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Die drei großen Probleme im deutschen Maschinenbau

Zum ersten Mal seit der Finanzkrise braut sich wieder etwas zusammen. Ausgerechnet jetzt. Fast zehn Jahre hat die Branche gebraucht, um sich davon zu erholen. Erst 2016 investierten sie in ihn ihre eigenen Maschinen und Bauten wieder so viel Geld wie vor der Krise.

Hat sich das gelohnt? Der Branchenreport der IKB Deutsche Industriebank liefert gerade die Zahlen zur Lage der Branche: 2015 sank die deutsche Maschinenbauproduktion um 0,2 Prozent, 2016 wuchs sie gerade mal um 0,4 Prozent. „Seit vier Jahren tritt die Produktion effektiv auf der Stelle“, warnt Klaus Bauknecht, der Chefvolkswirt der IKB. Auch für 2017/18 rechnet er mit keinem Wachstumsschub durch steigende Order aus der EU oder den Schwellenländern. Wirtschaftspolitische Risiken durch den wachsenden Türkeikonflikt und täglich neue verheerende Nachrichten aus Syrien sind dabei noch gar nicht einberechnet.

Das sind die drei großen Baustellen im deutschen Maschinen- und Anlagenbau:

- China, Amerika, Großbritannien – ausgerechnet in den drei wichtigsten Absatzmärkten braut sich zeitgleich der perfekte Sturm zusammen.

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- Mehrere Länder greifen die technische Vorherrschaft der Deutschen erfolgreich an.

- Allen Warnungen zum Trotz ist die disruptive Seite der Digitalisierung in vielen Unternehmen noch immer nicht Chefsache. In manchen ist sie nicht mal ein Tagesordnungspunkt.

Erst im März warnte darum EU-Kommissar Günther Oettinger die Teilnehmer einer Fachkonferenz in Salzburg: „Sie müssen die europäischen Kräfte bündeln, um im Wettbewerb mit den USA und Asien bestehen zu können!“ Tun sie aber nicht.

Der perfekte Sturm

2016 verkauften die Deutschen weltweit für 262 Milliarden Euro. Viel Geld. Und trotzdem kaum mehr als ein Viertel des chinesischen Umsatzes von 964 Milliarden Euro.

China, Amerika und Großbritannien waren bisher die sicherste Bank für deutsche Ingenieure. Keiner orderte seit Jahrzehnten so zuverlässig deutsche Maschinen und Anlagen wie die Top 3 der Absatzmärkte. Zusammen machen sie 26 Prozent des weltweiten Maschinen- und Anlagenbauexports aus. Noch.

„China will in Zukunft mehr über die Binnenkonjunktur wachsen“, sagt Volkswirt Bauknecht. Das klingt harmlos, bedeutet aber, dass der Riesenmarkt mit 1,3 Milliarden Menschen seine gewaltigen Investitionen künftig verstärkt auf einheimische Produzenten umlenkt. Und es heißt auch, dass die chinesische Regierung ihren Fokus verstärkt auf Konsumgüter statt auf langlebige deutsche Industriegüter legen wird. Er warnt: „Wenn die chinesische Nachfrage langfristig signifikant sinkt, können das nicht mal Amerika und die EU zusammen auffangen.“

Amerika ist der zweitgrößte Exporteur. Umgekehrt sind US-Maschinen bei uns entschieden seltener begehrt. Ein Handelsungleichgewicht, auf das der neue US-Präsident Donald Trump bekanntlich höchst allergisch reagiert. Dessen Strafzollandrohungen nimmt Bauknecht aber weitaus gelassener als der Branchenverband der Maschinenbauer, der VDMA. Bauknecht glaubt: „Trump sorgt womöglich für mehr Inlandsnachfrage in Amerika, wovon auch deutsche Anbieter profitieren könnten. Ich mache mir viel mehr Sorgen, dass das geplante Freihandelsabkommen TTIP als weiterer Standard für Eigentumsrechte platzt“.

Denn das schadete den deutschen Maschinenbauern wirklich. Allein fünf bis 20 Prozent Kostenersparnis erhoffte sich der VDMA durch gemeinsame technische Standards, die teures Umrüsten auf US-Vorgaben überflüssig gemacht hätten.


Erhöhtes Prognoserisiko für Maschinenexporte

Und dann wäre da noch der drittgrößte Markt: Großbritannien. Welche Handelshemmnisse drohen mit dem Brexit, wenn das Vereinigte Königreich nicht länger Teil des EU-Handelsraums bleibt? Schon jetzt halten sich deutsche Unternehmen mit neuen Investitionen zurück.

