehr umhinkommen, Steuern zu zahlen.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Steuer- und Abgabenlast für die meisten Rentner vergleichsweise gering ausfällt. Anders als Arbeitnehmer müssen sie weder in die Renten- noch in die Arbeitslosenversicherung einzahlen. Und da die Renten deutlich niedriger liegen als die vorherigen Gehälter, ist auch der Steuersatz niedriger.

Bei Rentnern, die erstmals Steuern zahlen müssen, bleiben nach Schätzung des Münchner Ifo-Instituts nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben etwa 75 Cent von jedem Euro. Das ist deutlich mehr, als Arbeitnehmer in einer vergleichbaren Situation netto übrighätten, wie Ifo-Forscherin Carla Krolage bilanziert: „Die Grenzbelastung von Rentnern liegt deutlich unter der von Arbeitnehmern mit einem Erwerbseinkommen in vergleichbarer Höhe.“

Wer sich dennoch grämt, dass er als Rentner Steuern zahlen muss, dem sei gesagt: Andere haben noch weniger von der Rentenerhöhung. Nämlich: gar nichts. Die Rede ist von Ruheständlern, die die Grundsicherung im Alter bekommen. Da für jeden zusätzlichen Euro Rente ein Euro Grundsicherung wegfällt, verpufft bei ihnen die Rentenerhöhung.