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Deutschland hat seine Ziele erreicht – mit Pragmatismus und Hartnäckigkeit

China-Deal, Brexit-Pakt, Budget-Einigung – zum Ende der Ratspräsidentschaft kann das Berliner Krisenmanagement überraschende Erfolge vorweisen.

Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft hat vor allem zum Ende der sechs Monate einige Erfolge erzielt. Foto: dpa
Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft hat vor allem zum Ende der sechs Monate einige Erfolge erzielt. Foto: dpa

Immer zerstritten, meistens mit sich selbst beschäftigt, oft zögerlich – das sind die Eigenschaften, die der Europäischen Union zugeschrieben werden. Diese Einschätzung allerdings, vor allem von Europäern selbst geteilt, steht im auffälligen Kontrast zu dem jüngst Erreichten. Die Bilanz der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, die zum Jahreswechsel endet, kann sich sehen lassen.

Das Investitionsabkommen mit China, der Brexit-Pakt und die schwierige Einigung um das von Ungarn und Polen im Rechtsstaatskonflikt blockierte EU-Budget sind ohne Zweifel Erfolge. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Coronakrise, die den ganzen Kontinent in eine Ausnahmesituation versetzte, die Agenda der Bundesregierung gleich zu Beginn der Ratspräsidentschaft über den Haufen warf.

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Nicht weiter gekommen ist Berlin allerdings beim Streitthema Migration. „Das Thema bleibt einer der großen Spaltpilze der EU“, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas. Und auch Bundeskanzlerin Merkel räumte zuletzt selbstkritisch ein, dass Deutschland den Portugiesen, die ab Januar die EU-Geschäftsführung übernehmen, etwas an Arbeit übriggelassen hat.

So sieht die Bilanz der deutschen Ratspräsidentschaft aus:

Der China-Deal: Überraschung kurz vor dem Jahreswechsel

Mit der politischen Einigung auf das Investmentabkommen mit China hat Merkel eines ihrer wichtigsten Ziele kurz vor dem Ablauf des halbjährlichen Vorsitzes erreicht. Auch wenn das „Comprehensive Agreement on Investment“ (CAI) nur eine erste Grundlage für besseren Marktzugang und faireren Wettbewerb für EU-Unternehmen in China darstellt, ist das mühsam erzielte Abkommen ein Fortschritt, wenn auch kein unumstrittener. Schließlich wurde rund sieben Jahre zwischen Brüssel und Peking verhandelt.

Nicht zuletzt der persönliche Einsatz von Merkel in enger Abstimmung mit ihrer früheren Ministerin und heutigen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat den Durchbruch noch ermöglicht. Ein wenig Glück hatte die Ratspräsidentschaft auch. Denn angesichts eines Machtwechsels in den USA wollten die Chinesen den Pakt unter Dach und Fach bringen, bevor der neue US-Präsident Joe Biden sein Amt antritt.

Es gibt allerdings auch Kritik: Allen voran die Tatsache, dass die Europäer die USA nicht mit in die Verhandlungen einbezogen, ja nicht einmal konsultiert haben, ist umstritten.

Ob der Vertrag am Ende das hält, was Merkel und von der Leyen sich davon versprechen, wird sich zeigen. Noch liegt der Vertragstext in allen Details nicht vor und juristisch überprüft ist er auch noch nicht. Insbesondere die Unternehmen halten sich daher mit Beifallsbekundungen zurück. Ohnehin wird nach Meinungen von Insidern in Brüssel noch ein gutes Jahr vergehen, bis die Mitgliedsländer und insbesondere das kritische Europaparlament das Abkommen beschließen.

Der Brexit-Pakt: Durchbruch in letzter Minute

Pünktlich zu Weihnachten hat sich die deutsche EU-Ratspräsidentschaft mit dem Brexit-Deal selbst beschenkt. In enger Zusammenarbeit mit der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Berlin mit Unterstützung Frankreichs doch noch ein Handelsabkommen mit dem Vereinigten Königreich auf die Beine gestellt. Die deutsche Ratspräsidentschaft war klug genug, dem britischen Premier Boris Johnson zumindest nach außen den Erfolg zu gönnen.

