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Der Diesel ist zurück – warum die Kunden wieder Lust auf den Selbstzünder haben

Lange sah es so aus, als ob der Diesel in Deutschland keine große Zukunft mehr hätte. Erst nahm der Abgasskandal den Kunden die Lust am Kauf eines Dieselautos, dann demotivierten die drohenden Fahrverbote. Doch die Zeiten sind zumindest bei Volkswagen offenbar vorbei.

„Wir sehen einen Trend. Die neuen Modelle helfen uns sehr“, sagte Thomas Zahn, Chef des Deutschland-Vertriebs bei Volkswagen, dem Handelsblatt. Zahn machen die jüngsten Zahlen Mut: VW hat hierzulande im zweiten Quartal einen deutlichen Aufwärtstrend des Dieselanteils bei den Auftragseingängen verzeichnet. Mit rund 38 Prozent war der Wert deutlich höher als in den vorangegangenen Quartalen.

Der Dieselanteil bei den Neuzulassungen beträgt in Deutschland im ersten Halbjahr rund 32 Prozent – mit dem aktuellen Auftragseingang liegt Volkswagen also inzwischen darüber. In einigen Monaten dürfte sich dieser erhöhte Auftragseingang auch in höheren Zulassungszahlen niederschlagen. Ein möglicher Hinweis darauf, dass der Dieselanteil im Herbst wieder auf über 35 Prozent klettern wird – der erste Anstieg nach bald zwei Jahren Niedergang.

Denn nicht nur Volkswagen verströmt in Sachen Diesel zarte Zuversicht. Auch BMW spürt seit März wieder deutlich steigende Auftragseingänge für Dieselmotoren, ein Trend, der sich rund drei Monate später in den Auslieferungszahlen wiederfinden dürfte. Die Münchener wollen wie Daimler die Erholung offiziell nicht weiter kommentieren – beide legen in den kommenden Tagen Quartalsergebnisse vor.

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Seit September 2015, als der verhängnisvolle Abgasbetrug bei VW publik wurde, verunsichert die Diskussion um den Dieselantrieb die Kundschaft. Und tatsächlich sackte der Dieselanteil an den Neuverkäufen in Deutschland von weit über 50 Prozent vor der Dieselkrise auf 45 Prozent 2017 – und auf nunmehr noch ein Drittel.

Denn neben dem Ärger über den Betrug mussten die Käufer von Dieselautos auch Fahrverbote in mehreren Innenstädten fürchten. Ein Szenario, das offensichtlich in den vergangenen drei Monaten an Schrecken verloren hat. Nur in Hamburg sind zwei Straßen für ältere Dieselfahrzeuge gesperrt, Stuttgart will im kommenden Jahr lediglich 30.000 Altdieseln der Abgasstufe 4 die Einfahrt verweigern. Ein flächendeckender Bann für neu verkaufte Diesel ist nicht in Sicht.

Das scheint die Kunden zu beruhigen, die weiterhin gerne die vergleichsweise sparsamen Selbstzünder ordern. Das gilt besonders für Geländewagen, den in Deutschland am schnellsten wachsenden Modelltyp. So lag der SUV-Absatz hierzulande im ersten Halbjahr um 42 Prozent über dem Vorjahreswert. Für die meist schweren und großen Karosserien ist der Diesel mit seinen um zehn bis 15 Prozent besseren Verbrauchswerten deutlich günstiger als ein Benzinantrieb.

Auch deshalb hofft der Verband der Automobilindustrie (VDA) auf die kommenden Monate. „Wir sind zuversichtlich, eine Trendwende zu schaffen“, unterstrich VDA-Präsident Bernhard Mattes bereits Anfang Juli. Vor allem die großen Unternehmenskunden statten ihre Fahrzeugflotten unverändert mit Dieselmotoren aus. Die Firmenflotten müssen die festgelegten Verbrauchswerte einhalten und sind dem Diesel gegenüber besonders aufgeschlossen. Hinzu kommen Garantien und Versprechen der Hersteller.

Neben der ausgelobten „Dieselprämie“ für neue Selbstzünder umgarnen die Hersteller die Kunden mit einer Art Vollkaskogarantie für mögliche Fahrverbote. So verspricht BMW seit Mitte März seinen Leasingkunden die Rücknahme von Neuwagen, falls diese von Fahrverboten in Innenstädten betroffen sein sollten. Ein Versprechen, das bislang nicht eingelöst werden musste, wie es in München heißt. Es ist vor allem das Signal, das zählt.

