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Deutschlands Atom- und Kohleausstieg gleicht Flirt mit Blackout

(Bloomberg) -- Eine der größten Herausforderungen Deutschlands im Kampf gegen den Klimawandel ist es, dass die Lichter nicht ausgehen.

Europas größte Volkswirtschaft schaltet nächstes Jahr seinen letzten Kernreaktor ab. Die RWE AG warnte bereits davor, dass auch manche Kohlekraftwerke früher als geplant abgeschaltet werden könnten. Derweil sagen Kritiker, der Zubau bei den erneuerbaren Energien geht nicht schnell genug. Damit wird in den nächsten zwei Jahren die Fähigkeit Deutschlands, Spitzenlasten abzudecken, rapide zurückgehen. Das Risiko von Stromausfällen nimmt zu.

In einem letzten Versuch, ihren schwindenden Ruf als “Klima-Kanzlerin” zu retten, hat Angela Merkel die strengsten Emissionsziele Europas ausgerufen. Doch der Ökostrom-Revolution, die sie fast zwei Jahrzehnte lang vorangetrieben hat, geht die Puste aus, gerade während die Elektrifizierung der Wirtschaft die Stromnachfrage erhöht.

„Es besteht kein Zweifel, dass die Versorgungssicherheit ganz oben auf der Prioritätenliste der nächsten Regierung stehen muss und politisches Handeln dringend geboten ist“, sagte Alexander Nolden, Chefvolkswirt bei RWE. „Das neue Klimagesetz ist ein echter Game Changer für Deutschland. Es ist viel ehrgeiziger und erfordert eine viel höhere Geschwindigkeit bei den nötigen Änderungen.“

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Merkel hat bereits zugegeben, dass einiges falsch lief. Die Stromnachfrage wird bis Ende des Jahrzehnts wahrscheinlich stärker steigen als die offiziellen Prognosen, sagt sie im Juni. Einen Monat zuvor hatte sie eingestanden, dass zunehmender Widerstand auf lokaler Ebene und zu viel Bürokratie den Ökostromausbau verlangsamt haben.

Deutschland hat der Welt lange Zeit vor Augen gehalten, wie man einen erheblichen Anteil am Strommix aus erneuerbare Energien gewinnen kann. Inzwischen dauert der Bau eines Windparks in Deutschland jedoch doppelt so lange wie in den USA, so der norwegische Energieversorger Statkraft SF.

Nehmen wir Roland Schüren. Er betreibt 19 Bäckereien in Nordrhein-Westfalen. Um Stromkosten zu sparen und die Energiewende zu beschleunigen, braucht er weitere Solarpanels für Öfen und elektrische Lieferwagen. Aber die Bürokratie bremst ihn aus. Jetzt will er für die Grünen in den Bundestag einziehen.

„Unsere Dächer sind voll mit Photovoltaik und mehr können wir da nicht installieren“, sagte er telefonisch aus einem seiner Geschäfte in Hilden bei Düsseldorf. „Wir könnten aber das Dach unseres Nachbarn mieten und dort mehr Module aufstellen, aber das ist nicht erlaubt. Die Energiewende wird von der Regierung gebremst.“

Die Bundesregierung will den Ausstoß von Kohlendioxid bis zum Ende des Jahrzehnts um 65% senken. RWE sagte am 12. August, es sei „vorstellbar“, dass die nächste Regierung schneller aus der Braunkohleverstromung aussteigen will. Derzeit soll der letzte Meiler 2038 abgeschaltet werden. Sabrina Kernbichler, Analystin bei S&P Global Platts, erwartet deren Abschaltung bereits früh im nächsten Jahrzehnt.

Knirschen könnte es viel früher: Bis 2023 dürfte hierzulande die Angebotsreserve von Strom gegenüber der Spitzennachfrage von 26% vor der Pandemie auf 3% sinken, so Analysten von BNEF.

Bis 2026 könnte die Produktion von Kohlestrom im Vergleich zu den Werten vor der Pandemie um bis zu 70% sinken, schätzt BNEF. Gleichzeitig wird jedoch der Stromverbrauch womöglich bereits nächstes Jahr wieder so hoch sein, wie vor der Pandemie, so BNEF.

Das knappe Angebot könnte die Preise verteuern für tausende Unternehmen, die das Rückgrat der deutschen Wirtschaft sind. Die Großhandelspreise sind dieses Jahr bereits um fast 60% gestiegen auf den höchsten Stand seit 2008. Dieser Anstieg wird auch zu den 40 Millionen Haushalten des Landes durchsickern. Die haben heute bereits die höchsten Stromrechnungen in der Europäischen Union, womit teilweise die Energiewende finanziert wird.

Den Entscheidungen zum Ausstieg aus Kernenergie und Kohle seien sorgfältige Recherchen vorausgegangen, sagte ein Sprecher der Bundesnetzagentur. „Die Sicherheit der Stromversorgung wird regelmäßig überprüft.“

In Rheinland-Pfalz, einst Standort von zwei Atomkraftwerken, bedauert der Chef des Chemieunternehmens Berger-Lacke GmbH die Schließungen und sorgt sich um die Versorgungssicherheit.

„Blackouts sind eines der größten Risiken für uns“, sagte Thomas M. Adam. „Selbst ein paar Tage ohne stabile Versorgung wären sehr ernst.“

In der Zwischenzeit muss sich Deutschland möglicherweise mehr Strom bei seinen Nachbarn besorgen. Aber auch dort könnte die Stilllegung von Kraftwerken für fossile Brennstoffe bedeuten, dass in strengen Wintern weniger Strom zur Verfügung steht, genau dann, wenn er am dringendsten benötigt wird, so BNEF-Analyst Andreas Gandolfo. „Falls es eine einen kollektiven Engpass gibt, könnte es für Deutschland schwierig werden.“

Überschrift des Artikels im Original:Germany Flirts With Power Crunch in Nuclear and Coal Exit

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©2021 Bloomberg L.P.