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Draghi belässt Leitzinsen auf Rekordtief

Die EZB will trotz der deutlichen Kritik an ihrem Kurs die ultralockere Geldpolitik beibehalten. Die Leitzinsen bleiben daher auf ihrem Rekordtief. Der Schlüsselzinssatz für die Geschäftsbanken verharrt bei 0,0 Prozent.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat erwartungsgemäß ihre Leitzinsen nicht angetastet. Der Schlüsselsatz für die Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld bleibe bei 0,0 Prozent, teilten die Währungshüter am Donnerstag in Frankfurt mit. Auf diesem Rekordtief liegt er bereits seit März 2016. Auch die Strafzinsen für Banken, wenn diese über Nacht überschüssige Liquidität bei der EZB parken, wurden nicht angetastet. Der sogenannte Einlagensatz bleibt bei minus 0,4 Prozent.

Auch an den insbesondere in Deutschland umstrittenen Anleihenkäufen machten die Euro-Wächter keine Abstriche. Sie sollen weiterhin bis mindestens Ende 2017 laufen, und zwar in einem Umfang von 60 Milliarden Euro pro Monat. Wenn erforderlich, soll das Programm aber auch über das Jahresende hinaus fortgesetzt werden.

Es sei unwahrscheinlich, dass die Notenbank zwischen der ersten und zweiten Runde der Abstimmung in Frankreich etwas unternehme, dass die Markterwartungen beeinflussen könnte, argumentierte ING-Diba-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Eine Stichwahl zwischen dem europafreundlichen Emmanuel Macron und der Rechtspopulistin Marine Le Pen entscheidet am 7. Mai über die politische Zukunft der zweitgrößten Volkswirtschaft des Euroraums.

Details zur Zinsentscheidung wird EZB-Präsident Mario Draghi auf einer Pressekonferenz ab 14.30 Uhr vorstellen. Das Handelsblatt berichtet darüber in einem Live-Blog auf handelsblatt.com.

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EZB-Präsident Mario Draghi hatte jüngst Hoffnungen auf einen baldigen Ausstieg aus der vor allem in Deutschland umstrittenen ultralockeren Geldpolitik gedämpft. Obwohl die wirtschaftliche Erholung zunehmend auch auf eigenen Beinen stehe, sei es „zu früh, Erfolg auszurufen“, sagte Draghi Anfang April. Die Inflationsdynamik sei „weiterhin abhängig von der Fortsetzung unserer aktuellen Geldpolitik.“

Im März schwächte sich die Jahresinflationsrate im Euroraum nach Angaben der Statistikbehörde Eurostat auf 1,5 Prozent ab. Im Februar hatte sie getrieben von höheren Energiepreisen noch bei 2,0 Prozent gelegen. Die EZB strebt einen Wert von knapp unter zwei Prozent an.

In Deutschland ist dieser aktuell wieder erreicht worden: Im April lag die Inflation laut vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamts bei zwei Prozent. Zuvor waren die Preise im März erstmals seit rund einem Jahr wieder langsamer gestiegen, die Jahresteuerungsrate lag bei 1,6 Prozent). Im Februar hatten höhere Energie- und Nahrungsmittelpreise die Rate noch auf 2,2 Prozent gemessen am Vorjahr getrieben. Zum letzten Mal waren die Verbraucherpreise im April 2016 gesunken – auf damals minus 0,1 Prozent.

Im Kampf gegen niedrige Inflation und Konjunkturschwäche hat die Notenbank ihre Geldschleusen weit geöffnet. Seit März 2015 kauft sie Staatsanleihen und Unternehmenspapiere im Milliardenwert. Das Programm läuft bis mindestens Ende 2017. Seit April fließen aber nur noch 60 Milliarden statt 80 Milliarden Euro monatlich.

Das viele billige Geld soll im Idealfall die Konjunktur ankurbeln und auch die Teuerung anheizen. Dauerhaft niedrige oder gar sinkende Preise gelten als Konjunkturrisiko. Unternehmen und Verbraucher könnten Investitionen aufschieben in der Erwartung, dass es bald noch billiger wird. Das könnte die Wirtschaftsentwicklung abwürgen.

Die ultralockere Geldpolitik ist vor allem in Deutschland umstritten. Zwar kommen Immobilienkäufer durch die Zinsflaute billiger an Kredite, dagegen werfen Sparbuch und Co. aber kaum noch etwas ab. Die Finanzbranche klagt, die EZB-Politik schwäche die Banken. „Während der Nutzen dieser Geldpolitik nicht mehr steigt, nehmen die Risiken und Nebenwirkungen kontinuierlich zu je länger die EZB ihren Kurs fortsetzt“, kritisierte der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes BdB, Michael Kemmer, im „Handelsblatt“. Der negative Einlagezins wirke wie eine Sondersteuer. Zurzeit zahlten Geschäftsbanken im Euroraum jeden Monat eine halbe Milliarde Euro.

