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Die digitale Lehre bleibt eine Dauerbaustelle – auch an die Unis

Die Hochschulen sind überraschend gut durch die Pandemie gekommen. Bei genauem Hinsehen zeigt sich aber, dass die Digitalisierung noch ausbaufähig ist.

Mehr als drei Viertel der Lehrenden nutzen private Geräte. Foto: dpa
Mehr als drei Viertel der Lehrenden nutzen private Geräte. Foto: dpa

Am Anfang herrschten Furcht und Chaos. Im April warb der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Peter-André Alt, für eine Verschiebung des Sommersemesters. Wissenschaftler plädierten in einem offenen Brandbrief für ein „Nicht-Semester“.

Noch im Juni forderten mehr als 2000 Lehrende die „Verteidigung der Präsenzlehre“ und warnten vor einer „Zwangsdigitalisierung“ der Hochschulen. Heute ist klar: Die Hochschulen und ihre fast drei Millionen Studenten haben das Corona-Semester überraschend gut gemeistert.

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Im Sommersemester waren satte 91 Prozent der Lehrangebote digital – im Semester zuvor gerade einmal zwölf Prozent. Das zeigt eine Umfrage des Stifterverbandes und von McKinsey im Juli/August unter 11.000 Studierenden und 1800 Lehrenden, die dem Handelsblatt vorliegt. Neun von zehn Dozenten sagten, die Umstellung habe nur einen Monat gedauert – gut jeder zweite berichtete, seine Hochschule habe dafür sogar nur 14 Tage benötigt.

„Die Hochschulen haben im Krisenmodus Enormes geleistet“ sagt der Vize-Generalsekretär des Stifterverbandes, Volker Meyer-Guckel, dem Handelsblatt. „Die Umstellung in eine ortsunabhängige Lehre hat sehr gut funktioniert – nicht nur quantitativ, sondern häufig auch qualitativ.“ Also schöne neue digitale Hochschulwelt?

Nein, denn genauer betrachtet zeigen sich noch gewaltige Defizite. Denn nur die Hälfte der Dozenten gibt an, dass es an ihrer Hochschule ein digitales Lehrkonzept gibt. Das ist zwar schon weit mehr als vor Corona, als dies nur 16 Prozent der Uni-Lehrer und 25 Prozent der Fachhochschul-Dozenten bejahten. Aber: Auch jetzt fehlt es noch nahezu an jeder zweiten Hochschule an einem Digitalkonzept. Auch zentral Verantwortliche gibt es kaum, ein „Chief Digital Officer“, wie ihn die Universität Bremen installiert hat, ist die absolute Ausnahme.

Und „im nächsten Semester werden Studierende zu Recht mehr erwarten“ als im ersten Corona-Semester, mahnt auch Meyer-Guckel. „Jetzt gilt es, die Erfahrungen zu analysieren, um sie für die Modernisierung der Hochschullehre zu nutzen. Die Verzahnung digitaler Lehrformate, wo sinnvoll, mit Präsenzveranstaltungen ist die Zukunft.“

Technische Aufrüstung notwendig

Immerhin stehen nach der Umfrage mittlerweile 75 Prozent der befragten Lehrenden der digitalen Lehre positiv gegenüber, „der kulturelle Wandel ist also schon weit fortgeschritten“, sagt Studienleiter Mathias Winde vom Stifterverband. Aber: „Es bleibt die Herausforderung, dass immerhin jeder vierte Lehrende Digitalformate negativ sieht.“

Auch mangelt es an Ausstattung: Mehr als drei Viertel der Lehrenden nutzen private Geräte, die verwendete Software ist auch deshalb völlig unübersichtlich. Zudem braucht mindestens ein Drittel der Hochschullehrer dringend eine digitale Fortbildung, ergab die Befragung.