Auch Russland macht es für die Deutschen nicht besser. Erst im März hat die EU ihre Sanktionen in Folge der Ukraine-Krise um weitere sechs Monate verlängert. Das trifft nicht nur russische Unternehmen, sondern auch deren deutsche Zulieferer, vor allem aus dem Bergbau und der Landmaschinentechnik.

In tuto sieht die IKB für 41 Prozent aller deutschen Maschinenexporte ein erhöhtes Prognoserisiko.

Vorsprung durch Technik

Wie sollen die die deutschen Maschinenbauer darauf reagieren? „Vorsprung durch Technik“ lautet seit Jahrzehnten die Standardantwort. Aber haben sie den wirklich noch? Und wenn ja, wie lange?

Professor Matthias Putz kennt ihre Stärken und Schwächen nur zu gut. Auch die unternehmerischen Eitelkeiten und politischen Hindernisse, die die Technologieführer zunehmend ausbremsen. Er leitet den Wissenschaftsbereich für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU am Chemnitzer Fraunhofer Institut.

Zunächst lobt er aus Überzeugung: „Bei Werkzeugmaschinen, Autozulieferern, technischen Textilien oder der Papierindustrie sind die Deutschen sehr, sehr gut.“ Dann holt er tief Luft und es folgt das eindringliche Aber: „Wir entwickeln zu lange. Uns fehlen regionale und nationale Strategien um die Wertschöpfungsketten besser zu nutzen. Wir brauchen zu lange, um nationale Strategien zu entwickeln und uns in Deutschland und der EU zu verknüpfen. Die große Gefahr ist schon da: Andere Nationen sind längst schneller.“

Auch beim Top-Thema Industrie 4.0 mahnt der Experte: „Wir erheben nicht mal alle Daten um davor konkurrenzfähig zu sein. Industrie 4.0 bedeutet: Aus Daten werden Informationen, wird Wissen, wird Geld. Und wenn sich am Ende kein Geld damit verdienen lässt, ist es nicht 4.0.“

Alle Beteiligten wissen das längst. Doch auch hier gilt: Es herrscht verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre. „Ob Industrie 4.0 für Deutschland ein Erfolg wird, ist ganz klar eine Frage des Generationenwechsels“, analysiert Putz, „die Entscheider im Maschinenbau sind 50 Jahre und älter, hochintelligent und arbeiten sich vorbildlich in alles ein. Aber sie haben die Digitalisierung nicht im Blut.“

Dies und mangelnde Risikobereitschaft teilten sie mit an den Fördertöpfen sitzenden Politikern. „Während die ganze Welt schneller wird, haben sich die Entscheidungswege in Deutschland verlängert. Das ist extrem gefährlich: Eine gute Idee wird in Deutschland erst mal zwei Jahre lang von Gremien bewertet.“

Auch zum Thema neue Standards spricht der Weitgereiste Klartext: „Typisch deutsch fordern viele Unternehmen: Erst sollen doch mal die anderen in Vorleistung gehen! Aber Standards werden von Industrien und Märkten gesetzt, schauen Sie auf Amerika!“

Oder auf die täglich wachsende Konkurrenz aus China. Dort trifft eine junge, hungrige Ingenieursgeneration, zunehmend auch praktisch statt theoretisch ausgebildet, auf politische Unterstützung und Töpfe voll Geld. Und die Produktionsnachteile, die die Chinesen jetzt noch haben, holen sie durch schnellere Softwareentwicklung und -anwendung gerade auf.


Daten greifen Maschinenbau-Geschäftsmodelle an

Wenn die technische Vormachtstellung der Deutschen gefährdet ist, retten sie dann neue Geschäftsmodelle?

Theoretisch ja, praktisch selten. Ein Blick auf die Rangliste der „Innovativsten Unternehmen der Welt“, einer BCG-Umfrage von 2016, läutet die Alarmglocke. Die erfindungsreichsten sind Apple, Google, Tesla – alle drei denken revolutionär, dealen mit Daten und greifen die alten Geschäftsmodelle der Maschinenbauer an. Das sollte sie doppelt schmerzen, denn der Umsatzanteil, der auf Daten basiert, könnte von heute drei Prozent auf zehn Prozent in 2020 steigen, erwartet die Unternehmensberatung McKinsey.

