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In diesen Städten könnte es zu Diesel-Fahrverboten kommen

In Hamburg stehen Fahrverbote bevor – doch wie sieht es in anderen Städten aus? Schnelle Nachahmer wird es nicht geben, aber die Kommunen rüsten sich.

Bundesweit steigt der Druck auf Städte, ihre Luft sauberer zu machen. So wie Hamburg konnten im vergangenen Jahr 65 weitere Städte den europäischen Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel an verschiedenen Hauptverkehrsstraßen nicht einhalten. Das zeigt eine Aufstellung des Umweltbundesamtes, das die Messdaten aus mehr als 500 Messstationen deutschlandweit sammelt und bewertet.

Grundsätzlich dürfen alle Städte Fahrverbote für Dieselautos erlassen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig Ende Februar entschieden – mit der Einschränkung, dass es nicht zu unverhältnismäßigen Härten kommen dürfe. Zusätzlich hat die EU-Kommission Deutschland vergangene Woche wegen überhöhter Stickoxidwerte vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt.

Schnelle Nachahmer wird der Fall Hamburg jedoch kaum haben. „Streckenbezogene Fahrverbote wie in Hamburg sind in München weder durchführbar noch zielführend“, heißt es auf Nachfrage des Handelsblatts in der bayerischen Landeshauptstadt, in der an vielen Hauptverkehrsstraßen ebenfalls die Grenzwerte für Stickstoffdioxid überschritten werden.

Neben Problemen in der Umsetzung gingen solcherlei Fahrverbote vor allem mit massiven Verdrängungseffekten einher, die die Problembereiche der Luftreinhaltung in umliegende Straßen und Wohngebiete verschieben, aber nicht lösen würden.

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Allerdings hätten sich sowohl die Münchner Verwaltung als auch der Münchner Stadtrat mehrfach für eine Weiterentwicklung der Umweltzone mit Ausnahme- und Übergangsregelungen ausgesprochen, „da dies der einzig vollziehbare, verursachergerechte, kontrollierbare und verhältnismäßige Weg ist, um die Stickstoffemissionen des verursachenden Diesel-Verkehrs spürbar zu senken“, argumentiert das Referat für Gesundheit und Umwelt.

Für den Luftreinhalteplan Münchens ist der Freistaat Bayern zuständig, nicht die Stadt selbst. Daher kann München nicht allein über die nächsten Schritte entscheiden. Die Urteilsbegründung, so die Stadt, beziehe sich explizit auf Fahrverbote im Rahmen des Luftreinhalteplans und enthalte keine Hinweise darauf, dass die für die Luftreinhalteplanung nicht zuständigen Kommunen nun selbst strecken- oder flächenbezogene Fahrverbote erlassen könnten.

Ähnlich wird in Nordrhein-Westfalen argumentiert. Hier prüft die Landesregierung derzeit die schriftliche Begründung des Leipziger Urteils, die erst seit Freitag vorliegt. In den nächsten Tagen wird mit einer Stellungnahme gerechnet, die dann den Entscheidungsspielraum der einzelnen nordrhein-westfälischen Kommunen bestimmen dürften. „Sorgfalt geht vor Eile“, hieß es beim Verkehrsministerium in der Landeshauptstadt Düsseldorf am Mittwoch auf Nachfrage. Das Urteil sei in all seinen Facetten zu prüfen.

Wenn etwa wie in Hamburg bestimmte Streckenabschnitte gesperrt würden, dann seien die Emissionen ja nicht verschwunden, sondern würden lediglich verlagert. Welchen Einfluss das auf die Grenzwerte habe, das müsse herausgefunden werden, bevor eine Entscheidung über Fahrverbote getroffen werden könnte. In Nordrhein-Westfalen sind beispielsweise Düsseldorf, aber auch Köln, Bochum, Dortmund, Hagen, Wuppertal, Bonn und Essen von zu hohen NO2-Werten betroffen.

Die Deutsche Umwelthilfe forderte die zuständigen Behörden auf, Diesel-Fahrverbote in ihre Luftreinhaltepläne unverzüglich aufzunehmen und vorzubereiten. Doch die Städte zögern – auch wenn viele Kommunen Fahrverbote durchaus als mögliche Maßnahme sehen, um Grenzwerte einzuhalten.

Stuttgart überarbeitet den Luftreinhalteplan

Beispiel Stuttgart: auch die baden-württembergische Landeshauptstadt kann den Grenzwert für NO2 nicht einhalten und muss handeln. Derzeit überarbeitet die Stadt ihren Luftreinhalteplan, bei dem das Leipziger Urteil eine Rolle spielen wird, heißt es im Verkehrsministerium in Stuttgart.

Mit einem Entwurf ist vor der Sommerpause zu rechnen, doch bis sich die grün-schwarze Landesregierung über Fahrverbote verständigt, dürften weitere Monate vergehen. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sagte kürzlich, das Land arbeite an alternativen Maßnahmen zu Fahrverboten. Ausgeschlossen werden sie aber nicht. Man sei in der Pflicht, für sauberere Luft zu sorgen, heißt es im Ministerium. Die Kurve der Schadstoffe zeige zwar nach unten, aber noch würden die Grenzwerte nicht eingehalten.

So wie Stuttgart geht es vielen Städten. Bereits vor zehn Jahren haben die ersten Kommunen Luftreinhaltepläne aufgestellt. Sie haben eine ganze Liste von Maßnahmen: Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs, Bau neuer Radwege, Einrichtung verkehrsberuhigter Zonen, Begrünung von Dächern, Pflanzung neuer Bäume, Umleitung von Lastwagen und Umstieg auf Elektromobilität oder Carsharing. Doch bislang hat das offenkundig in vielen Städten nicht ausgereicht.

