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Drei Lehren aus dem Wirecard-Skandal

Wer am Donnerstag den Weg zu Wirecard in Aschheim bei München suchte, kam nicht an den Zeugen Jehovas vorbei. Die warben unweit der Zentrale des Zahlungsdienstleisters um neue Mitglieder. „Wer ist Gott?“ prangte auf ihren Infoblättern.

Große Sinnfragen, denen stellenweise auch die Wirecard-Bilanzkonferenz nachjagte. „Eine gute Unternehmensstrategie muss immer davon ausgehen, dass in zehn Jahren alles, wofür man heute Geld nimmt, kein Geld mehr einbringt“, sinnierte Konzernchef Markus Braun auf der großen Bühne. „Wir sind ein Wachstumsunternehmen. Machen wir jeden Tag Fehler? Mache auch ich Fehler? Natürlich. Wir sind aber gut darin, das zu akzeptieren.“

Wirecard, so der Eindruck, schwebt längst in höheren Sphären. Die jüngsten Probleme – der böse Verdacht der Bilanzmanipulation, die Unregelmäßigkeiten in Singapur und die angeblich orchestrierten Short-Attacken auf den Aktienkurs – will die Konzernführung abhaken, und zwar lieber heute als morgen.

Ob das gelingt, ist jedoch fraglich, wie nicht zuletzt die neuesten Zahlen und ihre Vorstellung zeigen. Drei Lehren vom Tag der Jahresbilanz.

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1. Wirecard ist zu schnell gewachsen

Am Ende hat noch nicht einmal der Platz in der Zentrale gereicht. Einen Tag vorher, am Mittwoch, verlegte Wirecard noch hastig die Pressekonferenz von der Zentrale in ein gegenüberliegendes Hotel. Das räumte einen seiner größten Säle frei. Name: Paris. Mit dem Glanz der digitalen Zukunft, die Wirecard erobern will, hatte er nichts gemein. Die Bilanzvorstellung versprühte den Charme einer Vertreterkonferenz.

Wirecard ist in den vergangenen Jahren schnell gewachsen. Der Umsatz schnellte allein 2018 um 35 Prozent auf gut zwei Milliarden Euro nach oben, der Gewinn stieg um 36 Prozent auf 560 Millionen Euro. Im Vergleich zum Jahr 2013 hat sich der Umsatz damit vervierfacht. Und für die kommenden Jahre avisiert Konzernchef Braun weitere fantastische Steigerungsraten.

Bis 2020 soll der Umsatz auf drei Milliarden Euro, bis 2025 sogar auf zehn Milliarden Euro klettern. „Die Verknüpfung von Zahlungsdiensten mit strategischen digitalen Finanzprodukten halten wir für den größten Wachstumstreiber der nächsten zehn Jahre“, verspricht der Chef.

Halten die Konzernstrukturen mit diesen ambitionierten Plänen mit? Offenbar nicht.

Nicht nur der gewählte Raum ist an diesem Donnerstag zu klein. Auch die Bühne ist dünn besetzt: Neben Braun hält Finanzvorstand Alexander von Knoop die Stellung. Die Wirecard-Pressestelle ist in Vollbesetzung vertreten, das heißt: zwei einsame Sprecherinnen versuchen, den Überblick zu bewahren. Für einen Dax-Konzern reicht das nicht.

Würde sich der ungenügende Umgang mit dem schnellen Wachstum nur in Äußerlichkeiten zeigen, könnte Wirecard weitermachen wie bisher. Aber die Probleme sitzen tiefer, wie die Singapur-Affäre und der Umgang mit ihr zeigen.

2. Transparenz zu versprechen ist leicht, sie herzustellen nicht

Wirecard verspricht in Aschheim wiederholt mehr Transparenz. Auf Folien werden erstmals die größten Umsatzregionen aufgeschlüsselt. Außerdem räumt CEO Braun „Qualitätsmängel“ in der Buchhaltung des Geschäftsbereichs Software und Softwarelizenzen ein. Eine Task Force werde sicherstellen, dass sich die Verstöße nicht wiederholen.

So soll eine neue Managementebene, sogenannte Hubs, die lokalen Einheiten in Asien stärker steuern. Hohe Transaktionssummen sollen künftig erst von der Zentrale freigegeben werden. Außerdem sollen die Audit-Aktivitäten verstärkt und Mitarbeiter für die Einhaltung interner und gesetzlicher Vorschriften sensibilisiert werden. Die Compliance-Abteilung, die derzeit aus 150 Mitarbeitern besteht, soll überproportional wachsen.

