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Dobrindt weist Kompromissvorschlag der Grünen zurück

Um die Jamaika-Sondierungen voranzubringen, bewegen sich die Grünen bei zentralen Umweltthemen. Doch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hält nichts von dem Kompromissangebot.

Kurz bevor die Jamaika-Sondierungen am heutigen Dienstag in die heiße Phase gehen, pochen die Grünen nicht mehr auf das Ende des Verbrennermotors bis zum Jahr 2030. Statt eines konkreten Datums verlangen sie jetzt nur noch „ein klares Bekenntnis, dass wir alles dafür tun, um die Fahrzeuge der Zukunft - vernetzt, automatisiert und emissionsfrei - zu bekommen“, sagte Parteichef Cem Özdemir. Gleichzeitig stellte Özdemir klar, dass das Entgegenkommen der Grünen seinen Preis habe: „Dazu gehört die blaue Plakette, dazu gehört die Nachrüstung beim Diesel, dazu gehört, Anreizsysteme so zu machen steuerlich, dass es sich lohnt, emissionsfei zu fahren.“ Zudem müsse mehr Geld in die Hand für den öffentlichen Verkehr genommen werden, sagte Özdemir. Auch für das Radfahren müsse mehr getan werden. Die Co-Spitzenunterhändlerin bei den Jamaika-Sondierungen, Katrin Göring-Eckardt, bekräftigte, für die Grünen stünden die Klimaziele 2020 und 2030 nicht zur Debatte. Die Grünen seien aber bereit darüber zu reden, ob es andere als von ihrer Partei vorgeschlagene Wege gebe, um diese Ziele zu erreichen. Verhandler der möglichen Koalitionspartner von CDU, CSU und FDP reagieren allerdings nicht so uneingeschränkt positiv wie vielleicht angenommen.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt gab sich hart: „Wenn man Schwachsinnstermine abräumt, dann ist das ja noch kein Kompromiss“, sagte Dobrindt der „Süddeutschen Zeitung“. Dobrindt sagte zu der am Dienstag startenden neuen Gesprächsrunde: „Das muss jetzt eine Woche der Ergebnisse werden.“ Bislang seien Fragen aufgeworfen worden. Nun müssten daraus Antworten werden: „Eine Regierung kann man nicht aus einem Potpourri von Fragen entwickeln, sondern nur aus Lösungen und Antworten.“

Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer dagegen begrüßte den Schritt der Grünen als „auf jeden Fall förderlich“. Und auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann hat Lob für seine Partner in spe parat: „Das ist vernünftig und erleichtert Verständigungen.“ Man könnte nicht einfach von heute auf morgen alle Kohlekraftwerke abschalten oder auf alle Verbrennungsmotoren verzichten.

Auch innerhalb der Grünen ist man sich nicht einig: Der Parteinachwuchs, die Grüne Jugend, hat den bisherigen Stand der Sondierungsgespräche mit Union und FDP für eine Jamaika-Koalition kritisiert. „CDU, CSU und FDP blockieren bisher auf ganzer Linie, grüne Erfolge sind kaum erkennbar“, sagte die Bundessprecherin der Grünen Jugend, Ricarda Lang, am Dienstag. Deshalb sollten die Grünen nicht in Vorleistung gehen und Kernforderungen wie das Ende des Verbrennungsmotors aufgeben.

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Dagegen ist Ministerpräsident Winfried Kretschmann aus Baden-Württemberg erleichtert über das Entgegenkommen seiner Partei in der Klimapolitik. „Man muss auch Kompromisse machen – jeder muss auch mal nachgeben, sonst kommen wir in den Verhandlungen nicht voran“, sagte er. Kretschmann war ohnehin dagegen gewesen, sich für das Verbot von Verbrennungsmotoren auf ein konkretes Jahr festzulegen - damit konnte er sich in seiner Partei aber bisher nicht durchsetzen. Dafür wiederholte er seine bisherige Haltung: Es gebe nur etwa 45.000 E-Autos in Deutschland, aber 45 Millionen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Wegen der geringen Zahl der Stromer sei es „nicht der richtige Zeitpunkt, um eine so weitgehende ordnungspolitische Ansage zu machen“, sagte Kretschmann.