Wie es geht, zeigt das Familienunternehmen Trumpf, Spezialist für Werkzeugmaschinen und Lasertechnik. Es gründete mit Axoom eine Software-Plattform zur Produktionsplanung – für sich und externe Kunden.

Dorothee Herring, Partnerin bei McKinsey und zuständig für den Maschinen- und Anlagebau, wirbt für weiteres, immer noch oft vernachlässigtes Neugeschäft: dem lukrativen After Sales Bereich. „Predictive Maintenance“ lautet das aktuelle Zauberwort: Softwarebasierte Simulationen ermöglichen die vorausschauende Maschinenwartung. Der Charme ist offensichtlich: Der Kunde spart, weil Schaden minimiert wird. Der Anbieter verdient, weil das Geschäft oft mehr Marge als die Maschine abwirft. 15 bis 20 Prozent mehr Umsatz erwirtschaften damit clevere Unternehmen im Durchschnitt, gute Unternehmen schaffen oft deutlich mehr als 20 Prozent. Doch statt dieses Geschäft anzukurbeln, böten viele Unternehmen den begehrten Service „als Goody obenauf“, kritisiert Herring.

Nicht nur im After-Sales-Geschäft wirken große Beharrungskräfte im deutschen Maschinenbau. Markus Lorenz, Partner und Spezialist für Maschinenbau bei Boston Consulting, beobachtet: „Viele Unternehmen konzentrieren sich derzeit auf die Hightech-Nische oder verlagern ihren Schwerpunkt auf Spezialmaschinen. Dabei ist auch das Massengeschäft einträglich“. Woher kommt der enge Blick? „Viele Kunden fragen auch bei einem breiten Portfolio des Produzenten vor allem das Topsegment nach“, sagt Lorenz. Eine Lösung dieses Dilemmas könnten neue, günstigere Produkte, abgestimmt jeweils auf die regionale Nachfrage sein. Die ist naturgemäß begrenzt, kann aber lukrativ sein. Dieses Potenzial könnten die Deutschen noch stärker für sich nutzen, meint Lorenz: „Dafür müssten sie mehr als bisher international kooperieren und solche Produkte direkt mit lokalen Ingenieuren in China oder Indien entwickeln.“

Das Gleiche gilt für das Segment „Good enough“-Technik. Etwas, dass viele deutsche Maschinenbauer lange nur mit spitzen Fingern angefasst und/oder verschämt unter anderem Namen in China produzierten haben. Abgespeckte Technik, vermeintlich eines High-End-Weltmarktführers nicht würdig.

Aber gute„ Good enough“-Technik verkauft sich längst auch in Industrienationen. Als Beispiel nennt Lorenz Windkraftanlagen: „Weil sie auf See enormen Windstärken ausgesetzt sind, setzen Unternehmen vor allem auf High-Tech aus Deutschland.“ Inzwischen fragen sich die Auftraggeber bei bald jedem Einzelteil: Welcher Beanspruchung ist es ausgesetzt, wie folgenreich wäre dessen Ausfall? Nur wo High-Tech zwingend ist, wird noch deutsch gekauft, bei allem anderen reicht auch „good enough“ aus China. Deren Anbieter sind im mittleren Preisbereich längst konkurrenzfähig.

„Maschinenbauer müssen sich vor Augen führen, dass dieses Rennen nicht erst in fünf Jahren, sondern jetzt entschieden wird“, warnt Lorenz.

KONTEXT

Die größten deutschen Maschinen- und Anlagenbauunternehmen nach Umsatz

Platz 10

Dürr

Umsatz*: 3,77 Milliarden Euro

Quelle: Statista; *Die Zahlen beziehen sich auf das Geschäftsjahr 2015

Platz 9

Man Power Engineering

Umsatz: 3,78 Milliarden Euro

Platz 8

CLAAS

Umsatz: 3,84 Milliarden Euro

Platz 7

Voith

Umsatz: 4,3 Milliarden Euro

Platz 6

GEA

Umsatz: 4,6 Milliarden Euro

Platz 5

Enercon

Umsatz (2014): 3,84 Milliarden Euro

Platz 4

KION

Umsatz: 5,1 Milliarden Euro

Platz 3

ThyssenKrupp

Umsatz: 5,91 Milliarden Euro

Platz 2

Bosch (Bosch Rexroth & Packaging Technology)

Umsatz: 6,6 Milliarden Euro

Platz 1

Siemens

Umsatz: 38,7 Milliarden Euro