Doch das unterzeichnete Abkommen zwischen der EU und Großbritannien ist für die 27 Mitgliedsländern, insbesondere für Deutschland mit seiner starken Exportwirtschaft, von großem Vorteil. Es war kein Zufall, dass Konzerne wie BMW mit eigener Autoproduktion in England zu den ersten Gratulanten gehörten. Kommissionschefin von der Leyen lächelte zufrieden, als sie in Brüssel einen Tag vor Silvester das fast 1300 Seiten starke Vertragswerk unterschrieb. Denn das große Chaos auf beiden Seiten des Kanals ist ausgeblieben, auch wenn noch viele Fragen offen sind.

Corona-Wiederaufbaufonds: Eine Zeitenwende für Europa

Die Coronakrise hat Merkels Pläne für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft ziemlich durcheinandergebracht. Sie hat aber auch dafür gesorgt, dass eine historische Einigung in diese Zeit fiel. Um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu lindern, schafft die Europäische Union einen 750 Milliarden Euro schweren Wiederaufbaufonds. Und dafür darf die EU erstmals im großen Stil selbst Schulden aufnehmen. Das ist ohne Zweifel eine Zeitenwende, die allerdings auch in weiten Teilen des Staatenbundes mit Skepsis gesehen wird.

Zusammen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schlug Merkel im Mai einen 500 Milliarden Euro schweren Fonds zur Bekämpfung der Coronakrise vor. Das Novum: Anders als etwa in der Eurokrise sollte es für die Mitgliedstaaten echte Zuschüsse geben und nicht nur Kredite, die wieder zurückgezahlt werden müssen.


Im Verlauf der Verhandlungen wurden aus den 500 Milliarden Euro dann sogar 750 Milliarden. Darauf verständigten sich die europäischen Staats- und Regierungschefs im Sommer. Allerdings soll nur gut die Hälfte (390 Milliarden Euro) als Zuschüsse fließen, der Rest in Form von Krediten. Ein Zugeständnis an die skeptischen Länder, die sogenannten „sparsamen Vier“, also die Niederlande, Österreich, Schweden und Dänemark.

Deutschland hatte maßgeblichen Anteil daran, dass dieser Kompromiss gelang. Zwischen den südeuropäischen Ländern, die möglichst hohe Summen mit wenig Auflagen forderten und den nordeuropäischen Staaten, die gemeinsame Schulden lange Zeit ablehnten, waren viele Differenzen zu überbrücken.

Ende des Jahres gelang es dann auch noch, den Streit um den sogenannten Rechtsstaatsmechanismus und den EU-Finanzplan mit Ungarn und Polen zu lösen. Damit ist der Weg für den Wiederaufbaufonds endgültig frei. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sieht darin einen historischen Schritt. Für Kritiker ist es der endgültige Schritt in eine Transfer-Union.

Die ESM-Reform: Eine Stärkung der Eurozone

Finanzminister Olaf Scholz konnte während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft vor allem Altlasten abarbeiten. Jahrelang wurden über eine Stärkung des Euro-Rettungsfonds (ESM) verhandelt, bereits im Sommer 2019 gab es eine finale Einigung. Doch diese wurde dann vor allem von Italien blockiert. Anfang Dezember gelang überraschend der endgültige Durchbruch. Im Januar 2021 soll nun der geänderte ESM-Vertrag unterzeichnet und anschließend von allen Staaten ratifiziert werden.

Es geht vor allem um eine wesentliche Änderung: Der ESM wird ab 2022, und damit früher als bisher geplant, zur letzten Sicherungsinstanz für den Bankenabwicklungsfonds SRF. Sollte diesem wegen eine Bankenkrise das Geld ausgehen, dann darf der ESM aushelfen. Der SRF wird von den Banken durch Beiträge gefüllt und soll etwas mehr als 60 Milliarden Euro umfassen.