Die Grünen pochten bislang darauf, ab 2030 keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr neu zuzulassen. Die CSU wiederum will keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem ein Enddatum festgehalten ist. Auch die FDP hält nichts von einem Verbot. Die zähen Sondierungen für eine Jamaika-Koalition gehen an diesem Dienstag in die entscheidende Phase. Bis Mitte November wollen die Unterhändler eine Vereinbarung zustande bringen, auf deren Basis dann Ende des Monats - nach einem Parteitag der Grünen am 25. November - Koalitionsverhandlungen beginnen sollen.

Die Spitzen von CDU, CSU, FDP und Grünen trafen sich am Montagabend gut viereinhalb Stunden im Kanzleramt, um die zweite Phase der Sondierungen vorzubereiten. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel wollte mit CSU-Chef Horst Seehofer, dem Grünen-Spitzenduo Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir sowie FDP-Chef Christian Lindner und FDP-Vize Wolfgang Kubicki jene Schwerpunkte festlegen, die während der Sondierung noch geklärt werden müssen. Über den Verlauf des Gesprächs wurde Stillschweigen vereinbart. Konstruktiv sei es gewesen, sagte FDP-Chef Lindner am Dienstag.

Auf die Kompromisssignale der Grünen reagierter er im Gegensatz zu Dobrindt positiv und kündigte seinerseits Abstriche bei den Forderungen seiner Partei für eine große Steuerreform an. Ihn habe weniger die Ankündigung der Grünen überrascht, dass sie auf das strikte Datum des Ausstiegs aus den Verbrennungsmotoren verzichtet hätten, da hier ohnehin bei den Grünen keine Einigkeit bestand, sagte Lindner am Dienstag vor Beginn weiterer Sondierungen von Union, FDP und Grünen für ein Jamaika-Bündnis. Mit großer Aufmerksamkeit habe er aber registriert, dass sich die Grünen beim Kohleausstieg bewegt hätten. Offenbar bekomme die energetische Versorgungssicherheit bei den Grünen mehr Bedeutung.

Die FDP ihrerseits habe zur Kenntnis nehmen müssen, dass es für eine große Steuerreform im Umfang von 30 bis 40 Milliarden Euro keine Mehrheit gebe. Die FDP halte aber weiter an einer Entlastung der Bürger fest und konzentriere sich dabei jetzt auf den Abbau des Solidaritätszuschlages sowie auf die Entlastung der Familien und der kleinen und mittleren Einkommen.

KONTEXT

Worauf sich die Jamaika-Sondierer bisher verständigt haben

Steuern, Finanzen, Haushalt

Einig waren sich die Unterhändler in der ersten Runde darin, keine neuen Schulden machen zu wollen und auch künftig einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Zudem will man keine neuen Substanzsteuern einführen - das Aus für die von den Grünen noch im Wahlprogramm verlangte Vermögensteuer. Ist das nun die Schwarze Null? Die FDP meint ja, die Grünen nein. Offen ist auch, in welchem Umfang und Zeitraum der Solidaritätszuschlag abgebaut werden soll.

Innen, Sicherheit, Rechtsstaat

Im Kampf gegen Terrorismus soll es eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern geben. Die Koordinierungsfunktion von Bundeskriminalamt und Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) soll stärker als bisher wahrgenommen werden. So schnell wie möglich sollen zusätzliche Stellen für die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern geschaffen werden.

Arbeit, Rente, Gesundheit, Pflege, Soziales

Ein Jamaika-Bündnis würde Vollbeschäftigung anstreben. Die Sozialversicherungsbeiträge sollen bei 40 Prozent stabilisiert werden, außerdem soll über eine Absenkung der Arbeitslosenbeiträge nachgedacht werden. Zudem streben die Verhandler einen flexibleren Renteneintritt und gleitende Übergänge von der Erwerbstätigkeit in den Ruhestand an. Private und betriebliche Altersversorgung sollen verbessert werden, ebenso die Pflege - durch mehr Personal und bessere Ausstattung.

