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Diese Fragen muss Thyssen-Krupp-Chefin Merz bei der Hauptversammlung beantworten

Vor der digitalen Hauptversammlung haben Investoren des Ruhrkonzerns ihre Fragen eingereicht. Eine Übersicht der Streitpunkte, die auf die Vorstandsvorsitzende warten.

In Duisburg will Thyssen-Krupp seine Stahlproduktion auf Wasserstoff umstellen. Das Projekt wird öffentlich gefördert. Foto: dpa
In Duisburg will Thyssen-Krupp seine Stahlproduktion auf Wasserstoff umstellen. Das Projekt wird öffentlich gefördert. Foto: dpa

Am Freitag zieht der Vorstand Thyssen-Krupps um die Vorsitzende Martina Merz bei der digitalen Hauptversammlung die Bilanz des vergangenen Jahres. Für den Industriekonzern war es eine Zeit des tiefgreifenden Wandels: Mit der Trennung vom profitablen Aufzugsgeschäft brach in Essen eine Zeitenwende an.

Aus dem Industriekonglomerat mit seinen zahlreichen Sparten soll eine schlanke Firmengruppe werden, unter deren Dach die Tochterfirmen eine möglichst große Eigenständigkeit genießen.

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Mit den bislang üblichen Querfinanzierungen, bei denen die profitablen Geschäfte die Verluste anderer Bereiche ausgleichen, soll fortan Schluss sein. Für die Investoren ergibt sich damit eine Reihe von Fragen – angefangen mit der Zukunft der stark zyklischen Stahlsparte, die während der Coronakrise heftig in die roten Zahlen gerutscht war.

Derzeit laufen hierzu Gespräche mit dem britischen Konkurrenten Liberty Steel, der Interesse an einer Komplettübernahme geäußert hat. Dabei bestehen noch Uneinigkeiten, etwa über den Kaufpreis.

Doch neben dem Stahl stehen unter anderem auch die Anlagenbau-Sparte und der Marine-Schiffbau zur Disposition – während der Turnaround in anderen Bereichen bereits gelungen ist. Wie geht es also mit dem Ruhrkonzern weiter? Die wichtigsten Themen im Überblick:

1. Wird sich Thyssen-Krupp aus der Stahlproduktion zurückziehen?

Es ist das Thema, das Investoren wohl das stärkste Kopfzerbrechen bereitet: Was passiert mit dem Stahlgeschäft, nachdem die hochprofitable Aufzugsparte für rund 17,2 Milliarden Euro verkauft worden ist? Denn in der Vergangenheit wurden die stabilen Erträge gern dazu genutzt, die zyklischen Flauten in der Stahlproduktion auszugleichen. Damit ist es nun vorbei.

Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Investment bei der Fondsgesellschaft Deka, bezweifelt, dass der Stahl im Konzern weitergeführt werden sollte. „Das Management konnte hier bisher nicht überzeugen“, so der Fondsmanager. Im europäischen Wettbewerbsvergleich mit anderen Herstellern sei Thyssen-Krupp Steel operativ am schlechtesten aufgestellt. Damit stelle sich die Frage: „Kann Thyssen-Krupp überhaupt Stahl?“

Einer, der sich das Geschäft definitiv zutraut, ist der indisch-britische Stahlunternehmer Sanjeev Gupta, der mit seiner Firma Liberty Steel bereits ein Kaufangebot für die Sparte abgegeben hat. Noch sondiert Thyssen-Krupp-Chefin Martina Merz die vorliegenden Optionen, zu denen auch ein Verbleib im Konzern gehört. Erst im kommenden Monat soll die Entscheidung fallen. Es gebe beim Angebot von Liberty „zu einer Reihe komplexer Themen noch Klärungsbedarf“, ließ Merz die Aktionäre in ihrer vorab veröffentlichten Rede wissen.

2. Welche Strategie verfolgt Thyssen-Krupp beim Thema Wasserstoff?

Für wohl kaum einen deutschen Industriekonzern birgt das Thema Wasserstoff so große Hoffnungen wie für Thyssen-Krupp. Das gilt für die Stahlproduktion, wo der klimaneutrale Energieträger in Zukunft die Kohle ersetzen soll. Es gilt aber auch für die Anlagenbausparte, wo Thyssen-Krupp mit der Produktion von Anlagen zur Wasserstofferzeugung vertreten ist.

Vor allem Letztere hat sich in den vergangenen Monaten zur Wachstumshoffnung der Essener entwickelt: Stand der Anlagenbau zu Beginn des Konzernumbaus noch komplett zum Verkauf, will Thyssen-Krupp nun zumindest den Geschäftsbereich des chemischen Anlagenbaus allein oder mit Partnern weiterentwickeln. „Hier untersuchen wir derzeit Wachstumsoptionen und mögliche Geschäftsmodelle“, so Merz in ihrer Rede.

