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Warum sich die Dotcom-Blase nicht wiederholt

Vor 20 Jahren erreichte der Hype um Technologieaktien seinen Höhepunkt. Jetzt stürzen die Aktienmärkte erneut ab. Auch Tech-Werte leiden. Diesmal läuft es dennoch anders.

Im März 2000 hatten viele Börsen Allzeithochs erreicht. Doch die Dotcom-Blase platzte. Foto: dpa
Im März 2000 hatten viele Börsen Allzeithochs erreicht. Doch die Dotcom-Blase platzte. Foto: dpa

Die Investoren an den Märkten sind so nervös wie lange nicht. Als hätten sie nicht genug mit den Sorgen rund um das Coronavirus zu tun, kommt jetzt noch der Einbruch der Ölpreise hinzu. Das lässt die Aktienbörsen einbrechen. Der deutsche Leitindex Dax geht am Montag um mehr als acht Prozent zurück. Damit steuert er auf den größten Tagesverlust seit dem Platzen der Dotcom-Blase zu. Und als die US-Leitbörse Wall Street ebenfalls massiv im Minus eröffnet und sogar der Handel unterbrochen wird, sacken diverse Börsenindizes in Europa weiter ab - und haben im Vergleich zum Jahresanfang zwischenzeitlich um mehr als ein Fünftel verloren. Damit sind die Aktienmärkte kurz in einen Bärenmarkt gerutscht.

Das ist erschreckend, denn vor 20 Jahren - am 10. März 2000 - erreichte die Welle des von Technologiewerten geprägten Neuen Marktes in Deutschland ihren Scheitelpunkt. Auch in den USA markierte der technologielastige Nasdaq-Index damals ein Rekordhoch, ebenso wie der Dax.

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Jetzt treffen die neuen Schocks die Märkte nach einer gut zehnjährigen Hausse, die wieder vor allem von Technologieaktien angeführt wurde. Sie sind längst das Rückgrat vieler Aktienindizes. Schon lange fragen sich Investoren, ob gerade die Tech-Aktien nicht schon längst viel zu teuer sind. Das ist auch deshalb so, weil die spektakuläre Dotcom-Blase noch nicht vergessen ist.

Als Startschuss für den damals weltweiten Internet-Hype gilt der Börsengang des Internetbrowsers Netscape im August 1995. Gegründet worden war das verlustreiche Unternehmen erst ein Jahr zuvor. Dennoch explodierte der Kurs am ersten Handelstag von 28 auf fast 75 Dollar.

Das war symptomatisch für die Zeit, die folgte: Alles, was irgendwie mit dem damals noch neuen Internet zu tun hatte und ein „com“ oder „e“ im Namen trug, stimmte Investoren euphorisch. Egal, ob Unternehmen Verluste schrieben, die Hoffnung auf künftige Gewinne im Zusammenhang mit allem, was mit dem Internet zu tun hatte, zählte.

Langer Absturz

Das konnte nicht gutgehen. Nach dem Rekordhoch folgte – mit zwischenzeitlichen Erholungsversuchen – der lange Absturz. Die Nasdaq verlor bis Oktober 2002 unter dem Strich fast 80 Prozent, der Neuer-Markt-Index brach um 96 Prozent ein. Die Deutsche Börse stellte das sechs Jahre zuvor gegründete Segment Neuer Markt ein, am 21. März 2003 war der letzte Handelstag.

Danach erholten sich die Technologieaktien wieder – bis zur Finanzkrise 2008. Erst danach begann der nachhaltige Aufstieg der Börsen – getragen vor allem von den Tech-Werten.

Tobias Rommel, Fondsmanager für Technologieaktien bei der DWS, drückt es so aus: „Damals war alles chic, was mit Internet zu tun hatte, heute gilt dies für alles rund um Digitalisierung.“ Und dafür seien Investoren bereit, einen Aufschlag zu zahlen.

Einige Parallelen

Trotzdem: Die trotz des jüngsten Kursverfalls immer noch hohen Bewertungen erschrecken. In den USA wird das Softwarehaus Service Now, das seit Kurzem von Ex-SAP-Chef Bill McDermott geführt wird, mit dem 75-Fachen der für das kommende Jahr erwarteten Gewinne bewertet. Beim Onlinehändler Amazon liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis bei 67, beim Softwarespezialisten Salesforce sind es 52.

Dazu kommt: Auch Unternehmen, die Verluste schreiben, gehen an die Börse – zum Beispiel, die Fahrdienstvermittler Uber und Lyft. Nach ihren Börsengängen im vergangenen Frühjahr stürzten die Aktien beider Unternehmen ab. Dem breiten Markt schadete das jedoch nicht. Matthew Siddle, Fondsmanager bei Fidelity International, erklärt das so: „Investoren sehen Uber und Lyft als Einzelfälle.“

Investoren kaufen nicht mehr alles

Dass Investoren unprofitable Unternehmen an der Börse abstrafen, hält David Older, Aktienchef beim französischen Fondshaus Carmignac, für ein gutes Zeichen: „Anders als zu Dotcom-Zeiten kaufen die Investoren eben nicht blind alles, was mit Technologie zu tun hat.“

Auch die Umsatzwarnungen von Apple und Microsoft und der jüngste Einbruch der Märkte verunsichern Older nicht: „Die Märkte korrigieren zwar derzeit, aber in vielen Fällen halten sich Technologieaktien besser als der breite Markt.“

Dabei waren es wegen des Coronavirus die Technologiegiganten Apple und Microsoft, die als Erste vor sinkenden Umsätzen warnten.