Familie

Familien sollen finanziell entlastet, Leistungen unbürokratischer vergeben werden. Der Kampf gegen Kinderarmut stehe im Mittelpunkt, heißt es. Damit Väter und Mütter Beruf und Familie besser vereinbaren können, sollen bessere Betreuungsangebote bis hin zu Grundschülern gefördert werden.

Bildung, Forschung, Innovation

Bis 2025 sollen für Bildung und Forschung mehr als zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes aufgewendet, das Bafög modernisiert werden. Zudem sollen Stipendienprogramme ausgebaut und der auslaufende Hochschulpakt zwischen Bund und Ländern verlängert werden. Ob sie das bisherige Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in der Bildung weiter lockern wollen, ließen die Verhandler offen.

Digitalisierung

Die Jamaikaner wollen einen flächendeckenden Breitbandausbau in Gigabitgeschwindigkeit bis 2025 bewerkstelligen, wissen aber noch nicht wie. Funklöcher auf dem Land sollen möglichst schnell geschlossen werden. Die Verhandlungspartner bekennen sich zu einem modernen Datenrecht unter Wahrung der digitalen Bürgerrechte. Dies sei auch als weiterer Schritt zu verstehen, gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland herzustellen.

Kommunen, Wohnen, Ehrenamt, Kultur, Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen

Für bezahlbaren Wohnraum sollen öffentliche Grundstücke günstig zur Verfügung gestellt werden. Steuerliche Anreize soll es etwa über die Grunderwerbssteuer oder ein Baukindergeld geben. Geplant sind auch gezielte Investitionen in sozialen Mietwohnungsbau. Die Aufarbeitung der NS-Geschichte und der DDR-Diktatur soll weiter intensiviert werden.

Kommunen

Der Bund soll die Leistungskraft der Kommunen stärken. Bisherige Finanzierungsprogramme sollen fortgesetzt werden. Eine Übertragung von Aufgaben soll es nur mit Vorschlägen zur Gegenfinanzierung geben. Bei Sozialkosten sollen die Kommunen entlastet werden.

Europa

Neben einem grundsätzlichen Bekenntnis zu einem geeinten Europa und zur "herausgehobenen Bedeutung" der deutsch-französischen Zusammenarbeit gab es hier noch nichts Substanzielles.

Klima, Energie, Umwelt

Nach heftigen Streitereien bekannten sich CDU, CSU, FDP und Grüne zu den deutschen und internationalen Klimazielen für 2020, 2030 und 2050. Wie diese Ziele erreicht werden sollen, ist aber offen.

Landwirtschaft, Verbraucherschutz

Die wirtschaftlichen Interessen der Landwirte sollen besser in Einklang mit dem Klima-, Boden- und Gewässerschutz gebracht werden. Die genauen Instrumente sind offen. Einigkeit besteht aber, "dass die Kosten nicht einseitig zu Lasten der Bauern gehen" dürften. Grundsätzlich sollen weniger Chemikalien zum Einsatz kommen. Für Verbraucher wollen die möglichen Partner neue Klagewege für Fälle mit Tausenden Betroffenen wie beim Diesel-Skandal prüfen. Diskutiert werden soll auch über mehr digitale Kundenrechte.

KONTEXT

Zeitplan für Jamaika

6. November

Bei CDU, FDP und Grünen kommen Parteigremien zusammen. Auch in den Fraktionssitzungen von Union, FDP und Grünen dürfte über den Sondierungsstand berichtet werden. Am Abend treffen sich die Chef-Unterhändler aller vier Parteien: Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU), Christian Lindner und Wolfgang Kubicki (beide FDP), Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir (beide Grüne) an geheimem Ort.

7. November

Von 11.00 bis 18.00 Uhr beraten die Unterhändler in kleiner Runde über die Themenblöcke "Europa", "Außen, Verteidigung, Entwicklungszusammenarbeit, Handel", "Bildung, Forschung, Innovation, Digitales, Medien" und "Familie, Frauen, Senioren, Jugend".

8. November

Bislang sind an diesem Tag keine Sondierungstermine vorgesehen. Kanzlerin Merkel nimmt gegen Mittag das Gutachten des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung entgegen. Am Abend hält sie in Potsdam eine Rede.