Selbst bei Kritikern unbedenklich

Auch Daimler ist in Sachen Diesel wieder zuversichtlicher. Obwohl Mercedes wegen zu hoher Abgaswerte 774.000 produzierte Autos zurückrufen muss, glaubt man in Stuttgart, für die Zukunft gut gerüstet zu sein. Das gilt besonders für den neuen Abgasstandard Euro 6d-temp, der unter dem neuen strengen Messstandard der „Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure“ (WLTP) vorgenommen wurde.

Diese Abgasstufe – kombiniert mit dem WLTP-Messverfahren – gilt selbst bei Kritikern als unbedenklich, denn die Abgaswerte werden im Labor und im Straßenbetrieb gemessen.

„Aktuell sind bereits mehr als 80 Prozent unseres Modellportfolios nach Euro 6d-temp zertifiziert“, so ein Daimler-Sprecher. „Mit dem Marktstart der neuen A-Klasse im Frühjahr 2018 sind die neuen Dieselmotoren von Mercedes-Benz nun von der Kompakt- bis zur Oberklasse verfügbar.“ Tatsächlich hat Mercedes für seine neue Kompaktklasse neben dem Speicherkatalysator auch einen SCR-Filter eingebaut.

Ein teures Unterfangen, das mit bis zu 1.500 Euro bei Autos dieser Kategorie zu Buche schlagen kann. Was sich für die relativ teure A-Klasse noch rechnet, lohnt sich für Vergleichsmodelle in der sogenannten Golf-Klasse kaum noch. Viele Hersteller nutzen deshalb die Umstellung auf die neuen Abgasanforderungen, um still und heimlich einen Teil der Dieselmotoren für Klein- und Kompaktwagen auszusortieren, heißt es in der Branche.

Auch deshalb dürften Dieselraten jenseits von 50 Prozent künftig nicht mehr zu erreichen sein. Für Geländewagen und große Limousinen soll der Diesel aber noch möglichst lang der bevorzugte Antrieb bleiben.

Es gibt aber auch Stimmen, die beim Diesel noch keine voreilige Entwarnung geben wollen. So warnt zum Beispiel Stefan Bratzel, Leiter des „Center of Automotive Management“ an der Fachhochschule Bergisch Gladbach, davor, die Auftragszuwächse der vergangenen Wochen überzubewerten.

„Wir müssen wirklich erst noch abwarten, ob sich das zu einem breiteren Trend entwickelt.“ Es sei eine reine Rechenaufgabe, beschreibt der Vorstand eines großen deutschen Herstellers die Überlegungen im eigenen Haus. 2021 müssen alle Hersteller es irgendwie schaffen, unter den von der EU festgesetzten Durchschnittswert von 95 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer für alle verkauften Neuwagen zu kommen. „Ohne Diesel keine Chance“, so lautet die nüchterne Erkenntnis von Wolfsburg bis München.

Um einen stabilen Dieselabsatz von knapp 40 Prozent in der Neuwagenflotte zu halten, müssen die relativ teuren SCR-Filtertechniken eingebaut werden. Den Rest sollen Hybrid- und Elektroantriebe beisteuern, denn Stromer werden besonders wohlwollend angerechnet.

Doch bis heute fehlen der deutschen Industrie die Modelle, nur BMW hat mit dem „i3“ seit 2013 ein Serienfahrzeug mit reinem Elektroantrieb auf dem Markt. Audi zieht Ende des Jahres mit dem „e-tron“ nach, Mercedes folgt 2019 mit dem „EQ“, VW ab 2020 mit dem „i.D.“

Sicher ist: So abhängig wie vom Diesel will sich die Autoindustrie von keiner Antriebsart mehr machen. Maximal flexibel will die Branche ihr Angebot an Antrieben halten. BMW plant, ab 2021 in jeder Fabrik jedes Modell auf jedem Band wahlweise mit Benzin-, Diesel-, Hybrid- oder Elektromotor bauen zu können. Audi will bis 2025 rund ein Drittel seines Absatzes mit Strom- oder Hybridautos bestreiten, das entspreche dem jetzigen Dieselanteil in der gesamten Neuwagenflotte.