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Deutschland droht ein Milliardenloch bei der Lkw-Maut

Der Europäische Gerichtshof kippt Berechnungen der Lkw-Maut. Nun können Spediteure Geld zurückfordern – womöglich bereits für den Zeitraum ab 2005.

Die Berechnung der Lkw-Maut ist seit vielen Jahren ein Zankapfel zwischen der Spediteursbranche und dem Bundesverkehrsministerium. Foto: dpa
Die Berechnung der Lkw-Maut ist seit vielen Jahren ein Zankapfel zwischen der Spediteursbranche und dem Bundesverkehrsministerium. Foto: dpa

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Berechnung der deutschen Lkw-Maut als nicht mit dem EU-Recht vereinbar bewertet. Die Richter folgten damit am Mittwoch dem Votum ihres Gutachters, der es als nicht rechtens erachtet hatte, über die reinen Infrastrukturkosten noch weitere Kosten bei der Berechnung der Straßenbenutzungsgebühr anzusetzen.

Auch ließen die Richter keine Ungenauigkeiten bei der Berechnung zu, wie Deutschland gehofft hatte. Da die Kosten grundsätzlich nicht einbezogen werden dürften, sei „jeder Überschreitung der Infrastrukturkosten“ eine Absage zu erteilen.

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Geklagt hatte ein polnisches Speditionsunternehmen. Es wollte die Maut aus den Jahren 2010 und 2011 zurückgezahlt bekommen, da seiner Meinung nach die im Bundesfernstraßengesetz festgelegten Mautsätze gegen die EU-Wegekostenrichtlinie verstoßen.

Es ging dabei vor allem um die Frage, ob die Kosten für die Verkehrspolizei mit einberechnet werden dürfen. Die deutschen Richter am Oberverwaltungsgericht Münster hatten den EuGH um Auslegung der Richtlinie gebeten, die festhält, dass bei Mautgebühren nur „Infrastrukturkosten“ angesetzt werden dürfen.

Kosten der Verkehrspolizei nicht Teil der Lkw-Maut

Dies hat der EuGH nun verneint. „Die Kosten der Verkehrspolizei dürfen bei der Berechnung der Mautgebühren für die Benutzung des transeuropäischen Straßennetzes durch schwere Nutzfahrzeuge nicht berücksichtigt werden“, hieß es in der Mitteilung des Gerichts.

Es dürften „ausschließlich“ demnach „die Baukosten und die Kosten für Betrieb, Instandhaltung und Ausbau des betreffenden Verkehrswegenetzes“ berücksichtigt werden. Polizeiliche Arbeit falle in die Verantwortung des Staates. Nun müssen die Richter in Münster ihr abschließendes Urteil fällen.

Das Urteil hat Signalcharakter für andere Spediteure. Auch sie können nun auf Rückzahlung von bereits gezahlten Mautgebühren pochen. So hatten bereits etliche andere polnische Speditionsunternehmen die Erstattungsklage unterstützt.

Vor allem könnten auch noch weit mehr Jahre der Mautberechnung mit dem Urteil nichtig sein. Denn das Gericht stellte klar: „Den Antrag Deutschlands, die Wirkung des Urteils zeitlich zu beschränken, weist der Gerichtshof zurück.“

Die Mauthöhe wird seit der Einführung 2003 von einem Gutachterkonsortium alle vier Jahre neu berechnet. Im konkreten Fall ging es um das Gutachten für die Jahre 2007 bis 2012. Doch werden die Kosten etwa für Grundstücke und die Verkehrspolizei seit je einbezogen, von 2013 bis 2018 wurden allein bei der Verkehrspolizei gut 800 Millionen Euro im Jahr angesetzt, inzwischen sind sie bis 2022 mit jährlich einer Milliarde Euro kalkuliert. Das Bundesverkehrsministerium verweist darauf, dass die Wegekostengutachten „von Beginn an vorgelegt“ und „bisher von der EU-Kommission auch nicht beanstandet“ wurden.

Seit Jahren gibt es Streit um die Maut-Berechnung

Die Berechnung der Lkw-Maut ist seit vielen Jahren ein Zankapfel zwischen der Spediteursbranche und dem Bundesverkehrsministerium. Zuvor hatte bereits 2013 der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) ein Musterverfahren unterstützt, in dem es ebenfalls um die Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht ging.

Damals war ein Spediteur wegen 22 Euro zu viel gezahlter Maut vor Gericht gezogen, die sich angesichts der Rechtsprechung zu seinen Gunsten zu einer Belastung des Bundeshaushalts in Milliardenhöhe auszuwachsen drohte. Die Münsteraner Richter hatten seinerzeit geurteilt, dass es an einer „rechtswirksamen Rechtsgrundlage für die Mauterhebung“ gefehlt habe. Der Bund hatte daraufhin zunächst Revision beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt und zeitgleich das Gesetz nachgebessert.

Allein die Klageforderung – es ging um die Frage, ob ein kleiner Tieflader für Sportjachten ebenso viel Maut zahlen muss wie ein schwerer Lkw – belief sich angesichts des Mustercharakters laut BGL auf bis zu 1,75 Milliarden Euro.

Die mündliche Verhandlung zum jüngsten Urteil der EU-Richter hatte im Sommer 2019 stattgefunden. Das Ministerium erklärte nun, es werde „das EuGH-Urteil auswerten“. Notfalls müsste es über 15 Jahre zu viel gezahlte Maut zurückerstatten und vor allem die Berechnung korrigieren und würde so Einnahmen verlieren.

Der Bund plant allein für 2021 mit 7,5 Milliarden Euro Einnahmen aus der Lkw-Maut. Das Geld wird auf den 13.230 Kilometern Autobahn erhoben und auf 37.818 Kilometern Bundesstraßen. Mit dem Geld finanziert das Ministerium inzwischen einen Großteil seiner Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur. Damit soll die Höhe der Investitionen nicht mehr von der jährlichen Haushaltslage abhängig sein, sondern von den Nutzern finanziert werden.

Scheuer legt Eurovignetten-Richtlinie vor

Das Urteil ist auch dahingehend interessant, weil Deutschland derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat. In dem Zusammenhang ist Deutschland von der EU-Kommission gebeten worden, eine Einigung für eine Eurovignetten-Richtlinie herbeizuführen. Sie ist die Grundlage, nach der die Nationalstaaten Maut erheben dürfen. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will einen Vorschlag beim nächsten Gipfeltreffen am 9. November vorlegen.

Die Richtlinie soll künftig nach klar ökologischen Kriterien ausgerichtet werden, sodass etwa Wasserstoff-Lkws, Gas-Lkws oder künftig Fahrzeuge mit synthetischen Kraftstoffen von der Maut ausgenommen werden. Im Gegenzug plant Minister Scheuer, die Mautpflicht auf Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen auszuweiten. Bisher gilt sie erst ab einem Gewicht von 7,5 Tonnen.

Die erweiterte Pflicht würde die Einnahmen wieder erhöhen. Da es aber vor allem in Bayern seitens der Handwerker seit Jahren heftigen Widerstand gibt, soll es „unbefristete Ausnahmemöglichkeiten“ geben.