9. November

Die Sondierungen gehen in kleiner Runde von 9.00 bis 15.00 Uhr weiter. Themen sind "Innen, Sicherheit, Rechtsstaat", "Klima, Energie, Umwelt" sowie "Arbeit, Rente, Gesundheit, Pflege, Soziales".

7. bis 9. November

Steuerschätzung. Erst anschließend wissen die Sondierer relativ genau, wie viel Geld für Steuerentlastungen, Investitionen oder soziale Vorhaben zur Verfügung stehen dürfte.

10. November

Zwischen 10.00 und 15.00 Uhr tagt die kleine Runde zu "Wirtschaft, Verkehr", "Kommunen, Wohnen, Ehrenamt, Kultur, Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen" sowie "Landwirtschaft, Verbraucherschutz". Von 16.00 bis 21.00 Uhr will die große Runde der mehr als 50 Verhandler eine Zwischenbilanz des zweiten Sondierungsdurchgangs ziehen.

12. November

Geblockt für weitere Verhandlungen, falls nötig.

16. November

In großer Runde soll an diesem Tag ein gemeinsames Jamaika-Papier fertiggestellt werden, das als Grundlage für die Entscheidungen dienen soll, ob CDU, CSU, FDP und Grüne tatsächlich in formelle Koalitionsverhandlungen eintreten wollen.

17. und 18. November

Am Freitag (17. November) soll vormittags in der CDU-Zentrale in Berlin eine zweitägige Klausur des CDU-Vorstands beginnen. Dabei soll es außer um den Stand der Jamaika-Verhandlungen - wie von CDU-Chefin Merkel versprochen - auch um die Aufarbeitung der Gründe für die massiven Stimmenverluste bei der Bundestagswahl gehen. Gegen 13.00 Uhr ist eine Sitzung der Unionsfraktion geplant, bei der die Abgeordneten über das Sondierungspapier informiert werden sollen.

18. November

In der CSU wird zuerst eine Sitzung der Landtagsfraktion sowie anschließend des Parteivorstands angepeilt.

25. November

Die Grünen entscheiden auf einem Parteitag in Berlin auf der Grundlage der bis dahin erzielten Sondierungsergebnisse, ob sie formelle Koalitionsverhandlungen aufnehmen wollen. Scheitert das Sondierungspapier bei den Grünen, wäre Jamaika wohl geplatzt. Stimmen die Delegierten zu, könnten die Verhandlungen umgehend starten.

Bei den möglichen Jamaika-Partnern heißt es, wenn CDU, CSU, FDP und Grüne erst einmal in Koalitionsverhandlungen eingestiegen seien, müsse es schon extrem gewichtige Gründe geben, diese Gespräche noch platzen zu lassen. Geschieht dies trotzdem, gäbe es voraussichtlich eine Neuwahl. Das wollen die Beteiligten unbedingt vermeiden. Koalitionsverhandlungen dürften bis Mitte Dezember dauern.

15. und 16. Dezember

Die CSU kommt zu einem verschobenen Parteitag in Nürnberg zusammen. Dort wird turnusgemäß auch der Vorstand gewählt. Außerdem könnte eine Aussprache zu dann möglicherweise beendeten Koalitionsverhandlungen in Berlin anstehen.

16. Dezember

Aus der CDU ist zu hören, dass für diesen Samstag ein eintägiger Bundesparteitag in Berlin angedacht ist, sollte bis dahin ein Koalitionsvertrag ausgehandelt sein. Merkel hat zugesagt, anders als früher einen ordentlichen Parteitag mit 1001 Delegierten darüber abstimmen zu lassen.

Bei FDP und Grünen dürften in diesem Zeitraum die Führungsgremien entscheiden, ob sie einem Koalitionsvertrag zustimmen oder nicht. Abschließend werden bei FDP und Grünen die Mitglieder befragt. Eine Wahl Merkels zur Kanzlerin im Bundestag wäre bei einem Ja noch vor Weihnachten möglich, ebenso ihre Vereidigung und die des Kabinetts.