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Beraterbranche steht vor Rekordjahr – das sind die Gründe

Die Consultants werden wieder optimistisch. Kunden suchen Rat im Umgang mit Digitalisierung, Klimawandel und globalen Risiken – und wollen gleichzeitig sparen.

Im Herbst 2019 war in den Chefetagen der großen deutschen Beratungshäuser deutliches Unbehagen zu spüren. Die Wirtschaft ging auf Talfahrt, die Industrie schlitterte sogar in eine Rezession. Die Branche weiß: Traditionell wird in solchen Situationen zuerst an den Budgets für externe Berater gespart, um das Geld zusammenzuhalten.

Kurz nach dem Start des neuen Jahres erweist sich die Sorge als unbegründet. Die deutsche Wirtschaft steckt zwar weiterhin im Tief, und noch dazu haben die globalen Risiken eher zu- als abgenommen. Doch in den Geschäftszahlen und Erwartungen der Consultingfirmen schlägt sich dies bisher nicht negativ nieder – im Gegenteil: Die Branche steht 2020 vor einem neuen Rekordjahr. Die Anbieter zeigen sich angesichts prall gefüllter Auftragsbücher durchweg sehr zuversichtlich.

Dieses Bild ergibt eine Umfrage des Handelsblatts und führender deutscher Unternehmensberatungen, darunter McKinsey, BCG, Bain, Oliver Wyman, Roland Berger, Kearney, die IT-fokussierten Beratungen Capgemini und Accenture sowie der Marketing- und Vertriebsspezialist Simon-Kucher.

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Sie sind im gesamtwirtschaftlich schwierigen Jahr 2019 nach eigenen Angaben kräftig gewachsen, überwiegend sogar mit zweistelligen Raten. Mehr noch: Die meisten von ihnen peilen ein solches Wachstum auch für dieses Jahr an. Konkrete Umsatzzahlen nennen die Berater nicht.

BDU-Stimmungsindex schnellt hoch

Stand heute zeigt sich: Der seit Jahren anhaltende Beraterboom wird auch 2020 weitergehen. Für die positive Entwicklung der Branche gibt es einen weiteren Indikator. Im vierten Quartal 2019 ist die Stimmungslage unter den Consultants nach zwei rückläufigen Quartalen wieder sprunghaft angestiegen.

Das zeigt der vom Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) erstellte aktuelle Geschäftsklimaindex, der dem Handelsblatt exklusiv vorliegt. Der Sprung um vier Indexpunkte gegen Ende 2019 ist laut BDU der höchste Anstieg des Stimmungsbarometers in den vergangenen drei Jahren.

Damit winkt der Branche ein weiterer kräftiger Zuwachs. 2018 kam sie auf einen Umsatz von knapp 34 Milliarden Euro. Zum Vergleich: 2009 waren es erst 18 Milliarden Euro. Bezieht man die Prognose für 2019 ein, so deutet sich an: Binnen zehn Jahren wird sich das Marktvolumen für Unternehmensberatung praktisch verdoppelt haben.

Dass die Consultants nur wenig von der allgemeinen Konjunkturdelle spüren, liegt an einem Mix an Herausforderungen bei den Kunden. „Die Kunden suchen und brauchen weiterhin viel externen Rat, etwa bei ihrer digitalen Transformation oder beim Umgang mit den globalen handelspolitischen Spannungen“, beobachtet Branchenexperte Dietmar Fink, geschäftsführender Direktor der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Management und Beratung. „Das können sie nicht aufschieben, da kann die Konjunktur machen, was sie will.“

Genau so erfahren es die Dienstleister derzeit bei ihren Kunden. „Wenn sich die Wirtschaftslage verschlechtert, brauchen viele Firmen guten Rat“, sagt Stefan Schaible, Global Managing Director von Roland Berger. „Trotz zunehmender Unsicherheit müssen Unternehmen massiv investieren, ihr Kerngeschäft überdenken und sich radikal ändern.“

Tatsächlich zeigt sich, dass die deutschen Unternehmen trotz der unsicheren wirtschaftlichen Lage an ihren großen Transformationsprojekten festhalten. „Digitalthemen sind für unsere Kunden in der Regel geschäftskritisch und werden auch in weniger florierenden Zeiten vorangetrieben“, sagt Michael Schulte, Sprecher der Geschäftsführung von Capgemini Deutschland.

Bei Boston Consulting (BCG) war alles rund um das Geschäft mit „Digital and Analytics“ schon im vergangenen Jahr der wesentliche Treiber – und dürfte es auch 2020 werden. Dazu kommt die Vorbereitung der Kunden auf weitere Konjunkturdämpfer. „Unternehmen sollten weiter in Innovationen investieren, erst recht, wenn es zu einem Abschwung kommen sollte“, empfiehlt BCG-Deutschlandchef Matthias Tauber.