Frédéric Fayolle, der bei der DWS einen der ältesten Fonds für Technologieaktien managt, bleibt mit Blick auf die Coronafolgen für Technologieaktien dennoch ebenfalls gelassen. „Unternehmen aus der Hardware- und Halbleiterbranche werden jetzt zwar durch die Unterbrechung der Lieferketten getroffen, aber das sollte sich als tendenziell kurzfristiges Phänomen herausstellen.“

Dazu kommt: „Große Internetunternehmen treffen die unterbrochenen Lieferketten kaum.“ Zum Teil profitierten Internetfirmen in der aktuellen Krise sogar von steigenden Nutzerzahlen. Schließlich könne der Kontakt zwischen Mensch und Maschine das Virus nicht übertragen. Daraus folgert Fayolle: „Die negativen und die positiven Folgen gleichen sich im Technologiesektor in etwa aus.“

Tech-Konzerne sind heute profitabel

Fayolle glaubt aber auch aus einem anderen Grund nicht, dass die Ängste rund um Corona zu einem Crash bei Technologieaktien führen werden: „Der Sektor ist heute viel besser und breiter aufgestellt und vor allem profitabler als vor 20 Jahren.“

Das sieht auch Older so. Den wichtigsten Unterschied zu den Dotcom-Zeiten bringt er so auf den Punkt: „Im Jahr 2000 war das Internet noch eine Art von Theorie, und viele Unternehmen aus der Branche verdienten nichts.“ Inzwischen gehörten aber viele große Technologieunternehmen zu den profitabelsten Unternehmen.

„Allein Amazon, Google, Apple, Facebook und Microsoft haben in den vergangenen zehn Jahren nach Abzug aller Investitionen einen freien Cashflow von zusammen 1,1 Billionen Dollar erwirtschaftet“, nennt Older Zahlen.

Amazon, Microsoft und Apple gehören zu den Unternehmen, die es auch schon zu Dotcom-Zeiten gab. Auch ihre Kurse stürzten ab, als die Blase platzte. 65 Prozent waren es bei Microsoft, 80 Prozent bei Apple und sogar 95 Prozent bei Amazon.

Seither sind die Kurse aber dramatisch gestiegen und haben Aktionäre reich gemacht. Die Apple-Aktie kostete im Tief weniger als einen Dollar, am Montag waren es im frühen Handel knapp 276 Dollar. Der Microsoft-Kurs stieg von unter 19 auf 157 Dollar, bei Amazon waren es im Tief weniger als sechs Dollar – zuletzt waren es 1840 Dollar.

Technologieaktien als Rückgrat der Börsen

Alle Kurse liegen deutlich unter ihren Jahreshochs, aber dennoch gilt: Es sind vor allem die Technologieaktien, die die Börsen in den letzten Jahren getragen haben. Facebook, Amazon, Alphabet, Apple und Microsoft machen inzwischen 20 Prozent der Marktkapitalisierung im S & P 500 aus. Das heißt: Ein Fünftel des Indexgewichts entfällt auf diese fünf Unternehmen. Und zuletzt entfiel auf sie auch ein Großteil der Indexgewinne.

Mit den Kursen sind auch die Bewertungen der Unternehmen, also die Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) der Unternehmen gestiegen. Dennoch ist Rommel von der DWS überzeugt: „Vom Blasenniveau sind wir noch weit entfernt.“

Das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis für Technologieaktien liegt in den USA für die kommenden zwölf Monate bei knapp 21. Das ist zwar höher als das KGV von 17 für den breiten US-Index S & P 500. Aber: „Die KGVs liegen auch für Technologieaktien noch im Rahmen des Durchschnitts der vergangenen 20 Jahre“, betont DWS-Fonds-Manager Fayolle. In Europa, wo es weniger Technologiekonzerne gibt als in den USA oder auch in China, liegt das KGV mit unter 18 niedriger als in den USA.

Bewertungsaufschlag gerechtfertigt

Die höheren Bewertungen im Vergleich zum Gesamtmarkt halten Fondsmanager für gerechtfertigt: „Technologieunternehmen wachsen stärker als andere Unternehmen, das rechtfertigt einen Aufschlag“, sagt Older von Carmignac.

So richtig wundern kann das eigentlich niemand. Technologie betrifft heute alles und jeden. „Vor 20 Jahren wurde alles rund um das Internet als neuer, eigenständiger Sektor gesehen – heute durchdringt der Sektor alles andere“, bringt es Fayolle auf den Punkt.

Von daher sind Fondsmanager in der aktuellen Korrektur zwar vorsichtiger. Aber sie setzen prinzipiell weiter auf Technologieaktien in all ihren Ausprägungen. Wie vor 20 Jahren gibt es zwar einen gewissen Überschwang mit Blick auf Technologieaktien, räumt Siddle von Fidelity ein. Aber: „Angesichts des Wachstums, der Gewinne und der Bedeutung der Technologie ist dieser Überschwang heute erstens nicht so ausgeprägt wie früher und zweitens ist er bei vielen Unternehmen durchaus rational und nachvollziehbar.“