Auch Henrik Pontzen, Leiter Nachhaltigkeit und ESG bei der Fondsgesellschaft Union Investment, sieht für das Unternehmen in der Wasserstoffwirtschaft „eine historische Chance, sich neu zu erfinden“. Zwar erfordere das Geschäft hohe Investitionen, die sich jedoch auszahlen würden, so der Fondsmanager. Er fragt sich aber, in welchem Umfang Thyssen-Krupp in den nächsten Jahren in den Bereich investieren werde: „Und wo sollen die Mittel herkommen?“

3. War die Sonderzahlung an den Vorstand gerechtfertigt?

Für Thyssen-Krupp endete im September das Geschäftsjahr 2019/20 mit einem historisch guten Ergebnis: Unterm Strich erzielte der Ruhrkonzern einen Reingewinn von 9,6 Milliarden Euro. Zugegeben, in diesem Rekordergebnis ist der Erlös aus dem Verkauf der Aufzugsparte in Höhe von 17,2 Milliarden Euro enthalten. Doch darf der Ruhrkonzern nun als bilanziell saniert gelten. Das erste und vielleicht wichtigste ihrer Zwischenziele auf dem Weg zur Restrukturierung hat Vorstandschefin Merz damit erreicht.

Dem Aufsichtsrat war diese Leistung eine außerplanmäßige Sonderzahlung von 500.000 Euro für Merz und je 200.000 Euro für ihre Vorstandskollegen wert. Bei den Aktionären sorgt das für Kritik – auch vor dem Hintergrund, dass das Sparprogramm für die Belegschaft weiter verschärft wird. „Sehen Sie keinen Widerspruch zwischen dem, was der Belegschaft zugemutet wird, und den Sonderzahlungen an den Vorstand?“, fragt Deka-Fondsmanager Speich.

Für Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), wiegt die Sonderzahlung gar so schwer, dass er dem Aufsichtsrat bei der Hauptversammlung die Entlastung verweigern will. „Das zeichnet ein Bild von der Denke im Aufsichtsrat, dass wir der Meinung sind: Da müssen wir die Rote Karte zeigen“, sagte der Aktionärsschützer kürzlich im Podcast der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ („WAZ“).

4. Was passiert mit der Marinesparte?

Nicht nur die Stahlindustrie, auch das Marinegeschäft befindet sich in einer Phase der Konsolidierung. Thyssen-Krupp ist hier sowohl im Unterwasser- als auch im Überwasser-Bereich tätig. Dabei ist die Sparte Marine Systems das letzte verbliebene Standbein, mit dem der einst als Kanonenbauer weltberühmt gewordene Krupp-Konzern noch im Rüstungsgeschäft vertreten ist.

Die beiden großen Konkurrenten im Überwasser-Bereich, Lürssen und German Naval Yards, haben erst im vergangenen Jahr ihre geplante Fusion bekanntgegeben. Dabei blieb Thyssen-Krupp außen vor. „Welche Hürden müssen genommen werden, damit Sie den Rüstungsbereich in andere Hände legen?“, will Deka-Fondsmanager Speich wissen. Er fordert einen sofortigen Verkauf der Sparte. „Das Reputations- und Compliancerisiko steht in keinem Verhältnis zum Nutzen.“

Allerdings ist es wohl keine Frage des Wollens. Denn auch Vorstandschefin Merz möchte den Bereich verkaufen. Im Redemanuskript erklärte sie, der Konzern habe die nationale und europäische Landschaft der Marineindustrie hinsichtlich möglicher Konsolidierung im Blick. „Wenn eine Partnerschaft für uns wirtschaftliche Perspektiven eröffnet und politisch gefördert wird, wird Thyssen-Krupp dies unterstützen.“

5. Wann zahlt Thyssen-Krupp wieder eine Dividende?

Es ist die Gretchenfrage für die größte Aktionärin des Konzerns: die mit rund 21 Prozent beteiligte Krupp-Stiftung. Bereits im Sommer hatte deren Kuratoriumschefin Ursula Gather in einem Interview erklärt, ohne Dividende halte die Stiftung das derzeitige Fördervolumen nur noch zwei Jahre durch – nachdem die Ausschüttungen bereits in den Jahren zuvor homöopathisch waren.

In diesem Jahr fällt die Auszahlung sogar komplett aus – trotz des Rekordergebnisses. Allzu groß ist das Murren der Investoren darüber aber nicht – im Gegensatz zur Sorge, das Geld könnte wegen der hohen Verluste im laufenden Betrieb bald schon wieder aufgezehrt sein.

„Immer noch schmelzen die Milliarden wie Butter in der Sonne“, klagt Union-Fondsmanager Pontzen. „Thyssen-Krupp muss es endlich schaffen, diesen Abwärtstrend zu stoppen.“ Das entscheide über das Schicksal des einst so stolzen Konzerns. „Wenn die Wende nicht gelingt, wäre das ein schwerer Schlag für das Ruhrgebiet und für die Aktionäre.“

Der Aufsichtsrat hat dem Vorstand angesichts der Fortschritte bei der Restrukturierung einen Sonderbonus gewährt – trotz schlechter wirtschaftlicher Performance. Foto: dpa
Der Aufsichtsrat hat dem Vorstand angesichts der Fortschritte bei der Restrukturierung einen Sonderbonus gewährt – trotz schlechter wirtschaftlicher Performance. Foto: dpa
Die gemeinnützige Krupp-Stiftung finanziert sich allein aus Dividenden des Ruhrkonzerns. Foto: dpa
Die gemeinnützige Krupp-Stiftung finanziert sich allein aus Dividenden des Ruhrkonzerns. Foto: dpa