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„Diese hohen Strafen sind existenzbedrohend“

Von den Unternehmensjuristen kommt viel Kritik am geplanten Verbandssanktionengesetz. Jan Eckert, Chefjurist von ZF Friedrichshafen erzählt, warum der Gesetzentwurf den Firmen so viele Sorgen macht.

WirtschaftsWoche: Herr Eckert, am Entwurf des Unternehmensstrafrechts üben viele Firmen derzeit heftige Kritik. Warum?
Jan Eckert: Die Hauptsorge der Unternehmen ist die exorbitant hohe Strafsumme, die angedroht wird. Bis zu zehn Prozent vom globalen Konzernumsatz sieht der Gesetzentwurf derzeit vor. Das kann existenzbedrohend werden, insbesondere wenn ein Unternehmen zwar viel Umsatz, aber nicht so hohen Gewinn macht. Bisher gab es nur Strafen gegen Unternehmen nach dem Ordnungswidrigkeitenrecht mit einem viel niedrigeren Sanktionsrahmen von zehn Millionen Euro für vorsätzliche Taten und fünf Millionen für fahrlässige.

Aber solch eine Strafe trifft die Unternehmen ja nicht aus heiterem Himmel, sondern weil sie sich nicht an Recht und Gesetz gehalten haben.
Die Bandbreite der möglichen Taten ist riesig: Es kann eine Umweltstraftat sein, Verstöße gegen das Arbeitsschutzrecht, eine Bestechung oder ein Betrug…

Alles Dinge, die Unternehmen eher lassen sollten.
Das steht außer Frage. Aber das Gesetz eröffnet einen immensen Strafrahmen, ohne klar zu bestimmen, wie hoch die Strafe tatsächlich ausfällt. Das schafft Rechtsunsicherheit und wird sehr häufig zu Deals zwischen betroffenen Unternehmen und Strafverfolgungsbehörden führen. Dazu kommt, dass das Gesetz zu wenig konkretisiert, wie die Compliance-Management-Systeme der Unternehmen aussehen sollen.

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Läuft es also auch in Deutschland bald wie in den USA, wo die hohen Strafen auch andere Unternehmen abschrecken sollen?
So sieht es aus, erst wird es eine Eingewöhnungszeit geben und dann legen die Behörden los. Für Kartellverstöße gibt es ja bereits ähnlich hohe Strafen. Auch die Strafen für Datenschutzverstöße sind inzwischen drakonisch. Dass es auch anders geht, sieht man an unseren Nachbarländern: Österreich hat schon länger ein Unternehmensstrafrecht und kommt auch ohne so riesige Strafen aus.

Aber es ist nicht nur das Strafmaß, das vielen Unternehmen Sorgen macht?
Laut dem Gesetzentwurf sollen Unternehmensstrafen nur noch gemildert werden, wenn interne Ermittlungen und Unternehmensverteidigung von zwei unabhängig voneinander tätigen Anwaltsteams durchgeführt werden. Die Teams dürfen sogar aus einer Kanzlei kommen, wenn sie dann nur begrenzt miteinander kommunizieren. Aber solche Internal Investigations kosten bereits jetzt zweistellige Millionensummen. Nun werden sich die Kosten nahezu verdoppeln. Und: Die Mitarbeiter müssen an der Aufklärung einer Straftat nicht mehr mitwirken, wenn sie sich dadurch selbst belasten würden. Für Unternehmen bedeutet das: Die Aufklärung wird schwerer werden, Missstände lassen sich nicht so leicht abstellen.

Wie läuft das bisher bei internen Ermittlungen?
Ob ein Mitarbeiter weiter im Unternehmen bleiben kann, hängt auch wesentlich davon ab, ob er bei der Aufklärung hilft. Aber den Mitarbeitern wird natürlich das Recht eingeräumt, zu Befragungen einen Anwalt oder ein Betriebsratsmitglied hinzuzuziehen. Auf einen fairen Umgang wird bereits heute streng geachtet. Das ist wichtig für die Unternehmenskultur.

Wer einmal draußen ist, wird sich leichter tun, seinen früheren Arbeitgeber zu belasten, als wenn er noch auf seiner Gehaltsliste steht.
Der Druck für Unternehmen, selbst zu ermitteln und die Karten auf den Tisch zu legen, wird so hoch, dass es faktisch ein echter Zwang ist. Schließlich kann es auch nur so den Bonus, durch den das Höchstmaß der Strafe halbiert wird, bei der Strafzumessung bekommen. Dazu gehört auch, dass es alle Unterlagen aus der internen Untersuchung an den Staatsanwalt herausgibt. Dort kann dann im Prinzip jeder Einsicht nehmen. Es ist zu befürchten, dass deutsche Unternehmen damit bei Schadensersatzklagen im anglo-amerikanischen Raum erheblich geschwächt werden, weil dort in Prozessen grundsätzlich keine Dokumente offen gelegt werden müssen, die von Anwälten des Unternehmens erstellt wurden. Ob dieses „Legal Privilege“ dort von Gerichten zukünftig anerkannt wird, wenn deutsche Unternehmen sich entschlossen haben, solche Unterlagen „freiwillig“ an die Staatsanwaltschaft herauszugeben, bleibt abzuwarten.

Der Gesetzentwurf sieht auch ein Strafregister vor. Manche Unternehmen fürchten, dass dies eine Art Pranger wird. Zu Recht?
Die Möglichkeit einer öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung kann die Reputation des Unternehmens erheblich schädigen. Eine Löschung im Sanktionsregister ist erst nach zehn bis 15 Jahren vorgesehen – das bedeutet eine erhebliche Belastung für die Unternehmen.

Glauben Sie, dass der Gesetzentwurf noch überarbeitet wird, um auf diese Kritik zu reagieren?
Nein, es gibt den politischen Willen, das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg zu bringen. Immerhin soll es eine Übergangszeit von zwei bis drei Jahren geben, damit die Unternehmen ihre Compliance-Systeme - soweit erforderlich - anpassen können. Die ursprünglich vorgesehen höchste Strafe, dass ein Unternehmen aufgelöst werden kann, die ist vom Tisch - aber wirtschaftlich kann eine Rekordbuße am Ende denselben Effekt haben. Wenn wir zukünftig zunehmend drakonische Strafen für relativ geringe Verstöße sehen, verlieren die betroffenen Unternehmen die wirtschaftliche Kraft zur Gestaltung ihrer Zukunftsfähigkeit. Ein echtes Problem. Denn damit sägen wir an dem Ast, auf dem wir sitzen.

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