Die Änderung bedeutet also auch: Wenn die Finanzbranche sich über den SRF nicht selbst helfen kann, würden notfalls wieder die Staaten und damit die Steuerzahler einspringen. Befürworter der Maßnahme erhoffen sich, dass die Währungsunion insgesamt krisenfester wird, wenn der ESM nun als „backstop“ für den Bankenabwicklungsfonds agiert. Ein einzelner Staat kann bei einer Bankenkrise nicht so schnell überfordert werden, wenn die Gemeinschaft hilft.

Ansonsten aber blieb die ESM-Reform, die nun endgültig durchgewunken wurde, hinter den einst hohen Erwartungen zurück. Der Ausbau des ESM zum europäischen Währungsfonds, der mal im Gespräch war, wird vorerst nicht kommen. Zwar erhält der Euro-Rettungsfonds ein paar kleinere technische Änderungen bei seinen Hilfsinstrumenten.


Doch mittlerweile stellt sich die Frage, welche Rolle der ESM bei Krisen künftig überhaupt noch spielen wird. In der Corona-Pandemie wollten die Staaten ihn jedenfalls nicht nutzen. Vor allem in Südeuropa ist der ESM wegen der Reformauflagen während der Euro-Krise in Verruf geraten. Und mit dem Corona-Wiederaufbaufonds gibt es mittlerweile einen deutlich größeren Geldtopf, der nicht nur Kredite, sondern auch Zuschüsse verteilen kann.

Insofern wirkt die Reform, die nun während der deutschen Ratspräsidentschaft endgültig beschlossen wurde, etwas aus der Zeit gefallen. Eine alte, noch offene Aufgabe wurde pflichtgemäß abgearbeitet. Die Frage, welche Rolle der ESM in Zukunft spielen soll, und wie die Währungsunion weiter gestärkt werden kann, ist aber weiter offen.

Corona-Krisenmanagement: Kampf gegen nationale Alleingänge

Als Deutschland den Ratsvorsitz am 1. Juli übernahm, war von einer EU-weiten Strategie im Kampf gegen das Coronavirus kaum etwas zu sehen. Berlin nutzte geschickt den Schock und die Enttäuschung über geschlossene Grenzen im EU-Binnenmarkt im Frühjahr, um eine gemeinsame Strategie beim Einkauf und bei der Verteilung des Impfstoffes zu entwickeln.

Die EU-Kommission hat daraufhin mit einer koordinierten Einkaufspolitik bei Pharmafirmen wie Biontech mit seinem US-Partner Pfizer oder Moderna geschafft, Vakzine stellvertretend für alle 27 Mitgliedsstaaten einzukaufen. Es ist ein psychologischer Erfolg der deutschen Ratspräsidentschaft, dass es am Ende gelang, an Weihnachten zeitgleich in allen EU-Ländern mit den Impfungen zu beginnen. Berlin hat es geschafft, erneute nationale Alleingänge zu verhindern. Das schätzen vor allem kleinere EU-Länder mit geringeren finanziellen Möglichkeiten und ohne pharmazeutische Produktion.

Klimapolitik: Ehrgeiziges Ziel ja, aber auch realistisch?

Die EU hat es unter deutscher Ratspräsidentschaft geschafft, sich klimapolitisch an die Weltspitze zu setzen, zumindest, was die Ziele angeht. Auf dem EU-Gipfel im Dezember hat Deutschland durchgesetzt, dass die EU-Staats- und -Regierungschefs sich auf ein Klimaziel für 2030 von mindestens 55 Prozent weniger Treibhausgase geeinigt haben. Zuvor lag die Zielmarke bei 40 Prozent.

Gleichzeitig braucht es zielgenaue Maßnahmen, damit energieintensive Industrien weiter wettbewerbsfähig bleiben. Der Erfolg eines ehrgeizigeren Klimaziels war keineswegs sicher, denn insbesondere in Osteuropa gab es Widerstand. Doch die Kanzlerin unterstützte bedingungslos und unaufgeregt das Ziel von Kommissionspräsidentin von der Leyen, um bis 2050 die Klimaneutralität der EU zu erreichen.