Auch die problematischen personellen Verflechtungen zwischen externen Partnerfirmen und internen Wirecard-Gesellschaften will Braun aufklären. „Wir sind einer der größten Spieler in diesem Markt seit 18 Jahren. Es gibt viele Ex-Mitarbeiter, die in neuen Rollen erfolgreich sind. Alle diese Beziehungen werden jetzt untersucht, jeder Partner wird geprüft.“

„Compliance ist eine Firmenkultur, die innerhalb der Firma erzählt und gelebt werden muss“, ergänzt von der Knoop. „Wir haben unsere Lehren aus den vergangenen Problemen gezogen und können mit einiger Sicherheit sagen, dass das nicht wieder vorkommen wird.“

Also Ende gut, alles gut? Mitnichten.

Wirecard wirkt dermaßen bemüht, die Diskussionen der Vergangenheit abzumoderieren, dass wichtige Fragen weiter offen bleiben. Was ist der Stand der Klage gegen die Zeitung „Financial Times“, der Wirecard die Zusammenarbeit mit Shortsellern vorwirft, bisher ohne Beweise zu präsentieren? „Kein Kommentar zu laufenden Verfahren“, heißt es.

Werden die Wirtschaftsprüfer von EY von der Verschwiegenheitspflicht befreit, wie Experten gefordert haben? Der Vorstandschef sieht dafür „keine Notwendigkeit“. Wird der finale Bericht der Anwaltskanzlei R & T aus Singapur offengelegt, der Wirecard entlasten soll, dessen Zusammenfassung ein Insider aber als verwässert bezeichnet hat? „Das ist unmöglich, ohne Rechte Dritter zu verletzen“, erklärt Braun. Echte Transparenz sieht anders aus.

3. Der Ball liegt jetzt im Feld der Aktionäre

Die Führung von Wirecard konnte lange schalten und walten, wie es ihr beliebte. Konzernchef-Braun ist mit mehr als sieben Prozent größter Anteilseigner. Skeptische Investoren, denen das Geschäftsmodell der Firma und das heftige Wachstum schon früh undurchsichtig vorkamen, sind bereits vor Jahren ausgestiegen. Und die, die Wirecard die Treue hielten, haben sich nicht eingemischt.

Dafür schien es lange auch keine Veranlassung zu geben. Zu erfreulich war die Kursentwicklung: Wer vor zwei Jahren bei rund 50 Euro eingestiegen ist, dessen Invest hatte sich bis zum Herbst 2018 fast vervierfacht. Auch unter technikaffinen Kleinanlegern galt die Aktie als Geheimtipp.

Doch kann es noch eine Weile so weitergehen? Nein.

Zum einen ist mit dem Absturz bis auf unter 100 Euro in den vergangenen Monaten die frühere Zuversicht der Anleger Geschichte. Großaktionäre machen bereits öffentlich Druck und suchen das Gespräch mit dem Aufsichtsrat. Und das zeigt erste Wirkung: Wirecard ist laut Konzernkreisen bereit, sowohl den Aufsichtsrat als auch den Vorstand mit Fachleuten aufzustocken.

Zum anderen sorgt der 900-Millionen-Euro-Einstieg des japanischen Technologieinvestors Softbank, falls er denn kommt, für eine veränderte Situation. Softbank ist ein externer Spieler, der sich von den phantastischen Plänen der Aschheimer nicht blenden lassen, sondern auf die Fakten schauen dürfte. Wie Markus Braun bestätigt, haben die Japaner Wirecard bereits genau durchleuchtet; eine sogenannte Due-Diligence-Prüfung sei abgeschlossen worden. Und auch nach einem Einstieg dürften sie sich nicht auf eine Beobachterrolle beschränken.

Am Donnerstag betont die Wirecard-Führung wiederholt, die Eigentümer des Unternehmens stärker einbinden zu wollen. So soll ihnen die Ausgabe der Wandelanleihen an Softbank, deren mögliche Umwandlung in Aktien den Anteil der Altinvestoren deutlich verwässern wird, im Juni zur Genehmigung vorgelegt werden. „Wir werden den Plan der Hauptversammlung detailliert vorstellen. Dann haben die Investoren das Wort“, sagt Braun.

Bleibt zu hoffen, dass diese den Vorstand künftig strenger beaufsichtigen. Markus Braun mag ein digitaler Vordenker sein, gottgleich ist er nicht. Oder, um es in seinen Worten auszudrücken: „Mache auch ich Fehler? Natürlich.“