Berlin prüft Fahrverbote

Zwar stehen in den anderen deutschen Städten Fahrverbote noch nicht im Luftreinhalteplan, allerdings dürfte sich das bald ändern. In Berlin etwa sind die Stickstoffdioxid-Werte in der Luft ebenfalls zu hoch. An fast allen 29 Messstationen in verkehrsreichen Straßen wurde der Grenzwert zum Teil deutlich überschritten.

Das Problem sei indes nicht nur auf die Bereiche rund um die Messstellen beschränkt, heißt es im Senat. Das zeigten die Ergebnisse aktueller Simulationsrechnungen der Luftbelastung für das gesamte, 1.600 Kilometer lange Hauptverkehrsstraßennetz.

Wenn die bisher vorgesehenen Maßnahmen wie die vorgesehene Umrüstung der Busse mit Filtern und Umstellung auf Elektromobilität nicht ausreichten, „wird es auch in Berlin streckenbezogene Fahrverbote geben müssen“. Das soll bis Ende des Jahres herausgefunden werden. Auch ein neuer Luftreinhalteplan ist in Arbeit: In den sollen streckenbezogene Fahrverbote als mögliches Instrument aufgenommen werden. Berlin wäre dann entsprechend vorbereitet.

Aufgrund der zugespitzten Situation brachte die Bundesregierung 2017 ein milliardenschweres Programm für saubere Luft auf den Weg. 750 Millionen Euro stellt der Bund bereit, damit die Kommunen entsprechende Maßnahmen finanzieren können. Das hatte Berlin nach den Dieselgipfeln von August und November des vergangenen Jahres zugesagt.

Weitere 250 Millionen Euro finanzieren die Autobauer. Doch viele Vorsätze werden nur langsam umgesetzt. Bestes Beispiel dafür ist der Umgang mit den fünf ausgesuchten Modellstädten, in denen Maßnahmen für mehr saubere Luft getestet werden sollen, darunter auch Bonn und Essen.

Noch immer wurden die Vorschläge der Städte nicht abschließend geprüft und bewertet. Dabei liegen die Papiere seit mehr als einem Monat auf dem Tisch. Grund für die Verzögerung ist, dass die Kompetenzen bei mehreren Ministerien liegen. Sowohl Umwelt- als auch Verkehrs- und Finanzministerium müssen sich über alle Maßnahmen abstimmen. Dann erst können die Kommunen loslegen.

Opposition kritisiert Fahrverbote

Der Opposition geht das alles viel zu langsam, mehr noch: Für die Liberalen sind die in Hamburg kommende Woche in Kraft tretenden Diesel-Fahrverbote ein Ausdruck des Versagens von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). „Hamburg ist Frau Merkels erstes Fahrverbot. Ihre Politik des Zögerns und Zauderns ist krachend gescheitert“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Theurer, am Mittwoch in Berlin. „Die Verlierer sind einmal mehr Pendler und Handwerker.“

„Angela Merkel muss endlich ein Machtwort im schon viel zu lange gärenden Dieselstreit um die Kosten für Hardware-Nachrüstungen sprechen“, fordert der FDP-Politiker. Das Hickhack zwischen Verkehrsminister Scheuer und Umweltministerin Schulze müsse mit dem Diesel-Fahrverbot in Hamburg ein Ende haben. Die Autokonzerne, die geschummelt hätten – allen voran VW – müssten für den von ihnen verursachten Schaden gerade stehen.

Auch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion kritisierte die Fahrverbote. Ergebnis werde sein, dass zwar die betroffenen Straßen gemieden, dafür aber der Umgehungsverkehr in den angrenzenden Straßen zunehmen würde. Das führe lediglich zu einer Verlagerung der Belastung.

Die angekündigte Maßnahme der Stadt Hamburg sei rein populistisch und nicht lösungsorientiert, hieß es. „Verbraucher mit neueren Dieselfahrzeugen müssen sich darauf verlassen, dass sie alle Straßen befahren können“, sagte die rechts- und verbraucherpolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker. Die Abgasprobleme in den Städten beruhten im Wesentlichen auf der lange geplanten Absenkung der Grenzwerte zum Gesundheitsschutz. Diese Werte hätten von den Autoherstellern und der Politik auf allen Ebenen vorausschauend berücksichtigt werden müssen; „hier sehe ich deshalb beide gemeinsam in der Pflicht, das Problem für die Autobesitzer schnell und unkompliziert zu lösen.“

Die deutsche Autoindustrie blieb auch nach der Hamburger Ankündigung bei ihrer strikten Ablehnung von Diesel-Fahrverboten. Es gebe bessere Instrumente zur Luftreinhaltung in den Städten als die nun bundesweit erstmals anstehenden Beschränkungen. „Innovationen leisten einen höheren Beitrag“, bekräftigte der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) am Mittwoch.

„Allein die natürliche Bestandserneuerung durch moderne und saubere Dieselfahrzeuge wird in den kommenden Jahren zu einer erheblichen Steigerung der Luftqualität führen.“ So seien im vergangenen Jahr bereits 1,1 Millionen neue Euro-6-Diesel auf die Straße gekommen.

Was ihm Rahmen des Dieselgipfels mit der Bundesregierung zugesagt worden sei, werde umgesetzt, versprach der VDA. „Dazu gehören Software-Updates, Umstiegsprämien und die Beteiligung am Mobilitätsfonds.“ Auf die unter anderem auch vom ADAC geforderten Hardware-Nachrüstungen gingen die Hersteller nicht ein. Sie hatten Umbauten an Abgasanlage oder Motor bisher abgelehnt.