Ende Juni, also kurz vor Beginn der deutschen Ratspräsidentschaft am 1. Juli, war es der Bundesregierung nach monatelangen Debatten noch gelungen, ihre „Nationale Wasserstoffstrategie“ zu beschließen. Schon kurz darauf stellte die EU-Kommission ihr eigenes Konzept vor, das sich in wesentlichen Punkten von den deutschen Plänen unterscheidet. Ihr Ziel, der europäischen Wasserstoffstrategie ihren Stempel aufzudrücken, erreichte die Bundesregierung insofern nicht.

Während die EU-Kommission in der Frage der Farbenlehre sehr offen ist, hat Deutschland seinen Blick auf grünen Wasserstoff verengt. In der praktischen Umsetzung konnte die Bundesregierung dann doch noch punkten. Mitte Dezember, also gegen Ende der Ratspräsidentschaft, legte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gemeinsam mit EU-Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager den Grundstein für die Zusammenarbeit von 22 EU-Mitgliedstaaten und Norwegen für den Einstieg in die europäische Wasserstoff-Wirtschaft.

Das Vorhaben firmiert als „Projekt von gemeinsamem europäischem Interesse“ („Important Project of Common European Interest“, kurz IPCEI). Das bedeutet im Kern, dass grenzüberschreitende Projekte von Unternehmen mit Milliardenhilfen der beteiligten EU-Staaten rechnen können. Deutschland übernimmt die Koordinierung. In einem ersten Schritt könnten Unternehmen der Stahl- und der Chemiebranche profitieren, die ihre Produktionsprozesse mittels Wasserstoff klimaneutral gestalten wollen.

Erste Schritte zur gemeinsamen Digitalisierung

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat die deutsche Ratspräsidentschaft genutzt, um die digitale Souveränität der EU ein Stück voranzubringen. Das Thema ist vielschichtig: Es reicht vom technologischen Rückstand der Europäer mit Blick auf Mikroprozessoren und Halbleitertechnologien über Schwächen bei der digitalen Infrastruktur bis hin zur Marktmacht der US-Internetgiganten. Mit Initiativen zur europäischen Cloud sowie einem Projekt zur Mikroelektronik und Kommunikationstechnologie, das als IPCEI-Vorhaben aufgelegt wurde, sind erste Weichen gestellt.

Fortschritte in der Sozial-Union

Anfang Juli, die deutsche EU-Ratspräsidentschaft war gerade eine Woche alt, legte die Kommisionspräsidentin ein Bekenntnis zum sozialen Europa ab. „Ich bin davon überzeugt, dass die soziale Dimension ebenso entscheidend ist wie die wirtschaftliche“, sagte sie vor dem Europäischen Parlament. Ein sozial und wirtschaftlich gerechtes Europa sei „für den demokratischen Zusammenhalt entscheidend“.

Kritische Stimmen aus der Wirtschaft malten damals das Bild eines europäischen Super-Sozialstaats an die Wand, der auf Kosten der deutschen Beitrags- und Steuerzahler finanziert wird. Doch die Befürchtungen erwiesen sich als unbegründet. EU-Beschäftigungskommissar Nicolas Schmit hat zwar einen Vorschlag für einen Rechtsrahmen für europäische Mindestlöhne vorgelegt. Die Mitgliedstaaten werden angehalten, sich bei der Lohnuntergrenze an den Durchschnittslöhnen im jeweiligen Land zu orientieren. Auf eine Richtgröße – beispielsweise 60 Prozent des Medianlohns – hat Schmit aber verzichtet.