Dabei zeigt sich, dass die Firmen ihre Budgets für Berater gezielter einsetzen. Automobilhersteller wie Daimler etwa sparen in den traditionellen Bereichen an externer Expertise, schichten im Gegenzug aber auf Beratung bei E-Mobilität und autonomem Fahren um.

Die Consultants sind daran nicht mehr allein mit guten Ratschlägen beteiligt. Dienstleister wie Accenture bauen schrittweise ihre Technologiekompetenz aus und sind Teil der Produktentwicklung. „Unsere Industrie sieht sich vor der Herausforderung, ihre Produkte von digitaler Seite neu zu denken“, begründet dies Accenture-Deutschlandchef Frank Riemensperger.

Die Firmen treiben ihre digitale Transformation weiter voran – allerdings ist die Zeit des reinen Experimentierens angesichts knapper werdender Kassen vorbei. „Alles, was heute gemacht wird, muss einen Ertrag liefern können, substanziell und zeitnah. Es geht um erfolgreiche Skalierung“, erläutert Kai Bender, Deutschlandchef von Oliver Wyman.


Durch die Brille eines Investors

Nicht nur in Sachen Digitalisierung werden die Berater gut gebucht. Es zeigt sich in der Branche auch der „Greta-Effekt“: Klimawandel, CO2-Abbau und wachsender öffentlicher Druck auf die Unternehmen stecken hinter vielen Neuaufträgen. Das Thema Nachhaltigkeit bekomme in den Vorstandsetagen einen viel größeren Stellenwert, heißt es bei Simon-Kucher. Das ist ein Grund dafür, dass bei der Bonner Beratung das Auftragspolster derzeit noch dicker ist als Anfang 2019.

Marktführer McKinsey sieht die Entwicklung ähnlich. „Nachhaltigkeit ist längst kein Modethema mehr, sondern eine erkannte strategische Notwendigkeit unserer Klienten“, sagt Deutschlandchef Cornelius Baur. Er beobachtet zudem, dass viele Manager auf ihr eigenes Unternehmen durch die Brille eines aktivistischen Investors schauen. Abspaltungen, Zukäufe und die Fokussierung aufs Kerngeschäft werden dadurch an Tempo gewinnen, erwartet Baur.

Konkurrent Bain nennt die schwächelnde Konjunktur als zusätzlichen Treiber dieser Entwicklung. „Wir sehen, dass sich die Unternehmen in Deutschland intensiv auf weniger Wirtschaftswachstum einstellen“, sagt Deutschlandchef Walter Sinn. Neben Digitalisierung und Transformationen stehe „strategische Kostenkontrolle“ ganz oben auf der Agenda der Vorstände.

Hinter diesem Begriff steckt der Zwang, den viele Firmen derzeit haben: Sie suchen nach Möglichkeiten zum Sparen, ohne dass sie an die für die Zukunft wichtige Substanz gehen müssen. So laufen beispielsweise viele Kostensenkungsprogramme in den Verwaltungen der Firmen, die sich im Boom der zurückliegenden Jahre aufgebläht haben.

Von den aufkeimenden Restrukturierungsplänen der Industrie profitieren viele große Beratungen, die zuletzt ihre Einheiten in diesem Bereich ausgebaut haben – etwa der Düsseldorfer Dienstleister Kearney, der seit ein paar Tagen einen neuen Markenauftritt hat und künftig das traditionelle „A.T.“ im Firmennamen weglässt.

Tausende Berater werden gesucht

Kearney-Deutschlandchef Martin Eisenhut rät den Unternehmen, in der aktuellen Phase die richtige Mischung zu finden – nicht nur was Sparzwang und Wachstumsprojekte angeht, sondern auch bei den „weichen“ Themen. „Es wäre ein Fehler, wenn Unternehmen in konjunkturell schwierigeren Zeiten von ihrem Kurs abweichen würden, auf Gleichberechtigung und Diversity zu setzen“, sagt er. Heterogene Teams seien gerade jetzt gefragt, um schwierige Entscheidungen aus unterschiedlichen Perspektiven zu hinterfragen.

Das gilt auch für die Consultants selbst, die in diesem Jahr wieder große Einstellungspläne haben. Allein die sieben großen Managementberatungen suchen 2100 neue Berater, summiert man die einzelnen Angaben aus der Handelsblatt-Umfrage. Bei IT-orientierten Dienstleistern sind es traditionell noch mehr, bei Accenture sind es 2000, und Capgemini sucht mehr als 1000 neue Mitarbeiter.

Gefragt sind vor allem Experten mit tiefen Kenntnissen in Digitalthemen. Doch um die buhlen nicht nur die Berater, sondern die gesamte Wirtschaft. „Digital Talents werden ein rares Gut bleiben“, erwartet Capgemini-Deutschlandchef Schulte. „Hier ist keine Entlastung in Sicht.“