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Diese Gründer wollen den Retouren-Wahnsinn eindämmen

Presize.ai hat es sich zum Ziel gesetzt, eines der größten Probleme im Online-Handel zu lösen: die Zahl der Rücksendungen zu senken – und zwar mit Künstlicher Intelligenz.

Sie sind der Albtraum jedes Versandhändlers: die Retouren. Vor allem Kleidung schicken die Verbraucher beherzt zurück. 40 Prozent aller Modebestellungen im deutschsprachigen Raum landen schon nach ein paar Tagen wieder in den Logistikzentren der Onlinehändler – weil die Ware nicht gefällt oder weil sie nicht passt.

Letzteres wollen die drei Gründer des Start-ups Presize.ai jetzt ändern. Sie haben eine Software entwickelt, mit der die Kunden zu Hause bequem die richtige Kleidergröße ermitteln können. Die Lösung ist denkbar einfach: Die Kunden brauchen im Internetshop lediglich den Knopf „Größe finden“ zu drücken, sich vor ihr Handy zu platzieren und einmal um die eigene Achse zu drehen.

Das Programm erstellt daraufhin auf Basis des Videos ein 3D-Modell und berechnet die Maße des Nutzers. Dann noch die Körpergröße eintragen, schon sucht ein Algorithmus die passende Textilie heraus.

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„Wir haben bereits das Level eines professionellen Schneiders erreicht“, beteuert Leon Szeli, 25. Und fügt hinzu: „Vor einem Jahr hätte man dazu noch einen teuren 3D-Scanner gebraucht.“ Szeli ist der kaufmännische Kopf der jungen Münchener Firma. Seine beiden Partner Awais Shafique, 24, und Tomislav Tomov, 28, sind Spezialisten für Künstliche Intelligenz, die englische Abkürzung ist AI. Der Elektroingenieur und der Physiker haben das System entwickelt, das Hardware überflüssig macht.

Die Investoren sind begeistert von der Lösung. „Wir haben nie aktiv nach einem Geldgeber gesucht“, versichert Szeli. Der erste Investor war gleich ein prominenter Name: Saeed Amidi, Chef und Gründer des Plug and Play Tech Centers aus dem Silicon Valley. Amidi war einer der frühen Finanziers von Google, Paypal und Dropbox. In Deutschland ist er unter anderem bei der Internetbank N26 engagiert.

Weniger Abfall durch die Rückläufer

Wenn er in junge Firmen investiere, dann müssten sie drei Voraussetzungen erfüllen, erläutert der Investor. Ihn müsse das Team überzeugen, sie müssten in einem wachsenden Markt tätig sein und ein bedeutendes Problem einer Branche lösen. All das sei bei Presize.ai gegeben, meint Amidi.

Retouren seien die mit Abstand größte Herausforderung im Online-Modehandel. Amidi unterhält Brutkästen für junge Firmen weltweit. Die Münchener Filiale ist die größte in Europa, hier ist Presize.ai mit seinem zehnköpfigen Team in einer ehemaligen Chipfabrik von Infineon untergekommen.

Noch etwas hält der Geldgeber für relevant. Weniger Retouren bedeute auch weniger Abfall und weniger Umweltverschmutzung. „Nachhaltigkeit ist eines unserer Ziele und liegt mir sehr am Herzen“, betont Amidi.

In diesem Sommer hat Presize.ai nun Chris Brenninkmeyer überzeugt. Anfang des Monats hat sich der Spross der Eigentümerfamilie der Modekette C & A beteiligt. Er sei als privater Investor eingestiegen, mit seiner Familie oder mit C & A habe das Engagement nichts zu tun, teilte er mit.

Vielmehr wolle er seine über 30-jährige Erfahrung im Modeeinzelhandel einbringen. Zuletzt war er Vertriebschef bei C & A. Die Gründer hätten sich ganz bewusst für Brenninkmeyer entschieden, unterstreicht Szeli. Mit seinem Know-how und seinen Kontakten sei er geradezu ideal als Anteilseigner.

Mit Presize.ai wollen die Jungunternehmer eines der größten Probleme des E-Commerce lösen: die gewaltige Zahl an Retouren. Insgesamt 280 Millionen Pakete und 487 Millionen Artikel haben Onlinekäufer nach Ermittlungen der Universität Bamberg im vergangenen Jahr in Deutschland zurückgeschickt. Das entspreche ungefähr jeder sechsten Sendung. Insgesamt entstünden den Onlinehändlern durch Rücksendungen Kosten von über fünf Milliarden Euro.

Die Internet-Versandhäuser sind daher sehr interessiert daran, dass die Kunden ihre Bestellungen behalten. Im Schnitt koste es zehn Euro, einen zurückgeschickten Artikel zu bearbeiten, hat das EHI Retail Institut in einer Umfrage herausgefunden. Das ist noch nicht alles: Lediglich 82 Prozent aller Kleidungsstücke lassen sich wieder gleichwertig als sogenannte A-Ware verkaufen.

Beim Rest müssen die Händler zumindest den Preis herabsetzen, mitunter bleibt ihnen nichts anderes übrig, als die Shirts und Shorts zu spenden oder sogar zu vernichten.

Ihren ersten großen Auftraggeber haben die Wahlmünchener bereits gefunden. Allerdings dürfen sie den Namen des Bekleidungshauses nicht nennen. Zudem würden einige Onlineschneider die Software benutzen, versichert Tomov. „Das funktioniert praktisch ohne Fehler“, sagt der gebürtige Bulgare. Die nächsten Verträge dürften bald folgen: „Wir reden mit allen großen Internetshops“, betont Co-Gründer Szeli.

Das Ziel ist individualisierte Kleidung

Seit Jahren tüfteln Hightech-Firmen weltweit an Verfahren, um Modekäufer zu vermessen. Manche arbeiten mit Fotos der Konsumenten, zum Beispiel Tailor Guide, Fision oder 3D Look. Andere nutzen Fragen, etwa True Fit oder Bold Metrics. Die meisten setzen dabei auf Apps. Die Chefs von Presize.ai halten ihr Verfahren für überlegen. Einerseits weil es sehr einfach sei. Die Konsumenten müssten keine App herunterladen, sondern einfach nur die Anwendung im Onlinestore auf dem Handy starten.

Andererseits sei es viel genauer als das der Konkurrenz. Damit nicht genug: Die Algorithmen würden laufend dazulernen, und mit jeder Bestellung werde die Software noch besser. Der Datenschutz werde gewahrt, betonen die Jungunternehmer. Das Video werde sofort gelöscht, nachdem die Software den Körper vermessen habe.

Am Firmensitz in München sorgt die kleine Firma derweil für immer mehr Aufsehen. Gerade hat sie den Businessplan-Wettbewerb der bayerischen Gründerförderung „BayStartUp“ für sich entschieden. „Bisherige Scan-Methoden sind im Vergleich entweder ungenau oder benötigen häufig eine Vielzahl von Kameras in einem separaten Raum“, begründete die Jury ihre Wahl.

Die drei Entrepreneure stecken jeden Cent, den sie einsammeln, ins Unternehmen. Sie selbst leben vom Exist-Gründerstipendium des Bundeswirtschaftsministeriums. Nun hoffen sie, dass sie ihr System alsbald bei einem großen Modeversender ausprobieren dürfen. Weniger Retouren und zufriedenere Kunden: an diesen beiden Größen wollen sie sich messen lassen.

Dabei soll es aber nicht bleiben. Denn die Software könne mehr, meint Gründer Szeli: „Der nächste Schritt wäre individualisierte Kleidung.“ So weit sind die meisten Onlinehändler aber noch lange nicht.