Doch auch die Studenten sind nicht immer ausreichend technisch ausgerüstet. Da digitale Lehrformate aber „langfristig erhebliche Chancen für die Hochschulbildung bieten“, sollte die Politik das Bafög um eine „zusätzliche Technikpauschale“ aufstocken, damit auch ärmere Studenten profitieren können, fordert der Stifterverband.

Obwohl die Studenten die digitale Lehre selbst ziemlich gut finden, ist ihre allgemeine Zufriedenheit deutlich gesunken: Der Anteil derer, die angaben, mit ihrer Lernsituation „zufrieden“ zu sein, sank gegenüber dem Vor-Corona-Semester von 85 auf nur noch 51 Prozent.

Ursächlich dafür sind die massiv reduzierten Kontakte: Sie vermissen vor allem das soziale Campusleben, klagen über mangelnden Kontakt zu den Lehrenden und haben beim isolierten Lernen zu Hause Probleme, sich zu konzentrieren.

Das betrifft vor allem Erstsemester, die das Studienleben noch gar nicht kennen, und Austauschstudenten aus dem Ausland. Deshalb müssten die Hochschulen vor allem für diese Gruppen im nächsten Wintersemester dringend „intelligente Präsenz- und Digitalformate anbieten“, die den Kontakt fördern. Also nicht nur Vorlesungen, sondern auch Gesprächsformate, empfehlen die Autoren.

Hilfe aus der Politik gefordert

Daran hapert es bisher noch sehr: Während die Studenten die digitalen Vorlesungen weitgehend positiv bewerten, klagt die Mehrheit, die Qualität von kleineren Veranstaltungen wie Seminaren oder Übungen sei schlechter geworden. Hier sollten Hochschulen auch von Unternehmen lernen, die während der Coronakrise mit digitalen Sozialformaten wie offenen, virtuellen Austauschräumen oder digitalen Speed-Datings experimentiert haben – etwa im Rahmen der Initiative „Digitale Wirtschaft NRW“, empfiehlt der Stifterverband.

Auch an Top-Unis gibt es heute schon High-End-Angebote: etwa die virtuellen Labore der RWTH Aachen oder das an der Uni Göttingen geplante interdisziplinäre Virtual-Reality-Labor. Das sind bisher jedoch noch absolute Ausnahmen.

Die Politik muss die digitale Weiterentwicklung der Hochschulen kräftig unterstützen – nicht nur mit Geld, sondern auch mit länderübergreifenden Konzepten, fordert der Stifterverband. Geld wäre vorhanden: Nach einem Bericht des Bundesrechnungshofs haben die Hochschulen mehrere Milliarden Euro aus dem Hochschulpakt bisher nicht ausgegeben. Allerdings sind die Restsummen je Hochschule sehr unterschiedlich hoch.

Zudem dürfen sie diese Mittel, die eigentlich den Erhalt und Ausbau der Studienplätze sichern sollen, nicht einfach für andere Zwecke ausgeben. Die FDP hatte daher schon im Mai gefordert, Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) müsse für die Digitalisierung kurzfristig Gelder aus dem Hochschulpakt umwidmen. Diese wies das zurück und verwies auf andere Hilfspakete.

Einige Bundesländer legten Sonderprogramme für Hochschuldigitalisierung auf, allerdings in sehr unterschiedlichem Ausmaß. Hessen lag mit 112 Millionen weit vorn, in NRW waren es nur 20 Millionen, in vielen Ländern gab es gar nichts.

„Aber die Digitalisierung ist eine Daueraufgabe, die man nur mit der entsprechenden Grundfinanzierung leisten kann“, heißt es bei der Hochschulrektorenkonferenz. „Sonst landen wir wieder beim Vor-Corona-Zustand: Digitales wird aus Projektmitteln finanziert, und wenn die beendet sind, verschwinden die Mitarbeiter und die Expertise, und es gibt auch keine Updates für Hard- und Software mehr“, warnt deren Digitalisierungsspezialist Martin Rademacher.