Sonst wäre der Druck auf Deutschland gewachsen, seinen Mindestlohn, der zuletzt bei unter 50 Prozent des mittleren Lohns lag, rasch auf rund zwölf Euro anzuheben. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erhofft sich dennoch Impulse für die deutsche Debatte: „Noch immer arbeitet rund jeder Vierte hierzulande für weniger als zwölf Euro pro Stunde“, sagte er. „Das ist zu wenig für harte Arbeit.“


Vom Versprechen, die Rechte für Saisonarbeitskräfte und entsandte Beschäftigte aus den anderen EU-Ländern zu stärken, bleibt vor allem das umstrittene Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in der deutschen Fleischindustrie. Zur Unterstützung der von der Coronakrise besonders betroffenen Jugendlichen haben die EU-Staaten die Jugendgarantie ausgeweitet. Allerdings fällt die Bilanz des Instruments, das bereits 2013 in der Euro-Krise eingeführt worden war und jedem arbeitslosen Jugendlichen innerhalb von vier Monaten einen Job, eine Lehrstelle oder zumindest ein Praktikum garantieren soll, eher durchwachsen aus.

Im Streit über ein nationales Lieferkettengesetz ist ein wenig untergegangen, dass die EU-Staaten unter deutscher Ratspräsidentschaft beim Schutz der Menschenrechte ein gutes Stück vorangekommen sind. So hatten sich Anfang Dezember erstmals alle Mitgliedsländer für eine EU-weite verbindliche Regelung unternehmerischer Sorgfaltspflichten ausgesprochen, um beispielsweise Kinderarbeit wirksam zu unterbinden.

Kritiker aus der deutschen Wirtschaft fordern schon lange, ein Lieferkettengesetz – wenn überhaupt – nur auf europäischer Ebene anzugehen und auf einen nationalen Alleingang zu verzichten. Bisher konnten sich Heil und sein für Entwicklung zuständiger Ministerkollege Gerd Müller (CSU) deshalb mit ihren Vorstellungen für ein Gesetz auch nicht bei Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) durchsetzen. Ein Gespräch mit Kanzlerin Merkel und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) soll im Januar nun Klarheit bringen, ob es in dieser Legislaturperiode noch zu einem nationalen Alleingang beim Schutz der Menschenrechte kommt.

Bei der EU-Erweiterung gescheitert

Das ursprüngliche Ziel der deutschen Ratspräsidentschaft, die EU-Erweiterung auf dem Westbalkan mit der Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit Nordmazedonien und Albanien zu beschleunigen, ist gescheitert. In Berlin ruhen daher die Hoffnungen auf Portugal. Das westeuropäische Land übernimmt am 1. Januar die EU-Ratspräsidentschaft von Deutschland und könnte dann Bewegung in den Prozess der EU-Erweiterung auf dem Westbalkan bringen.

Deutschland musste zum Ende seiner halbjährigen EU-Ratspräsidentschaft in der EU-Balkan-Politik im Dezember einen herben Rückschlag erleben. Bulgarien verhinderte aus innenpolitischen Gründen die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit seinem Nachbarland Nordmazedonien. Auch intensive Bemühungen deutscher und europäischer Diplomaten – beispielsweise von Europa-Staatsminister Michael Roth (SPD) – brachten keinen Durchbruch.

Schließlich blockierten zuletzt auch noch Tschechien und die Slowakei einen wichtigen Text zu den Fortschritten der geplanten EU-Erweiterung in Südosteuropa. Die beiden EU-Länder begründeten dies mit ihrer Verärgerung über das Verhalten Bulgariens. Bereits seit Jahren laufen die Beitrittsgespräche mit Serbien und Montenegro. Doch beide Länder kommen in ihrem Annäherungsprozess nur mühsam voran. Auch Kosovo und Bosnien-Herzegowina streben in die EU.

Die Balkan-Staaten werden seit Jahren von Großmächten wie Russland und China umworben. Aber auch die Türkei baut ihren Einfluss in Südosteuropa aus. Die deutsche Ratspräsidentschaft mahnte immer wieder, dass die politischen und wirtschaftlichen Interessen von Mächten außerhalb der EU den noch langen Weg zu mehr Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und grenzüberschreitender Zusammenarbeit verlangsamen könnten.

Keine Chance auf Fortschritte beim Migrationspakt

Seit der Flüchtlingskrise von 2015 ist die Migrationspolitik in der EU eines der großen Kontroversen. Mit ihrem Versuch, einen EU-Migrationspakt zu schnüren, hatte die deutsche Ratspräsidentschaft keinen Erfolg. „Ich hätte mir gewünscht, auch da weiterzukommen, aber das ist aufgrund der Blockade einzelner Länder nicht möglich gewesen“, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD).