KONTEXT

Stimmen zur EZB-Entscheidung vom 27. April 2017

LBBW

"Weniger pessimistisch - so könnte man mit zwei Worten die heutige EZB-Entscheidung und anschließende Pressekonferenz zusammenfassen. EZB-Chef Draghi betonte, dass die Abwärtsrisiken etwas abgenommen haben und sich der Aufschwung im Euro-Raum weiter festigt. Zu einer Anpassung des Ausblicks konnte sich der EZB-Rat dann aber doch nicht durchringen, dieser Schritt könnte im Juni anstehen. Dann nämlich stellt die EZB die neuen Projektionen für das Wachstum und die Inflation im Euro-Raum vor." - Uwe Burkert, LBBW

Bankhaus Lampe

"Weniger pessimistisch - so könnte man mit zwei Worten die heutige EZB-Entscheidung und anschließende Pressekonferenz zusammenfassen. EZB-Chef Draghi betonte, dass die Abwärtsrisiken etwas abgenommen haben und sich der Aufschwung im Euro-Raum weiter festigt. Zu einer Anpassung des Ausblicks konnte sich der EZB-Rat dann aber doch nicht durchringen, dieser Schritt könnte im Juni anstehen. Dann nämlich stellt die EZB die neuen Projektionen für das Wachstum und die Inflation im Euro-Raum vor." - Alexander Krüger, Bankhaus Lampe

Nordea

"In der EZB haben die Tauben weiter das Sagen, eine Straffung der Geldpolitik steht fürs Erste nicht an. Die Tür für weitere Zinssenkungen offen zu halten, passt schon länger nicht mehr in die Landschaft. Ich meine auch nicht, dass beim Wachstum immer noch die Abwärtsrisiken überwiegen. Nach dem zweiten Wahlgang in Frankreich wird die EZB optimistischer in die Zukunft schauen und sich endgültig von Zinssenkungen verabschieden. Zinserhöhungen sind aber für lange Zeit kein Thema für die Mehrheit im EZB-Rat." - Holger Sandte, Nordea

ZEW

"Die EZB läuft zunehmend Gefahr, den richtigen Zeitpunkt für eine Änderung ihrer Kommunikation zu verpassen. Das sorgenvolle Wording des monatlichen Kommuniqués passt immer weniger zur stark verbesserten Datenlage. Spätestens nach einer Bestätigung von Emmanuel Macron als französischem Präsidenten muss EZB-Präsident Mario Draghi endlich Farbe bekennen, wann und auf welche Weise der Ausstieg aus der extrem expansiven Geldpolitik beginnen soll. Sonst dürften ihm die EZB-Beobachter bald Starrsinn vorwerfen. Anleihenkäufe und Negativzinsen mögen der Konjunktur zwar helfen, ihre gefährlichen Nebenwirkungen für die Stabilität der Banken nehmen jedoch erkennbar zu. Auch sollte die EZB den Eindruck vermeiden, ihre Geldpolitik zu einseitig an den Interessen wenig reformbereiter Mitgliedsstaaten zu orientieren." - Friedrich Heinemann, ZEW

KONTEXT

Fragen und Antworten zur EZB

Sind Vorwürfe gegen die EZB berechtigt?

Die Finanzkrise und ihre Folgen haben Europas Währungshüter kreativ werden lassen. Eine Rückkehr zu einer Standard-Geldpolitik ist bislang nicht in Sicht. Vielstimmig ist auch der Chor der Kritiker.

Quelle: Friederike Marx und Jörn Bender, dpa

Kritik an den Währungshütern kommt aus den unterschiedlichsten Richtungen

Nullzins, Strafzins, Anleihekäufe - mit ihrem expansiven geldpolitischen Kurs hat sich die Europäische Zentralbank in den vergangenen Jahren nicht nur Freunde gemacht.

AUSSAGE: Die EZB-hält den Euro-Kurs künstlich niedrig, davon profitiert vor allem der deutsche Export (Quelle: US-Regierung).

BEWERTUNG: Falsch.

FAKTEN: Der Wechselkurs ist ausdrücklich kein Ziel der EZB-Politik. "Wir sind keine Währungsmanipulatoren", betont EZB-Präsident Mario Draghi. Getrieben wird die Entwicklung an den Devisenmärkten unter anderem von der unterschiedlichen Zinsentwicklung in den USA und im Euroraum. Angesichts steigender Zinsen in den Vereinigten Staaten ist es für Investoren lukrativer, Geld in Dollar anzulegen als in Euro. Das stärkt den Greenback und schwächt die europäische Gemeinschaftswährung. Zudem hoffen viele Anleger, dass US-Präsident Donald Trump wie angekündigt Steuern senken und Milliarden in die Infrastruktur stecken wird. Die Aussicht auf neuen Schwung für die US-Wirtschaft stärkte seit Trumps Wahl den Dollar. Trump räumte zuletzt ein, er sei teilweise selbst Schuld an der Dollar-Stärke, die Leute hätten Vertrauen in ihn. Direkt am Devisenmarkt hatte die EZB zuletzt gemeinsam mit anderen großen Notenbanken im März 2011 interveniert, um den Höhenflug des japanischen Yen zu bremsen.

AUSSAGE: Mit einem Zinstief enteignet die EZB die Sparer (Quelle: u.a. Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU)).

BEWERTUNG: Teilweise richtig.

FAKTEN: Sparbuch und Co. werfen wegen der Niedrigzinsen kaum noch etwas ab. Solange die Teuerungsrate nahe der Nulllinie dümpelte, glich sich das in etwa aus. Doch zuletzt zog die Inflation wieder an, sodass Sparer sogar Geld verlieren können. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann macht sich dennoch für eine ausgewogene Sicht stark: "Wir alle sind nicht nur Sparer, sondern auch Arbeitnehmer, Häuslebauer, Steuerzahler und Unternehmer - und aus dieser Perspektive erscheinen die niedrigen Zinsen nicht nur negativ."

AUSSAGE: Die EZB wird von den südeuropäischen Staaten dominiert (Quelle: AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel).

BEWERTUNG: Falsch.

FAKTEN: Im obersten Entscheidungsgremium der Notenbank, dem EZB-Rat, haben alle 19 Euroländer eine gleichwertige Stimme - unabhängig vom Gewicht der jeweiligen Volkswirtschaften. Insgesamt hat das Gremium 25 Mitglieder: Die 19 Chefs der nationalen Notenbanken plus die 6 Mitglieder des Direktoriums um EZB-Präsident Draghi. 8 der 25 Mitglieder im EZB-Rat kommen aus Südeuropa. Entscheidungen trifft das Gremium in der Regel mit einfacher Mehrheit. Die EZB ist nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank politisch unabhängig. Ihr vorrangiges Ziel ist es, Preisstabilität im gemeinsamen Währungsraum zu gewährleisten - das bedeutet nach ihrem eigenen Verständnis eine jährliche Teuerungsrate von knapp unter 2,0 Prozent.

AUSSAGE: Mit ihren milliardenschweren Anleihekäufen finanziert die EZB verbotenerweise klamme Staaten (Quelle: deutsche Volkswirte).

BEWERTUNG: Unklar.

FAKTEN: Die EZB darf nach ihren Statuten bereits im Umlauf befindliche Staatsanleihen erwerben - also etwa von Banken oder anderen Investoren wie Versicherungen oder Hedgefonds. Seit März 2015 kauft die Notenbank im Kampf gegen Konjunkturschwäche und geringe Inflation jeden Monat für Milliarden solche Wertpapiere. Um nicht in den Verdacht der Staatsfinanzierung zu geraten, hat sich die EZB auferlegt, höchstens 33 Prozent der Staatsanleihen eines Eurolandes bzw. eines einzelnen Wertpapiers zu kaufen. Das besänftigt die Kritiker jedoch nicht. Die Notenbanken der Eurostaaten, über die die EZB-Käufe abgewickelt werden, seien durch die laufenden Anleihekäufe zum größten Gläubiger der Staaten des Eurosystems geworden, warnte Bundesbank-Präsident Weidmann schon Anfang 2016. Das mindere den Reformdruck in den Regierungszentralen. "Notenbankhandeln wird als Lösung für alle möglichen Probleme gesehen, die weit über die Geldpolitik hinausgehen", sagte Weidmann in einem Interview.

AUSSAGE: Mit ihre ultralockeren Geldpolitik gräbt die EZB den Banken das Wasser ab (Quelle: diverse Banken).

BEWERTUNG: Teilweise richtig.

FAKTEN: Lange verdienten Banken gut daran, dass sie mehr Zinsen für Kredite kassierten, als sie Sparkunden zahlten. Doch die Differenz aus beidem, der Zinsüberschuss, schrumpft wegen der Zinsflaute. Die Folge: Banken und Sparkassen brechen die Erträge weg. Zudem müssen sie Strafzinsen von 0,4 Prozent zahlen, wenn sie Geld über Nacht bei der EZB parken. Zugleich unterstützt die EZB allerdings Banken mit Langfristkrediten zu Mini-Zinsen. Von Juni 2016 bis März 2017 legte die Notenbank ein neues Programm mit vierjährigen Krediten auf. "Niedrige oder negative Zinssätze können nicht per se für niedrige Profitabilität verantwortlich gemacht werden", argumentiert EZB-Vizepräsident VÁ­tor ConstÁ¢ncio. Europas Banken müssten ihre Geschäftsmodelle anpassen, um ihre Geschäftsaussichten zu verbessern.