Seine Frustration ist keine Überraschung, denn die Interessen der einzelnen Mitgliedsländer von Griechenland, Italien und Spanien bis zu Ungarn und Polen liegen in Migrationsfragen traditionell weit auseinander. Die strittige Frage der Verteilung Schutz suchender Migranten in der EU bleibt weiter ungelöst.


Für die Enttäuschung der deutschen Ratspräsidentschaft gibt es bei den EU-Nachbarn Verständnis. „Ich erinnere mich gut an die österreichische Ratspräsidentschaft, wo wir alles versucht haben und in einigen Feldern trotzdem nicht vorangekommen sind“, sagte die österreichische Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) dem Handelsblatt.

Im September machte die EU-Kommission ihre Vorschläge, doch eine Verabschiedung bis zum Jahresende gelang nicht mehr. Ein neues Asyl- und Migrationspaket sollte die fünfjährige Blockade bei der EU-Flüchtlingspolitik überwinden. Der Vorschlag sieht vor, schneller über Asylanträge zu entscheiden, rasch Abschiebungen durchzuführen und nicht mehr alle EU-Länder zur Aufnahme von Schutzsuchenden zu zwingen. Ziel ist es, die EU-Außengrenzen besser zu schützen und die Zusammenarbeit mit Drittstaaten zu verbessern, um die illegale Migration zu stoppen und Rückführungen in diese leichter zu ermöglichen.

Umstritten ist unter anderen die sogenannte "Return Sponsorship", die beispielsweise aus der Sicht Österreichs nicht zu einer verpflichtenden Verteilung durch die Hintertür führen darf. Wann der unter deutscher Ratspräsidentschaft gemachte Kommissionsvorschlag im Rat und Europaparlament verabschiedet werden kann, steht allerdings noch in den Sternen. Die Positionen liegen sehr weit auseinander. Und das für die Flüchtlingsproblematik so wichtige Verhältnis zur Türkei bleibt schlecht. Zuletzt hat sich der Ton zwischen der EU und der Türkei auf Grund von Sanktionen nochmals verschärft.

Von dem Investitionsabkommen verspricht sich Europa besseren Zugang zu den chinesischen Märkten. Foto: dpa
Von dem Investitionsabkommen verspricht sich Europa besseren Zugang zu den chinesischen Märkten. Foto: dpa
Besonders die Verhandlungen um den Corona-Hilfsfonds und den EU-Haushalt haben die deutsche EU-Ratspräsidentschaft geprägt. Foto: dpa
Besonders die Verhandlungen um den Corona-Hilfsfonds und den EU-Haushalt haben die deutsche EU-Ratspräsidentschaft geprägt. Foto: dpa
Finanzminister Scholz konnte die Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) voranbringen. Foto: dpa
Finanzminister Scholz konnte die Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) voranbringen. Foto: dpa
Keine echte Einigkeit gibt es bei einer europäischen Wasserstoffstrategie, an der vor allem Wirtschaftsminister Peter Altmaier gearbeitet hat. Foto: dpa
Keine echte Einigkeit gibt es bei einer europäischen Wasserstoffstrategie, an der vor allem Wirtschaftsminister Peter Altmaier gearbeitet hat. Foto: dpa
Für die EU-Mitgliedsstaaten gibt es nun zumindest grobe Zielvorgaben zu Mindestlöhnen. Eine Verpflichtung auf 60 Prozent des Medianeinkommens, die auch Deutschland mit Arbeitsminister Hubertus Heil unterschreiten würde, ist aber nicht vorgesehen. Foto: dpa
Für die EU-Mitgliedsstaaten gibt es nun zumindest grobe Zielvorgaben zu Mindestlöhnen. Eine Verpflichtung auf 60 Prozent des Medianeinkommens, die auch Deutschland mit Arbeitsminister Hubertus Heil unterschreiten würde, ist aber nicht vorgesehen. Foto: dpa